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Erfolgreich als SPD-Ortsverein: Sie punkten mit einer Stadtteilzeitung

Als die SPD vor 50 Jahren im konservativ geprägten Mannheimer Stadtteil Wallstadt eine Zeitung gründete, gab es sogar Morddrohungen. Heute ist „Wallstadt Aktuell“ ein allgemein anerkanntes Erfolgsprojekt.

von Jonas Jordan · 2. Mai 2025
Gut aufgestellt: Seit einem halben Jahrhundert informiert die SPD über das Geschehen im Mannheimer Stadtteil. Hier posieren die Genossinnen und Genossen stolz für das Jubiläumsfoto.
11.03.2025; Mannheim Wallstadt; Der „SPD Ortsverein Mannheim Wallstadt“ mit den Begründern der OV-Zeitung „Wallstadt aktuell, die dieses Jahr ihr 50jähriges Jubiläum feiert.

Hier in Wallstadt, einem dörflich geprägten Stadtteil Mannheims mit intaktem Ortskern, ist die angrenzende Bergstraße schon näher als der industrielle Kern der einstigen Arbeiterstadt. Heute freuen sich die Menschen, wenn die SPD ein Mal im Vierteljahr vorbeikommt, um das „Blättel“ auszutragen, wie die Ortsvereinsvorsitzende Daniela Schiermeier im Gespräch mit dem „vorwärts“ berichtet. „Wallstadt Aktuell“, das an alle 4.000 Haushalte in dem Stadtteil verteilt wird, gelte als verlässlich und anerkannt, diene vielen gar als Informationsquelle Nummer eins für lokale Aktivitäten. Doch das war nicht immer so, wie Lothar Mark zu berichten weiß. 

In diesem Jahr wird er 80 Jahre alt und kann auf eine lange politische Karriere zurückblicken. Elf Jahre lang saß er für die SPD im Bundestag, neun Jahre war er Bürgermeister in Mannheim, zuvor auch mal fünf Jahre Vorsitzender des Eishockey-Vereins, der bis heute in der ersten Liga spielt. Doch als seine politische Karriere begann, er 1975 erstmals in den Gemeinderat einzog, begegnete er deutlichem Gegenwind. Ein Zugezogener aus dem Odenwald, auch noch Sozialdemokrat, im politisch tiefschwarzen Wallstadt. 

Trotz Drohbrief ging es weiter

„Ich habe mir gedacht, ich muss versuchen, der Bevölkerung hier klarzumachen, was die Sozialdemokraten leisten, was sie tun, wie sie sich für den Stadtteil einsetzen und insbesondere auch das Engagement der Sozialdemokraten für die Vereine zeigen“, erzählt Mark. Deswegen gründete er „Wallstadt Aktuell“, was nicht bei allen Bewohnerinnen und Bewohnern des Stadtteils gut ankam. Anfangs erhielt er Drohungen, seiner Familie werde etwas zustoßen, wenn er die Zeitung nicht einstelle. Er wandte sich an die Polizei. Doch die zeigte sich machtlos. Also machte Mark trotzdem weiter, fand sogar den Urheber des Drohbriefs und stellte ihn persönlich zur Rede. 

Das zeigte Wirkung. Auf einmal unterstützte der ihn und die Sozialdemokratie. Zeitgleich drehte sich auch die Stimmung im Stadtteil gegenüber der SPD. „Sie haben alle gemerkt, dass sich was tut und ein neuer Wind weht“, sagt Mark. Die Genossinnen und Genossen bauten beispielsweise in Eigenregie einen Abenteuerspielplatz für Kinder, organisierten kostenlosen Nachhilfeunterricht und Kulturveranstaltungen. Ihre Arbeit wurde durch „Wallstadt Aktuell“ den Menschen präsenter. So gelang es, dass die SPD in der einstigen Diaspora irgendwann stärkste Kraft wurde. Zugleich kamen mehr und mehr Vereine und inserierten in der Stadtteilzeitung, Unternehmen und Handwerksbetriebe schalteten Werbeanzeigen. Dadurch finanzierte sich das „Blättel“ und tut es noch heute.

Wie Wallstadt „rot“ wurde

Denn in diesen Tagen feiert „Wallstadt Aktuell“ seinen 50. Geburtstag. Claudia Schöning-Kalender leitet seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten die Redaktion. Die 74-Jährige zeigt sich stolz über dieses Jubiläum. Sie hat zwei dicke rote Kladden mitgebracht, die gesammelten Ausgaben seit 1975. Diese will der SPD-Ortsverein Ende April dem Mannheimer Stadtarchiv übergeben. Bundesweit sind die Genossinnen und Genossen aus Wallstadt nach eigener Einschätzung die einzigen, die ein solches Stadtteilmagazin seit so langer Zeit betreiben.

