Ticker zum SPD-Parteitag: Bärbel Bas und Lars Klingbeil neue Vorsitzende
Bärbel Bas und Lars Klingbeil führen künftig die SPD. Der Parteitag wählte die beiden am Freitagabend. Dies und weiteres in unsere Ticker
Das sind die neuen stellvertretenden Parteivorsitzenden
Serpil Midyatli gehört dem Parteivorstand seit 2019 als stellvertretende Vorsitzende an und will auch künftig dieses Amt bekleiden. In ihrer Antrittsrede forderte sie, Lehren aus dem historisch schlechten Ergebnis bei der Bundestagswahl zu ziehen: „Es war eine Abrechnung, mit einer Politik, die zu oft technokratisch und zögerlich war, die letztlich abschreckend war.“ Gewählt mit 77,6 Prozent
Zum ersten Mal für dieses Amt kandidiert Petra Köpping, die über langjährige Erfahrung als Landesministerin in Sachsen verfügt. „Ich möchte gerne, dass wir die Alltagsprobleme der Menschen wieder ernst nehmen. Lasst uns gemein Brücken bauen!“, sagte sie und kündigte an, im Parteivorstand eine Stimme der Städten und Gemeinden sein zu wollen und zugleich den CDU-Bundesministerinnen für Gesundheit und Bildung kritisch auf die Finger schauen. Gewählt mit 91,8 Prozent
„Eine Konstante“ will Anke Rehlinger im Parteivorstand sind. Die saarländische Ministerpräsidentin ist seit 2019 stellvertretende SPD-Vorsitzende. „Wir müssen wieder klarmachen, für wen wir Politik machen“, forderte Rehlinger die Delegierten auf. „2029 geht viel, wenn wir unsere Arbeit machen“, sagte sie mit Blick auf die dann anstehende Bundestagswahl. Gewählt mit 97,2 Prozent
Um drei Themen will sich Achim Post künftig im Parteivorstand kümmern: Europa, den Umgang mit den 500 Milliarden des Investitionspakets und die Sicherung von Arbeitsplätzen. „Wann war es je irgendwann ungerechter in Deutschland als heute?“, fragte Post bei seiner Vorstellung rhetorisch. Darum müsse sich die SPD kümmern. Gewählt mit 77,1 Prozent
Vor knapp einem Jahr übernahm Alexander Schweitzer das Ministerpräsidentenamt in Rheinland-Pfalz von Malu Dreyer. Anfangs habe er erklären müssen „das kann auch ein Mann machen“, erinnerte er sich scherzhaft. Nun sei er „gekommen, um zu bleiben“. Als stellvertretender Parteivorsitzender wolle er die Erfahrungen aus dem „Erfolgsmodell Rheinland-Pfalz“ mitbringen. Hier funktioniere die Transformation - geleitet von sozialdemokratischen Grundwerten und harter Arbeit. Gewählt mit 95,3 Prozent
Bärbel Bas und Lars Klingbeil zu Parteivorsitzenden gewählt
Die Delegierten haben entschieden: Lars Klingbeil und Bärbel Bas sind das neue Duo an der SPD-Bundesspitze. Bärbel Bas erhielt 95 Prozent der Stimmen, Lars Klingbeil 64,9 Prozent. Klingbeil nannte sein Abschneiden im Anschluss ein „schweres Ergebnis“. Er wisse, „dass meine Entscheidungen nicht jeder und jedem gefallen haben“. Dennoch nahmen beide ihre Wahl an.
Hitzige Debatte über Russland-„Manifest“
Wie bereits erwartet wurde auch das „Manifest“ zum Umgang mit Russland und seinem Krieg in der Ukraine in der Aussprache zum Leitantrag hitzig diskutiert. Der Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner - einer der prominentesten Erstunterzeichner - verteidigte das Papier. Er betonte, dass auch die Unterzeichner*innen Unterstützung für die Ukraine fordern, man müsse jedoch diskutieren, „ob diese wahnsinnige Aufrüstung insgesamt der richtige Weg ist“.
