Bundestagswahl: Wie die SPD in Hildesheim einen Generationenwechsel vollzieht
Bernd Westphal ist 64 und vertritt seit 2013 den Wahlkreis Hildesheim im Bundestag. Daniela Rump ist 29 und soll seine Nachfolgerin werden. Holt sie bei der Bundestagswahl das Direktmandat, würde ihr Historisches gelingen.
Kai Doering | vorwärts
Könnte in Hildesheim Geschichte schreiben: Daniela Rump will für die SPD in den Bundestag.
Es weht ein eisiger Wind durch die Fußgängerzone von Hildesheim. Ab und an fallen auch ein paar Regentropfen vom Himmel. Typisches Januar-Wetter eben. Daniela Rump lässt sich davon nicht beirren. Während an diesem Samstag viele Passant*innen zusehen, dass sie schnell in eines der Geschäfte kommen, um sich aufzuwärmen, geht die 29-Jährige strahlend auf sie zu. „Hallo! Ich bin die Bundestagskandidatin der SPD, Daniela Rump“, sagt sie.
Kugelschreiber, Müsli-Riegel, Grillzangen
„Ich wohne in Drispenstedt“, sagt eine ältere Frau mit Rollator. Drispenstedt ist ein Ortsteil von Hildesheim, einer 100.000-Einwohner*innen-Stadt rund 30 Kilometer südlich von Hannover. „Wunderbar“, antwortet Rump, „da können Sie mich wählen.“ „Das mache ich sowieso“, sagt die Frau, während sie den Flyer, den ihr Daniela Rump in die Hand gedrückt hat, in ihre Tasche steckt.
Um sich neues Material zu holen, geht die Kandidatin danach an den Wahlkampfstand der SPD zurück. Die Jusos haben dort Kugelschreiber aus Holz, Müsli-Riegel, Gummibärchen und natürlich jede Menge Infomaterial ausgelegt. Ein paar Grillzangen gibt es auch. „Können wir noch kurz ein Foto machen, Dani?“, fragt einer, der eine Kamera um den Hals trägt. Auch die Social-Media-Kanäle müssen bestückt werden.
Seit September stehen die Zeichen auf Wahlkampf
Die Jusos sind eine der Stützen von Daniela Rump – nicht nur im Wahlkampf. Als im September vergangenen Jahres die Entscheidung anstand, wer für die SPD in Hildesheim ins Rennen um die Nachfolge des langjährigen Abgeordneten Bernd Westphal gehen soll, entschied sich der Juso-Unterbezirksvorstand einstimmig für die damals 28-Jährige. „Als jahrelanges Mitglied auf Ebenen vom Ortsverein bis hoch in den Landesvorstand dieser Partei und als derzeitige Vorsitzende für unseren Landkreis wissen wir um Danielas Fähigkeiten, diesen Wahlkampf für uns zu gewinnen“, teilten sie damals mit.
Der Appell wirkte: Mit mehr als 70 Prozent setzte sich Rump gegen zwei weitere Bewerber durch. Damals, Ende September 2024, gingen alle noch davon aus, dass die Bundestagswahl erst ein Jahr später stattfinden würde. Stattdessen nun Winterwahlkampf. „Gut, dass die Partei so früh entschieden hat“, sagt Rump, eingemummelt im beigen Wintermantel und mit rotem Schal. „So konnten wir gleich nach der Ankündigung der Neuwahl durchstarten.“
Sie setzt auf den direkten Austausch
Eigentlich hatte Daniela Rump vorgehabt, ihr Jura-Studium noch vor der Wahl im September zu beenden. Nun verschiebt sich der Abschluss um wenige Monate. „Als im November feststand, dass die Wahl auf Februar vorgezogen wird, stand für mich fest, dass ich mit ganzem Herzen sofort in den Wahlkampf einsteige“, so die 29-Jährige. Mit ihrem Jurastudium war das schnell vereinbar, zumal sie keine Vorlesungen mehr besuchen muss. Viele andere Kandidierende nehmen ihren Jahresurlaub für den Wahlkampf und selbst der reicht kaum aus, um richtig präsent zu sein.
Doch genau das ist Daniela Rump wichtig. „Ich mache keinen Wahlkampf über die Zeitung, sondern über Hausbesuche, Infostände und den direkten Austausch“, hat sie ein paar Stunden zuvor gesagt. Bevor Rump sich bei Wind und Wetter in die Hildesheimer Fußgängerzone gestellt hat, war sie bei den Senior*innen der Eisenbahn- und Verkehrsgesellschaft (EVG) zu Gast. Die hat in Hildesheim rund 800 Mitglieder. Etwa 40 von ihnen haben sich an diesem Samstag in der Gaststätte eines Sportvereins zum „Braunkohlessen“ getroffen. Auf den Tischen stehen Biergläser und Flaschen mit Apfelschorle.
„Die SPD ist die einzige Partei, die im Programm stehen hat, dass sie das Rentenniveau stabil halten will“, erklärt Daniela Rump. Bevor die Ampel-Regierung ein entsprechendes Gesetz auf den Weg bringen konnte, war sie im November zerbrochen. Die Pläne von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil liegen aber weiter auf dem Tisch. „Geht zur Wahl, damit die Rechten ihre Position nicht weiter ausbauen können“, appelliert der Vorsitzende der EVG-Senior*innen, während die ihren Grünkohl essen. Daniela Rump kommt hier gut an, auch wenn die meisten an Tischen mehr als doppelt so alt sind wie sie.
„Zeit für frischen Wind“
„Daniela hat in der Bevölkerung große Sympathien“, sagt Bernd Westphal. Der 64-Jährige vertritt den Wahlkreis Hildesheim seit 2013 im Bundestag, 2017 und 2021 errang er das Direktmandat. Dass Daniela Rump seine Nachfolgerin werden soll, freut ihn. „Sie ist jemand, die neue Gruppen ansprechen kann“, ist Westphal überzeugt. Jüngere natürlich, aber auch Frauen: Rump ist die einzige Frau, die sich im Wahlkreis um das Mandat bewirbt. Und ihr könnte sogar Historisches gelingen: Eine weibliche Bundestagsabgeordnete hatte die SPD in Hildesheim noch nie. Vor mehr als 100 Jahren vertrat die Sozialdemokratin Elise Bartels die Stadt im damaligen Reichstag.
„Unsere Frau für Berlin“ steht deshalb auf einem Plakat, das Rump und Westphal gemeinsam zeigt. Es steht im Fenster des SPD-Büros in Hildesheim. Im Wahlkampf absolvieren die beiden viele Termine gemeinsam. „Daniela soll von meiner Erfahrung profitieren“, sagt Bernd Westphal. „Sie hat aber auch ihre ganz eigene Linie.“ Nicht umsonst lautet Rumps Motto, das auch auf ihren Plakaten steht: „Zeit für frischen Wind.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.