Doch auch die studierte Kulturwissenschaftlerin weiß von einer schwierigeren Zeit zu berichten: Auf dem Rathausplatz, wo sich der Ortsverein an diesem Tag mit dem „vorwärts“ zum Gespräch verabredet hat, gab es vor einigen Jahren eine Ausstellung des Arbeitskreises Heimatgeschichte. Ein Foto von der Ausstellungseröffnung landete auf der Titelseite von „Wallstadt Aktuell“. Anschließend seien einige der fotografierten Personen angefahren worden, wie sie denn dazu kämen, sich dort abbilden zu lassen. „Das ist inzwischen überhaupt kein Thema mehr. Jetzt kommt jeder Verein von sich aus auf uns zu, weil sie möchten, dass wir ihre Veranstaltungen ankündigen oder darüber berichten“, sagt Schöning-Kalender.

Sogar von anderen Parteien zitiert

Jürgen Anselmann, der den SPD-Ortsverein seit vergangenem Jahr gemeinsam mit Daniela Schiermeier führt, berichtet über den gestiegenen Stellenwert von „Wallstadt Aktuell“: „Die Leute nehmen es nicht als SPD-Medium wahr, sondern es ist für sie das ,Wallstädter Blättel‘. Deswegen ist es eigentlich das Schönste, wenn jemand aus einer anderen Partei daraus zitiert.“ Und das, obwohl ganz oben auf dem Titelblatt jeder Ausgabe auf „die engagierte Zeitung der SPD für Wallstadt“ verwiesen wird.

Ganz praktisch bringt das Renommee der Zeitung auch in Wahlkämpfen einige Vorteile für die SPD mit sich, wie Schiermeier berichtet. „Bei Häusern, die am Briefkasten ein Schild mit der Aufschrift ,Bitte keine Werbung‘ haben, frage ich immer, ob ich ,Wallstadt Aktuell‘ trotzdem einwerfen darf. Da hat noch nie jemand abgelehnt. Im Bundestagswahlkampf haben wir dann einfach in jede Ausgabe einen Flyer unserer Abgeordneten Isabel Cademartori reingesteckt und konnten ihn so in jeden Briefkasten schmeißen, weil es keine separate Werbung war.“

Zeitungsgründer Lothar Mark zeigt sich sehr erfreut über die Entwicklung: „Ich finde das ganz toll, dass das so weitergeführt wurde und bin stolz, dass ich kurz vor meinem 80. Geburtstag das 50. Jubiläum von ,Wallstadt Aktuell‘ begehen kann.“ Nach Marks Wechsel in die Stadt- und später in die Bundespolitik führten vor allem Janec Gumowski, der auch 40 Jahre lang für die SPD im Bezirksbeirat saß, und eben Schöning-Kalender das Blatt weiter. „Ich bin ziemlich sicher, dass eine solche SPD-Zeitung inzwischen in der gesamten Republik solitär ist“, glaubt sie.

Rückmeldung per Meckerscheck

Auch wenn diese inzwischen nicht mehr, wie noch in den Anfangszeiten, zwölfmal im Jahr erscheint, bleibt es der Anspruch der Redaktion, „Wallstadt Aktuell“ ständig weiterzuentwickeln. Dabei hilft auch der sogenannte Meckerscheck, ein Abschnitt auf der Rückseite jeder Ausgabe, den die Leserinnen und Leser ausfüllen und mit ihren Anregungen, ihrer Kritik oder ihrem Lob bei einem der Redaktionsmitglieder einwerfen können. Beispielsweise findet sich in jeder Ausgabe die von Claudia Schöning-Kalender verfasste Kolumne „Von meiner Terrasse aus betrachtet“. Sie selbst sagt: „Eigentlich wird sie immer sehr gerne gelesen und ich erhalte viele positive Rückmeldungen, aber einmal schrieb mir auch jemand per Meckerscheck, ich solle doch froh sein, überhaupt eine Terrasse zu haben. Das habe ich dann so hingenommen.“

Vor allem ihr ist anzumerken, wie viel persönliches Engagement sie in jede Ausgabe steckt. „Claudia hat viele Jahre fast alles allein gemacht“, sagt Daniela Schiermeier. Nun teilen sie sich im Ortsverein die Aufgaben für die zwölfseitige Ausgabe besser auf. Trotzdem sagt Schöning-Kalender auf Nachfrage: „Die Redaktionsarbeit? Das sind in der Regel die letzten drei Tage und Nächte, bevor es in Druck geht.“ 

Jubiläumsausgabe zum 50-jährigen Bestehen

Allerdings liefen die Planung und Vorbereitung diesmal etwas besser. Und das, obwohl die Jubiläumsausgabe zum 50-jährigen Bestehen von „Wallstadt Aktuell“ eine besondere werden soll. Anders als sonst wird sie vier Seiten mehr, also 16 Seiten, umfassen und soll noch vor Ostern erscheinen. Zugleich soll das Jubiläum auch der Aufmacher der Ausgabe werden. Ein bisschen Eigenlob muss dann doch sein. „Wir wollen auf jede Ausgabe auch einen roten Aufkleber mit SPD-Logo draufpacken, um das noch ein bisschen sichtbarer zu machen“, sagt Schiermeier. 

Auch Lothar Mark wird inhaltlich zur Jubiläumsausgabe „seiner“ Zeitung beitragen. „Da geht es dann um unseren tollen Freund jenseits des Teichs“, sagt der frühere Bundestagsabgeordnete und meint damit US-Präsident Donald Trump, mit dessen Politik er sich in seiner Kolumne „Durch meine Brille“ auseinandersetzen will. 

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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