Als Verteidigungsminister Boris Pistorius kurz darauf am Rednerpult steht, wirft er Stegner Realitätsverweigerung vor. „Was Putin mit der Ukraine vorhat, ist ein Diktatfrieden, eine faktische Kapitulation“, so Pistorius - zu denken, dass man mit dem russischen Staatschef verhandeln könne sei daher utopisch.
Hubertus Heil: „Kein Übermaß an neuen und frischen Konzepten“
Auch der ehemalige Arbeitsminister Hubertus Heil fand in der Aussprache klare Worte. "Demokratie ohne Sozialdemokratie kann nicht gelingen" stellte er fest - umso wichtiger sei es, dass sich die SPD nun auch programmatisch neu aufstelle, um wieder stärker zu werden.
Mit Blick auf das geplante neue Grundsatzprogramm machte er jedoch auch deutlich: Eine programmatische Erneuerung sei nicht aus der Partei alleine möglich. Es brauche nun einen Austausch mit verschiedenen Gruppen der Gesellschaft, die neue Denkanstöße für die Partei mitbringen. Denn: Die SPD habe "kein Übermaß an neuen und frischen Konzepten", kritisierte er. Er setze auch auf den designierten Generalsekretär Tim Klüssendorf, den programmatischen Erneuerungsprozess zu steuern, damit die SPD wieder "interessanter" werde.
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig: „Ich werde mein Land nicht der AfD überlassen“
Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, betonte in der Aussprache erneut die Gefahr für die Demokratie, die von der AfD ausgehe. In ihrem Bundesland steht die AfD laut Umfragen derzeit als stärkste Kraft da - mit Blick auf die Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern 2026 sagte sie der rechtsextremen Partei den Kampf an: "Ich werde mein Land nicht der AfD überlassen", machte Schwesig deutlich.
SPD mit Selbstkritik und Optimismus
In der Aussprache zum Leitantrag legte die stellvertetende Parteivorsitzende Anke Rehlinger noch einmal den Finger mit Blick auf die zurückliegende Zeit mit der Ampel-Regierung. Diese habe teilweise an der Realität vorbeiregiert, um die FDP in der Regierung zu halten. „Wir waren schlicht und ergreifen nicht überzeugend genug. Wir sind und bleiben die Stimme der Arbeit, aber die Menschen in Deutschland müssen das auch wahrnehmen“, mahnte sie und zeigte sich zugleich optimistisch, dass das gelingen werde: „Wir müssen besser und stärker werden. Ich bin sehr überzeugt, dass uns das gelingen wird. Dieser Parteitag ist der Auftakt, dass das gelingt.“
Juso-Chef fordert: Wieder linke Volkspartei werden!
Ähnlich äußerte sich auch der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Achim Post. „Unsere SPD steht vor historischen Herausforderungen. Die können und werden wir meistern, wenn wir mit Selbstbewusstsein und Selbstkritik rangehen“, sagte er. Gesine Schwan sprach als Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission von der Wahlniederlage als Ansporn für eine gemeinsame Analyse. Die Sozialdemokratie erlebe bereits seit der Jahrtausendwende einen Vertrauensverlust, sagte sie. Der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer mahnte mit Blick auf das Ergebnis der Bundestagswahl: „Nach dem 23. Februar ist unser größter Feind die Normalität.“
Die Partei sei in der vermutlich größten Krise seit ihrer Gründung. „In dieser Situation braucht es eine Sozialdemokratie, die wieder mutig ist, die sich traut, die Verteilungsfrage so laut zu stellen, dass niemand sie überhören kann.. Macht diese Partei wieder zu der linken Volkspartei, die dieses Land so dringend braucht“, so Türmers Forderung an die designierten Vorsitzenden Lars Klingbeil und Bärbel Bas.
Klingbeil: „Mit mir keine andere Ukraine-Politik“
In seiner Rede hat der SPD-Vorsitzende den Kurs der Sozialdemokraten in der Ukraine-Politik verteidigt. „Wir müssen diese Fragen von Krieg und Frieden diskutieren. Dafür muss in einer Volkspartei immer Platz sein“, sagte Klingbeil. „Aber im Jahr 2025 eine Friedenspartei zu sein, bedeutet etwas anderes, als in den 80er Jahren.“ Der SPD-Vorsitzende nahm damit Bezug auf ein „Manifest“ zum Umgang mit Russland, das u.a. die Bundestagsabgeordneten Rolf Mützenich und Ralf Stegner und der frühere SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans unterzeichnet haben. Das Papier nimmt u.a. Bezug auf die Entspannungspolitik Willy Brandts.
