Bewerbungsrede von Bärbel Bas: „Das ist Klassenkampf von oben“
Auf dem Bundesparteitag der SPD soll Bärbel Bas zur Parteivorsitzenden gewählt werden. In ihrer Bewerbungsrede forderte sie vor allem mehr Gerechtigkeit – auch im Umgang mit Frauen innerhalb der Partei.
Sie sei seit 1988 stolzes Mitglied der SPD, erklärt Bärbel Bas zu Beginn ihrer Rede auf dem Bundesparteitag. Später macht sie jedoch auch deutlich: Sie, als Frau, habe sich gut überlegt, ob sie sich wirklich auf das Amt der Parteivorsitzenden bewerben wolle. Zu hart sei der Umgang mit den beiden bisher einzigen weiblichen Parteivorsitzenden Andrea Nahles und Saskia Esken innerhalb der Partei gewesen. „Willst du dir das wirklich antun?“ habe sie sich gefragt, erzählt Bas.
Doch nun ist Freitag, der 27. Juni, und sie steht auf der Bühne und hält ihre Bewerbungsrede für genau dieses Amt. „Frauen müssen Führungsaufgaben übernehmen“, so Bas – sie wolle keinen Bogen um Verantwortung machen, mahnte jedoch auch: Der Umgang mit Saskia Esken habe gezeigt, dass Solidarität auch in der Sozialdemokratie nicht selbstverständlich sei. „Das müssen wir wieder anders machen“, plädierte Bärbel Bas an ihre Partei.
Bas kritisiert „Scheindebatte über angeblich faule Deutsche“
Denn Solidarität, so Bas, das sei die DNA der SPD, sie sei unverzichtbar. Und wie sie intern praktiziert werde, habe erhebliche Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der Partei. Doch auch in der Deutschen Gesellschaft müsse Solidarität stärker in den Vordergrund rücken. Dazu wolle sie ihren Beitrag leisten. Dass der Sozialstaat, der auf dem Solidarprinzip begründet sei, für manche mittlerweile wie ein Schimpfwort verwendet werde, um Arbeitnehmer*innen gegen Arbeitslose auszuspielen, verärgere sie, machte Bas deutlich und plädierte: „Wir dürfen es nie akzeptieren, dass man diese Menschen kleinmacht und als Menschen zweiter Klasse behandelt!“
In diesem Kontext störe sie auch die „Scheindebatte über angeblich faule Deutsche“, so die designierte Parteivorsitzende. In Anbetracht der vielen geleisteten Überstunden, der vielen Frauen, die wegen mangelnder Kinderbetreuung nicht mehr als Teilzeit arbeiten könnten und Menschen, die trotz Arbeit durch das Bürgergeld „aufstocken“ müssten, sei die Unterstellung von Faulheit „völlig daneben und ein Schlag ins Gesicht von 46 Millionen Erwerbstätigen in diesem Land“, sagte Bärbel Bas.
Mehr Einsatz für das Aufstiegsversprechen der Sozialdemokratie
Gleichzeitig sei es auch Aufgabe der SPD, dafür zu sorgen, dass ein Aufstieg durch Bildung und Arbeit, wie sie ihn selbst erlebte, wieder für mehr Menschen möglich sei, forderte Bas. Aktuell sehe sie vor allem eine immer weiter wachsende Ungleichheit zwischen Arm und Reich. „Es gibt Aktionäre, die teilweise ein Vermögen in Milliardenhöhe haben, es gibt Manager, die streichen jedes Jahr Vorstandsgehälter in Millionenhöhe ein. Aber was passiert, wenn es in Deutschland wirtschaftlich schlecht läuft? Dann liegt es angeblich an den Menschen in der Grundsicherung! Dann liegt es angeblich an den faulen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern!“, erklärte sie. Und forderte unter lautem Applaus: „Das, liebe Genossinnen und Genossen nenne ich Klassenkampf von oben – und das muss aufhören!“
Es brauche mehr Gerechtigkeit statt des ständigen gegeneinander Ausspielens von Arbeitnehmer*innen gegen Arbeitslose, von Ostdeutschen gegen Westdeutsche oder von jungen Menschen gegen alte Menschen. Das wahre Problem sei die Schere zwischen „oben und unten“, zwischen Arm und Reich, so Bas. „Da müssen wir ran, das ist unser Auftrag“, forderte sie.
Bärbel Bas: Kabinett auf SPD-Seite „richtig gut aufgestellt“
Auch dafür sei es wichtig, dass die SPD an der aktuellen Bundesregierung beteiligt sei, stellte sie fest. Saskia Esken und Lars Klingbeil hätten bei den Koalitionsverhandlungen „unglaublich viel rausgeholt“ und das Kabinett sei „richtig gut aufgestellt“, so Bas. Konkret gehe es nun vordergründig darum, Arbeitsplätze in der Industrie zu sichern, den Mindestlohn zu erhöhen, das Tariftreuegesetz auf den Weg zu bringen, die Rente gerechter auszugestalten und die Grundsicherung weiterzuentwickeln. Für Bärbel Bas steht fest: „Sozialkahlschlag wird es mit mir nicht geben“, denn wer in Not gerate, müsse sich auch weiterhin auf den Staat verlassen können. Auch sei es wichtig, dass die Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern weiter gestärkt werde, so Bas, die unter lautem Applaus klar machte: „Für Alibi-Parität bin ich nicht zu haben“.
Um all das in einer so unberechenbaren Weltlage umsetzen zu können, brauche die SPD nun ein neues Grundsatzprogramm, erklärte sie zudem. „Die Welt ist eine andere geworden“, stellte Bas fest, und man müsse auch auf Themen wie Außenpolitik, Klimaschutz und Künstliche Intelligenz neue Antworten finden.
Demokratie an der Basis schützen
Das sei auch im Kampf gegen den Rechtsruck von großer Bedeutung, macht Bas deutlich, denn wenn Menschen das Gefühl haben, dass das Land nicht funktioniere, dann frustrierten sie, und würden anfälliger für rechte Parolen. Durch ihre Zeit als Bundestagspräsidentin habe sie miterlebt, wie die AfD einen politischen Stil der Beleidigungen, der Drohungen und Verschwörungstheorien ins Parlament und in Teile der Gesellschaft getragen habe. „Wir müssen alles dafür tun, dass dieser Stil sich nicht weiter ausbreitet und die Mitte der Gesellschaft erreicht“, weshalb sie auch die Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens befürworte, so die designierte Parteivorsitzende.
Doch letztlich werde Demokratie nicht nur an der Spitze gemacht – eine Volkspartei könnten die Sozialdemokrat*innen entsprechend nur dann bleiben, wenn „wir als SPD wieder von unten wachsen“, erklärte Bärbel Bas. Dazu gehöre auch, dass die Bundespartei wieder mehr auf die Basis höre, sowie ein neuer Stil in der Kommunikation, damit auch die Menschen in Deutschland ohne Hochschulabschluss sich wieder von der Partei angesprochen fühlen.