Assad Hussain im Bundestagswahlkampf: Der „Jetzt erst Recht“-Kandidat
Vor fünf Jahren trat Assad Hussain in die SPD ein. Nun kandidiert der 23-Jährige im Wahlkreis Karlsruhe-Land für den Bundestag. Sein Wahlkampf ist auch ein Kampf gegen Vorurteile.
Maximilian Kritter
Assad Hussain (Foto) will in den Bundestag - und reist im Wahlkampf durch den ganzen Wahlkreis Karlsruhe-Land.
Wenn „das alles“ vorbei ist, will Assad Hussain einfach mal abschalten. Gemeinsam mit seiner Freundin raus in die Natur, wandern gehen, kochen, vielleicht endlich mal wieder ein paar Bücher lesen. „Irgendwo in eine schöne Hütte im Wald und einfach nichts machen“, sagt er, voller Vorfreude. Aber vor allem eins: „E-Mails aus und Handy weg.“
Das dürfte bitter nötig sein, denn aktuell hat der 23-Jährige (Foto) mehr als einfach nur „viel zu tun“. Seit er im Oktober vergangenen Jahres als SPD-Direktkandidat für den Bundestagswahlkreis Karlsruhe-Land aufgestellt wurde, sei er wie in einem Tunnel, erzählt Hussain. Anders gehe es nicht im Wahlkampf, zumal in einem so eng getakteten. Zwischen den vielen Zuschriften von Bürger*innen aus dem gesamten Wahlkreis, den großen Wahlkampfveranstaltungen, den Podiumsdiskussionen, den Besuchen von Unternehmen, Betrieben, Schulen oder Krankenhäusern, dem Dialog an Infoständen und im Tür-zu-Tür-Wahlkampf bleibt wenig Zeit für anderes, auch nicht für sein Studium oder seinen Nebenjob im baden-württembergischen Landtag.
Starker Rückhalt aus der Partei
Bei beidem musste Assad Hussain für seine Bundestagskandidatur eine Pause einlegen. So ein Wahlkampf braucht viel Zeit – und Geld. „Finanziell habe ich nichts davon“, erzählt Hussain. Eher müsse er draufzahlen. Das sei ihm jedoch egal. Er macht diesen Wahlkampf offensichtlich gerne, die Kandidatur mit allem, was dazugehört sei für ihn ein Privileg – das betont der 23-Jährige immer wieder.
Doch wie wahrscheinlich ist ein Einzug in den Bundestag auf Landeslistenplatz 28 in einem Wahlkreis, in dem das Direktmandat seit 1949 ausschließlich immer an die CDU ging? In Zeiten, in denen die CDU unter ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz spürbar nach rechts rückt und in denen die AfD im Raum Karlsruhe sogar „Abschiebetickets“ an Menschen mit Migrationshintergrund verteilt, wirkt die Kandidatur von Assad Hussain wie ein lautes „jetzt erst recht“.
Im Wahlkreis Karlsruhe-Land scheint das anzukommen – obwohl hier überwiegend ältere Menschen leben und ein gutbürgerlich-konservatives Weltbild vorherrscht. Zweifel hatte Hussain zu Beginn des Wahlkampfs trotzdem. „Mein erster Gedanke war: Puh, jetzt bin ich hier der 23-jährige, unerfahrene, Neue von der SPD – und dann auch noch mit meinem Hintergrund“, erinnert er sich. Doch im Großen und Ganzen fühle er sich in seinem Wahlkreis sehr ernst genommen. Er bekomme viel positives Feedback von den Bürger*innen, und „eine Frau ist sogar bei meiner Jungwähler-Veranstaltung in die SPD eingetreten“, erzählt er stolz. All das gebe ihm Kraft und motiviere ihn, im Wahlkampf wirklich alles zu geben. Die SPD vor Ort hat ebenfalls vollstes Vertrauen in ihren Newcomer: Nicht umsonst wurde er mit 95 Prozent als Bundestagskandidat nominiert.
Konfrontiert mit vielen Vorurteilen
Doch es gibt eben auch „die anderen“. Diejenigen, die jungen Menschen nichts zutrauen und diejenigen, bei denen der Rassismus und der Hass so tief sitzen, dass sie kein Geheimnis daraus machen, dass Menschen mit Migrationshintergrund für sie in der Politik keinen Platz haben. „So eine Kandidatur führt natürlich auch dazu, dass man jeder und jedem das Recht gibt, dich zu beurteilen“, erzählt Hussain. Doch was, wenn aus der Beurteilung Anfeindungen werden? „Natürlich kriege ich auch Zuschriften mit Hakenkreuzen, per E-Mail, im Briefkasten – das habe ich alles schon gehabt“, erzählt Assad Hussain fast beiläufig, auch wenn er einräumt: „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das nichts mit mir macht“.