„Putin ist nicht Gorbatschow. Wir müssen heute Sicherheit vor Putins Russland Organisieren“, stellte Klingbeil in seiner Rede klar. Deutschland müsse und werde die Ukraine weiter unterstützen, denn ihre Freiheit sei „unmittelbar“ mit der Sicherheit Deutschlands verbunden. „Einen anderen Weg als diesen wird es mit mir als Vorsitzender der sozialdemokratischen Partei Deutschlands in der Ukraine-Politik nicht geben“, stellte Klingbeil klar.
Bas kritisiert „Scheindebatte über die angeblich faulen Deutschen“
In ihrer Bewerbungsrede für den SPD-Parteivorsitz hat Bärbel Bas scharfe Kritik am Koalitionspartner CDU/CSU geäußert. Die „Scheindebatte über die angeblich faulen Deutschen“ habe sie in den vergangenen Wochen sehr geärgert, sagte Bas, die auch Bundesarbeits- und -sozialministerin ist. In seiner ersten Regierungserklärung hatte Bundeskanzler Friedrich Merz gesagt: „Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten.“ CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte später mit zum Teil noch spitzeren Äußerungen nachgelegt.
Aus Sicht von Bärbel Bas ist „die Debatte um die ‚faulen Deutschen‘ nicht nur völlig daneben, sie ist ein Schlag ins Gesicht der 46 Millionen Erwerbstätigen in diesem Land“, sagte sie unter dem Jubel der Delegierten auf dem SPD-Parteitag. Bas sprach in diesem Zusammenhang von einem „Klassenkampf von oben“ und forderte: „Hört auf, die Menschen in diesem Land gegeneinander auszuspielen!“
Deutliche Worte richtete Bas in ihrer Bewerbungsrede auch an ihre Partei. Mit Blick auf den innerparteilichen Umgang mit der bisherigen Vorsitzenden Saskia Esken nach der Bundestagswahl forderte Bas: „Das muss wieder anders werden! Solidarität darf für uns keine Phrase sein!“
Kontrollkommissionsvorsitzende stellt Partei auf Sparkurs ein
Durch das historisch schlechte Wahlergebnis sei die Partei nun mit erheblichen finanziellen Einbußen konfrontiert, machte auch Brigitte Reckmann, Vorsitzende der Kontrollkommission noch einmal deutlich. Die Partei müsse nun Ressourcen sparen und sich auf eine gute Umsetzung der Inhalte der SPD fokussieren - sie freue sich auf respektvolle und solidarische Diskussionen zu diesen Inhalten.
Schatzmeister Nietan fordert mehr Tempo bei Partei- Reformen
Mit drastischen Worten hat SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan zu mehr Ausgabendisziplin gemahnt. „Ich werde als Schatzmeister ein weiteres Zögern und Zaudern nicht dulden“, sagte Nietan vor den 600 Delegierten. Bereits beim Parteitag im Dezember 2023 hatte die SPD eine weitreichende organisatorische Neuaufstellung beschlossen. Dessen Umsetzung verlaufe jedoch zu langsam, kritisierte Nietan. „Wir haben kein Beschlussproblem, sondern ein Umsetzungsprobem“, sagte Nietan.
Nach dem schlechten Abschneiden bei der Bundestagswahl werden der SPD Einnahmen aus der staatlichen Parteienfinanzierung in Millionenhöhe verlorengehen. Gleichzeitig muss die Partei in den kommenden Jahren in moderne IT-Infrastruktur investieren. Dafür sollen Strukturen deutlicher stärker vereinheitlich werden. „Wir müsse beim Tempo alte Zöpfe abzuschneiden schneller und besser werden“, forderte Dietmar Nietan. Am Samstag werden die Delegierten über einen organisationspolitischen Antrag unter der Überschrift „Handeln statt hadern“ abstimmen.
DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi plädiert für Unterstützung des neuen Mindestlohns
Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi hat sich mit einem ersten Grußwort an die Delegierten gewendet. Der heute verabschiedeten Beschluss der Mindestlohnkommission, dass der gesetzliche Mindestlohn bis 2027 in zwei Schritten auf 14,60€ steigen soll, sei durch "ein verdammt hartes Ringen" entstanden. Die Arbeitgeber hätten den Mindestlohn am liebsten gar nicht angehoben, so Fahimi. Der Kompromiss sei nun ein Plus von 14% - für die DGB-Vorsitzende ein "Einstieg in einen wirklich armutsfesten Mindestlohn", erklärte sie, und bat die Delegierten um Unterstützung dieses Beschlusses.
Zudem lobte sie das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für staatliche Investitionen, und forderte, dass die SPD sich vor allem solche, große Reformen und kein "klein-klein" als Ziel setzen solle. Kurzum: Auf diesem Parteitag könne die Partei - auch im Angesicht der aktuellen Weltlage - "gar nicht grundsätzlich genug diskutieren", so Fahimi.
Die wichtigsten Infos zum Parteitag
Eigentlich sollte der nächste ordentliche Bundesparteitag der SPD erst im Dezember stattfinden. Doch nach der verheerenden Niederlage bei der Bundestagswahl, bei der die SPD nur 16,4 Prozent der Stimmen erhielt, wurde das Treffen vorgezogen.
Worum geht es beim SPD-Parteitag?
Schon das Motto „Veränderung beginnt mit uns“ macht deutlich, was beim Parteitag im Mittelpunkt stehen soll: die Neuaufstellung nach der verlorenen Bundestagswahl. „Die Aufarbeitung wird sehr sehr selbstkritisch sein. Das wird keine Alibi-Veranstaltung“, kündigte der designierte Generalsekretär Tim Klüssendorf im Vorfeld an. Der Blick soll aber auch nach vorn gehen, Klüssendorf spricht von einem „Wendepunkt“.
Welche personellen Entscheidungen stehen auf dem Parteitag an?
Auf dem Parteitag wird die komplette Führung der Partei neu gewählt. Lars Klingbeil bewirbt sich um eine weitere Amtszeit als Parteivorsitzender. Er will die SPD künftig mit Bärbel Bas führen. Die bisherige Vorsitzende Saskia Esken tritt nach sechs Jahren nicht wieder an. Als Generalsekretär kandidiert Tim Klüssendorf. Der 33-Jährige sitzt seit 2021 für den Wahlkreis Lübeck im Bundestag.
Wird Olaf Scholz noch eine Rolle auf dem Parteitag spielen?
Ja. Der Altkanzler wird sich am Samstagmorgen mit einer Rede von den Delegierten verabschieden. „Ich bin mir sicher, dass er uns noch etwas mit auf den Weg geben wird“, sagte Klüssendorf im Vorfeld des Parteitags. Für Scholz wie für Saskia Esken wird es auch eine offizielle Verabschiedung auf dem Parteitag geben.
Welche Besonderheiten gibt es?
Die Wahlen werden komplett digital stattfinden. Die Delegierten nutzen dafür die Software „Open Slides“, mit der schon verschiedene Landesparteitage gute Erfahrungen gesammelt haben. Die SPD erhofft sich davon eine große Zeitersparnis, da langwierige Auszählungen entfallen. Eine zweite Neuerung ist, dass es einen „Delegiertenantragsblocks“: Am Samstagmorgen sollen die Delegierten selbst bestimmen, über welche Antragsbereiche sie am Nachmittag diskutieren wollen. Bisher gibt das die Parteitagsregie vor.
Wird das umstrittene „Manifest“ zum Umgang mit Russland auch eine Rolle auf dem Parteitag spielen?
Ja, darüber wird gleich am Freitag diskutiert, im Rahmen der Debatte über den Antrag zur Erneuerung der Partei. Ein konkreter Antrag mit den Inhalten des Manifests liegt jedoch nicht vor. Ansonsten soll es am Samstag um internationale Politik gehen. Hier liegt u.a. ein Initiativantrag des Parteivorstands zur Situation im Nahen Osten vor.