Meinung

Die Stärke des Koalitionsvertrages: Richtige Antworten in gefährlichen Zeiten

Die Sondervermögen für Infrastruktur und Verteidigung werden – wenn richtig umgesetzt – Deutschland voranbringen. Sie sind pragmatische Antworten auf die wachsenden Bedrohungen unseres Landes – im Inneren wie von Außen, findet der Ökonom Gustav Horn.

von Gustav Horn · 28. April 2025
Mitgliederentscheid: Die Basis der SPD entscheidet über Ja oder Nein zum Koalitionsvertrag mit CDU/CSU.

Mitgliederentscheid: Die Basis der SPD entscheidet über Ja oder Nein zum Koalitionsvertrag mit CDU/CSU.

Die Abstimmung ist in vollem Gange. Die SPD-Mitglieder müssen in diesen Tagen entscheiden, ob sie dem vorliegenden Koalitionsvertrag zustimmen, ihn ablehnen oder links liegen lassen und nicht an der Abstimmung teilnehmen. Es fällt schwer sich vorzustellen, wie ein Regierungsprogramm jemand in diesen bewegten Zeiten gleichgültig sein kann. Denn wenn nicht hier, wo dann sollen Antworten darauf gefunden werden, wie unser Land auf die Gefährdungen im Inneren wie im Äußeren reagieren sollte. 

Dies ist denn auch die Stärke des vorliegenden Vertrages. Er enthält wegweisende Entscheidungen zu genau diesen Punkten. Da ist als allererstes das Sondervermögen für Investitionen in die Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro für zwölf Jahre.  In dieser Höhe ist es der Bundesregierung erlaubt, Schulden jenseits der durch die Schuldenbremse gesetzten Grenzen aufzunehmen, um damit zweckgebunden die Infrastruktur zu modernisieren bzw. Investitionen in den Schutz vor dem Klimawandel zu fördern. 

Deutschland wird gleich dreifach geholfen

Mit diesem Schritt wird unser Land gleich in dreifacher Hinsicht vorangebracht. Auf kurze Sicht gibt es jedes Jahr Impulse für die Konjunktur und damit für den Erhalt und Aufbau von Arbeitsplätzen. Das können wir gerade vor dem Hintergrund unserer derzeit lahmenden Wirtschaft gut gebrauchen. Als zweites erhöhen diese Investitionen auf längere Sicht das Produktionspotenzial durch die Investitionen. Das sichert gut bezahlte Arbeitsplätze und Wohlstand in der Zukunft. 

Vor allem aber dürfte sich das Investitionspaket zu einem maßgeblichen Beitrag im Kampf gegen rechtspopulistische Strömungen im Inneren unserer Demokratie entwickeln. Denn es sind die Beschwernisse im Alltag, die viele an der Politik der Parteien der Mitte verzweifeln lassen. Wenn die Bahn nicht kommt, die Straße kaputt ist, die Schule verwahrlost, die Kommune pleite, kein Termin beim Arzt frei, die Rente zu niedrig und die Miete zu hoch ist, sind Skepsis am bisherigen politischen Kurs nachvollziehbar.  Mit dem Sondervermögen können nicht alle Probleme sofort gelöst werden, aber sie können glaubhaft und spürbar in Angriff aufgenommen werden. 

Lösungen könnten Extremisten Wind aus den Segeln nehmen

Sind allmähliche Verbesserungen erfahrbar, dürfte sich die Zustimmung zu den extremistischen Politikvorschlägen schwinden, die in Wahrheit den politischen und wirtschaftlichen Interessen breiter Bevölkerungsschichten entgegen laufen und unser Land in die Fänge von gefährlichen Nationalisten und Scharlatanen wie dem amerikanische Präsidenten Trump treiben. Womit wir bei der äußeren Sicherheit angekommen sind.

Wir müssen davon ausgehen, dass die Schutzmacht USA für Europa der Vergangenheit angehört. Das passiert ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem imperialistische Strömungen in Russland und wohl auch in China die Oberhand gewonnen haben. Auf diese Bedrohung muss eine künftige Bundesregierung eine andere Antwort bieten als die Unterwerfungs- und Nachahmungsstrategien der AfD. Das Sondervermögen für Verteidigung enthält diese Antwort. Sie besteht in einer verteidigungspolitischen Autonomie Europas, die allerdings erst auf längere Sicht erreicht werden kann. 

Das erfordert in jedem Fall erhöhte Ausgaben für Sicherheit, deren Umfang derzeit aber noch nicht abgeschätzt werden kann. Deshalb ist dieses Sondervermögen weder mit einer betraglichen Obergrenze noch mit einer zeitlichen Befristung verbunden. Auf diese Weise schafft sich die künftige Bundesregierung den notwendigen Verhandlungsspielraum. Vor allem treten Ausgaben für Sicherheit nicht in Konkurrenz zur sozialen Sicherung. 

Rolle der Verteidigungsausgaben für die Konjunktur

Aus rein ökonomischer Sicht ist dieses Vorgehen alles andere als einfach. Zwar stimulieren auch erhöhte Verteidigungsausgaben die Konjunktur, jedoch in weitaus geringerem Umfang als Investitionen in die Infrastruktur, zumal viele der Mittel ins Ausland fließen dürften. Zudem sind Verteidigungsausgaben in der Regel konsumtiv. Sie erhöhen das Produktionspotenzial daher nicht. Folglich wird die aus ihnen resultierende Schuldenlast den Bundeshaushalt fortwährend belasten. Aus diesen Gründen muss man mit dem finanziellen Spielraum, der hier geschaffen wurde, sehr sorgfältig und vorsichtig umgehen. 

Die beiden Sondervermögen werden – so sie richtig umgesetzt werden - die politische und ökonomische Landschaft Deutschlands und Europas prägen. Dahinter verblassen alle andere, zuweilen kleinteilige Maßnamen aus dem Koalitionsvertrag. Sie sind aber auch die pragmatische Antwort auf wesentliche Fragen in diesen bewegten Zeiten. 

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Gustav Horn

ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

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