Manche dieser Zuschriften bringt er mit seinem Team zur Anzeige. Andere machen ihn einfach nur wütend. Vor allem, wenn er seine Eignung für die Kandidatur rechtfertigen muss. So zum Beispiel, als ein Bürger den 23-Jährigen wegen seines jungen Alters aufforderte, einen Lebenslauf vorzulegen, obwohl er sich bereits seit Jahren auf den verschiedensten politischen Ebenen engagiert. Oder als ihn jemand völlig unverhohlen fragte, ob die SPD denn „keine deutschen Kandidaten“ mehr habe, obwohl es seine Eltern waren, die in den Neunzigerjahren aus Pakistan nach Deutschland kamen und er selbst in Bruchsal in der Nähe von Karlsruhe geboren wurde. Oder, wenn ihm automatisch eine Kompetenz im Bereich Migrationspolitik zugeschrieben wird, obwohl seine Leidenschaft die Arbeits- und Sozialpolitik ist.
Politik für die moderne „arbeitende Mitte“
Es ist auch ebendieses SPD-Kernthema, für das sich Hussain in der Bundespolitik einsetzen möchte. „Dieses Leistungsversprechen, dass man Wohlstand erreichen kann, wenn man sich nur ‚genug anstrengt‘ – das stimmt einfach nicht“ – das weiß Assad Hussain aus seiner eigenen Erfahrung. Seine Eltern hatten immer wieder mit Schwierigkeiten auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu kämpfen. Das Studium seiner Mutter wurde in Deutschland nicht anerkannt, sodass sie beruflich von vorne anfangen musste, und nun als Erzieherin arbeitet.
Es habe ihm nie an etwas gefehlt, aber trotzdem habe er gespürt, dass seine Familie weniger Geld hatte als die deutschen Familien in seinem Umfeld, meint der 23-Jährige. „Im Kindergarten und in der Schule merkt man das ja schon, dass man mit weniger aufwächst als die anderen“, so Hussain. „Und dann fängt man an, darüber nachzudenken, woran das liegt“, erinnert er sich. Er habe lange Zeit nicht verstanden, dass manche Dinge eben anders sind, wenn die eigenen Eltern versuchen, sich in einem neuen Land eine Existenz aufzubauen.
Diese Erfahrung hat ihn so stark geprägt, dass er diese Perspektive nun politisch einbringen möchte. „Ich würde mir sehr wünschen, dass wir als SPD dahin kommen, eine Gesamtstrategie für die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Zukunft zu entwickeln“, sagt er. Denn der Begriff der „arbeitenden Mitte“, die die SPD vertreten möchte, habe sich gewandelt, findet Assad Hussain, und viele Menschen blieben dadurch aktuell auf der Strecke. Daran müsse man sich auch als Partei anpassen – sodass sich auch Menschen außerhalb des traditionellen Arbeiter*innenbegriffs, wie selbstständige Kleinunternehmer*innen, Fachkräfte in Pflege- und Sorgeberufen oder Lieferdienstleister*innen verstärkt angesprochen fühlen. Das Leistungsversprechen müsse für alle gelten – egal, welcher Beruf, egal, ob eingewandert oder nicht.
Hussain: „Ich bin überzeugt davon, dass wir eine Volkspartei sind“
In seinem Wahlkreis merke er, dass es auch diese Themen sind, die die Bürger*innen beschäftigen, sagt Hussain. „Eigentlich haben wir hier die klassischen, normalen, verteilungspolitischen Themen“, berichtet er. Die Menschen, die er am Infostand treffe, erzählten oft von ihren Sorgen um ihre Jobs, um ihre Löhne, um ihre Rente. Die Lösungen sieht Hussain klar im politischen Angebot der SPD. Er ist überzeugt von der Sozialdemokratie. Doch die Partei müsse ihre Kernthemen klarer kommunizieren, so auch die zentrale Idee, dass die guten Löhne, für die sich die SPD einsetzt, auch bedeuten, dass Arbeit attraktiver wird und gleichzeitig die Renten steigen – und zwar für alle, die arbeiten, egal, in welchem Beruf.
Letztlich betreffe das Thema Arbeit eben fast jeden Menschen in Deutschland. Auch deshalb sagt Assad Hussain über seine Partei: „Ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass wir eine Volkspartei sind, aber wir müssen für uns neu definieren, was das heutzutage bedeutet.“
Eine moderne Volkspartei also, die sich auf ihre Kernthemen zurückbesinnt. Assad Hussain ist motiviert, sie irgendwann mitzuprägen: „Ich möchte hier, für meine Heimat, in den Deutschen Bundestag – von mir aus auch das nächste Mal“. So viel steht für ihn fest.