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Türkischer Oppositionsführer Özgur Özel: CHP-Chef dankt SPD für Solidarität

Seit 100 Tagen ist der Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu in Haft. Sein Parteikollege und CHP-Chef Özgür Özel beschwor auf dem SPD-Bundesparteitag die Kraft der Opposition. Mit einer Resolution zeigten die Delegierten ihre Unterstützung.

von Nils Michaelis · 28. Juni 2025
CHP-Chef Özgur Özel mit den SPD-Vorsitzenden Bärbel Bas und Lars Klingbeil

Seite an Seite für eine demokratische Türkei: Der CHP-Chef Özgur Özel mit den SPD-Vorsitzenden Bärbel Bas und Lars Klingbeil auf dem SPD-Bundesparteitag am 28. Juni.

Als Özgur Özel seine etwa 15-minütige Rede beendet, erfasst eine emotionale Wucht den Parteitagssaal in Berlin. „Einer kann sich da nicht retten“, ruft der CHP-Vorsitzende in Anlehnung an einen Text von Bertolt Brecht auf Deutsch den Delegiert*innen zu. „Alle oder keiner.“ Sprechchöre auf Deutsch und Türkisch, auch aufseiten türkischer Parteitagsgäste, wallen ihm entgegen. Es ist ein eindringlicher Appell an Solidarität mit einer politischen Kraft, die zunehmend unter Druck gerät.

Özgür Özel: Der Erfolg der CHP versetzt die Regierung in Panik

Özel führt eine erfolgreiche Partei. Bei der vergangenen Kommunalwahl wurde sie stärkste Kraft. „Wir liegen in allen Umfragen vorn“, sagt der Vorsitzende im City Cube. Doch all dies führe dazu, dass die autoritäre Regierung die CHP zunehmend ins Visier nimmt. Özel spricht von Panik. Immer wieder würden Vertreter*innen der CHP und anderen Gruppen der politischen Opposition ins Gefängnis gesteckt. Das prominenteste Beispiel ist der Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu, der an diesem Tag seit 100 Tagen in Haft ist und so daran gehindert wurde, bei der Präsidentschaftswahl gegen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan anzutreten.

„Der 19. März war ein Frontalangriff auf die Demokratie und Willen des Volkes“, sagt Özel mit Blick auf die Festnahme von İmamoğlu und den anschließenden Prozess. In seiner kämpferischen Rede macht er deutlich, dass sich die Gegner*innen des zunehmend autoritären Regimes davon nicht einschüchtern ließen. Jeden Mittwoch und an jedem Wochenende gebe es Kundgebungen gegen das System Erdogan.

„Wir geben nicht auf, wir kämpfen bis zum Ende“, so Özel. „Gerade jetzt schätzen wir die Solidarität unserer Schwesterpartei SPD. Nicht nur mit der CHP, sondern mit allen Menschen, die sich für eine demokratische Türkei einsetzen.“ Özel zeigt sich hoffnungsvoll, dass die Rufe nach Demokratie nicht verstummen werden, gerade die junge Generation würde den Widerstand gegen die Obrigkeit tragen.

Özgur Özel beim SPD-Bundesparteitag auf offene Ohren

Mit seinem Anliegen stößt Özel beim SPD-Bundesparteitag auf offene Ohren. „Das Vorgehen der Behörden gegen unseren Genossen Ekrem İmamoğlu ist keine Herausforderung allein für die Opposition in der Türkei, sondern auch für uns“, sagt der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil. „Es geht darum, internationale Solidarität zu zeigen.“

Klingbeil lässt die Menge im Saal spüren, wie sehr ihm die Lage in der Türkei auch ein persönliches Anliegen ist. Er berichtet von einer Spendenaktion zugunsten von Menschen, die im Zuge der Katastrophe ihr Zuhause verloren haben. Und von seiner gut zwei Jahre zurückliegenden Reise ins Erdbebengebiet im Südosten des Landes. Bei diesem und einem weiteren Aufenthalt in der Türkei traf er auch mit führenden CHP-Vertreter*innen der CHP zusammen und trug so dazu bei, die Partnerschaft mit der CHP zu vertiefen.

Die internationale Solidarität bleiben die rund 600 Delegiert*innen des SPD-Parteitags nicht schuldig. Einstimmig verabschieden sie den Initiativantrag „Solidarität mit der demokratischen Opposition in der Türkei! Freiheit für Ekrem İmamoğlu!“ 

Resolution: SPD fordert sofortige Freilassung aller politischen Häftlinge in Türkei

„Unsere Solidarität gilt allen, die mit großem Mut in Istanbul und in anderen Städten der Türkei gegen die Festnahmen und für die Demokratie auf die Straße gehen“, heißt es in der Resolution. „Wir stehen fest an der Seite unserer Schwesterpartei CHP und an der Seite aller in der Türkei, die für ein freies und demokratisches Land eintreten.“

Die „politisch motivierte Inhaftierung“ von İmamoğlu wird in aller Schärfe verurteilt: „Wir fordern seine sofortige Freilassung sowie die Freilassung aller anderen politischen Häftlinge. Eine Rückkehr zu rechtstaatlichen Standards und freien politischen Wahlen ist im Interesse aller Menschen in der Türkei.“ 

Repression und autoritäre Kontrolle mögen kurzfristig Macht sichern, doch sie würden das Vertrauen der Bevölkerung untergraben, die Institutionen schwächen und dem internationalen Ansehen der Türkei schaden. „Eine unabhängige Justiz, ein echter politischer Wettbewerb und eine lebendige Meinungsvielfalt sind Grundlagen für einen starken und zukunftsfähigen Staat. Die Zukunft der Türkei liegt in der Stärke ihrer Demokratie – nicht in ihrer Unterdrückung.“

Rote Karten für Ekrem İmamoğlu

Um sich mit İmamoğlu zu solidarisieren, halten die Delegiert*innen rote Karten in die Luft, mit denen sie seine Freilassung fordern. Kurz darauf verlässt Özel mit seinem Tross den Saal. Es wirkt, als habe ihm der kurze Abstecher zum Parteitag zusätzliche Kraft gegeben, um auch weiterhin gegen Erdogan durchzuhalten.

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