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Underdog in CSU-Hochburg: Das motiviert einen SPD-Kandidaten zum Wahlkampf

Listenplatz 40 und Stammregion der CSU – der Einzug in den Bundestag scheint für Marvin Kliem aussichtslos. Dennoch kandidiert er für die SPD im Bayerischen Wald. Und das aus gutem Grund.

von Jonas Jordan · 12. Februar 2025
Marvin Kliem

Gemeinsam mit Bundesbauministerin Klara Geywitz besucht Marvin Kliem einen Straubinger Fußballverein.

Marvin Kliem kandidiert bei der Bundestagswahl am 23. Februar für die SPD. Doch anders als viele seiner Parteikolleg*innen wird er am Wahlabend nicht zittern müssen. Denn wenn kein Wunder geschieht, weiß er schon jetzt: Mit dem Einzug ins Parlament wird es eher nichts. Kliem steht auf Platz 40 der bayerischen SPD-Landesliste. Als sicher gelten nur die ersten 10 bis 15 Listenplätze. In seinem Wahlkreis Straubing gewann der CSU-Kandidat bei der Bundestagswahl 2021 mit mehr als 30 Prozentpunkten Vorsprung. Seit 1953 hat den Wahlkreis keine andere Partei gewonnen.

Noch nie hat hier ein Sozialdemokrat gewonnen

Wie geht Kliem also einen Wahlkampf an, bei dem er von Beginn an weiß, dass er nicht von Erfolg gekrönt sein wird? „Für mich ist vor allem ausschlaggebend, als Kandidat für die SPD wahrnehmbar zu sein“, sagt der Bundestagskandidat im Gespräch mit dem „vorwärts“. Außerdem wolle er für die Bürger*innen ansprechbar sein, um ein Gegenwicht zur rechtskonservativen Tendenz vor Ort zu setzen: „Wir haben nicht nur eine sehr starke CSU, sondern vor allem auch eine sehr, sehr starke AfD, die in den letzten Jahren extrem zugelegt hat.“

Insbesondere der ländliche Teil seines Wahlkreises im Bayerischen Wald nahe der tschechischen Grenze gelte gemeinhin als abgehängt. Die Menschen seien zunehmend enttäuscht, der Strukturwandel habe nicht geklappt, die Arbeitsplätze würden weniger, berichtet Kliem von den Problemen in seiner Heimatregion. Der 27-Jährige ist in Mitterfels, einem weniger als 3.000 Einwohner*innen zählenden Markt im Bayerischen Wald groß geworden. Zwar arbeitet er seit 2021 als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die SPD-Abgeordnete Carmen Wegge im Bundestag, pendelt seitdem aber fast wöchentlich zwischen Berlin und Bayern.

Unterstützung aus Berlin im Wahlkampf

„Mir ist es wichtig, hier im Wahlkreis für die Sozialdemokratie und unsere Themen sichtbar zu sein“, sagt er. Deshalb tingelt er im Wahlkampf von Ort zu Ort und ist in jeder Gemeinde unterwegs, ob beim Haustürwahlkampf, am Infostand oder bei Terminen mit prominenten SPD-Politiker*innen. 

Mit Klara Geywitz im Wahlkampf

„Mir war es im Wahlkampf besonders wichtig, Leute aus Berlin zu uns zu holen, die die Politik der SPD-regierten Bundesregierung erklären“, sagt Kliem. Denn die SPD habe ansonsten insbesondere im ländlichen Raum Probleme, mit ihren Themen durchzudringen.

Zum Wahlkampfauftakt Mitte Januar kam die bayerische Bundestagsabgeordnete Heike Heubach, zum 120. Jubiläum der Straubinger SPD Bundesbauministerin Klara Geywitz. Mit Carsten Träger, Landesgruppensprecher der bayerischen SPD-Abgeordneten im Bundestag, besuchte Kliem ein Wasserkraftwerk. „Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, ist Wasserkraft ein ganz wichtiger Baustein“, lautete sein Fazit. Unterstützt wird Kliem im Wahlkampf auch von der Initiative BrandNewBundestag, die sich für vielfältigere Perspektiven im Parlament einsetzt.

Kliem sucht im Wahlkampf den direkten Austausch. Dafür fuhr er beispielsweise ein Wochenende lang mit öffentlichen Verkehrsmitteln quer durch die Region und sprach die Menschen in Bus und Bahn direkt an. „Manchmal versuche ich auch, die CSU ein bisschen zu provozieren, um wahrgenommen zu werden“, sagt er und lächelt. Damit hat der Sozialdemokrat Erfahrung. Als er im Oktober 2023 bei der bayerischen Landtagswahl kandidierte, forderte er öffentlichkeitswirksam eine „Bierpreisbremse“. Mit der Begründung: „Wir haben bei uns in Bayern das Problem, dass diese Volksfeste immer mehr zu Bonzenfesten werden, weil sich das Volk die Feste gar nicht mehr leisten kann.“

Auf dem Land politisch aktiv bleiben

Trotz seines Jobs in Berlin ist Kliem stellvertretender Vorsitzender der niederbayerischen SPD. „Gerade als junger, progressiv denkender Mensch ist es mir wichtig, hier im Land politisch aktiv zu bleiben. Denn es ist oft so, dass junge Menschen, die liberaler eingestellt sind, das Land verlassen und in die Städte ziehen. Deswegen habe ich diese Entscheidung ganz bewusst für mich getroffen“, erzählt er. Deswegen ist für Kliem klar, dass er auch nach dem 23. Februar politisch aktiv bleiben und den ländlichen Raum nicht den Konservativen überlassen will.

Bis zur Wahl ist er weiterhin in der gesamten Region unterwegs und setzt dabei vor allem auf Haustürwahlkampf. „Ich habe gerade in den ländlichen Regionen sehr gute Erfahrungen gemacht. Da gab es oft Leute, die gesagt haben: ,Wow, bei uns war noch nie jemand von irgendeiner politischen Partei.‘ Das zeigt mir, wie wichtig es ist, hier standhaft zu sein.“ Unterstützung erhalte er von einem sehr engagierten Wahlkampfteam: „Bei mir haben sich ganz viele proaktiv gemeldet und gesagt: ,Hey Marvin, ich hab richtig Lust, Wahlkampf zu machen.“ Darunter auch sehr viele junge Leute, die keine SPD-Mitglieder sind. Vielleicht klappt es so auch mit dem Wunder in der CSU-Hochburg.

Aktuelle Entwicklungen zur Bundestagswahl 2025 gibt es zum Nachlesen in unserem Newsticker.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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