Kultur

Filmtipp „Klandestin“: Politthriller mit Barbara Sukowa zur Migration

Die unerlaubte Reise nach Europa endet anders als erhofft: Aus verschiedenen Perspektiven erzählt der Politthriller „Klandestin“ vom Schicksal eines marokkanischen Teenagers in Deutschland. Mit einer herausragenden Barbara Sukowa.

von Nils Michaelis · 29. April 2025
Szene mit Barbara Sukowa im Film "Klandestin"

Mathilda (Barbara Sukowa, rechts) und Amina (Banafshe Hourmadi) haben mal wieder Gesprächsbedarf.

Eine Explosion erschüttert das Bankenviertel in Frankfurt am Main. Im Nu kursieren Gerüchte über einen Terroranschlag, doch die Hintergründe der Tat bleiben zunächst unklar. Damit ist bereits in der ersten Szene die Grundstimmung von „Klandestin“ gesetzt. Das bedeutet: In dem um illegale Migration und den Traum von Europa kreisenden Politthriller bleiben einige Dinge in der Schwebe, während im Hintergrund die große Gefahr wabert und ein gehöriges Maß Anspannung mitschwingt.

Ein Schicksal und vier Perspektiven

Der neue Film von Regisseurin Angelina Maccarone dreht sich um ein einzelnes Schicksal, beleuchtet dies allerdings aus vier verschiedenen Perspektiven. Das Zentrum der Handlung bildet Malik (Habib Adda). Der junge Marokkaner möchte zu seinen Verwandten nach Berlin. Dank seines wesentlich älteren Fürsprechers Richard (Lambert Wilson) schafft er es tatsächlich bis nach Deutschland. Dort will ihn der mäßig erfolgreiche Künstler, der auf Durchreise nach London ist, vorübergehend bei seiner Freundin Mathilda unterbringen: also ausgerechnet bei einer stramm konservativen Politikerin, deren Repertoire sowohl hehre Appelle an europäische Werte als auch fremdenfeindliche Parolen aufbietet. 

Um mit dem unerwarteten Gast klarzukommen, schickt Mathilda ihre Assistentin Amina (Banafshe Hourmazdi) – die Familie der Top-Juristin stammt ebenfalls aus Marokko – als „kulturelle Vermittlerin“ ins Rennen. Doch die Dinge geraten außer Kontrolle: Malik gerät in einen Strudel sich überschlagender Ereignisse mit unabsehbaren Folgen. Am Ende müssen sich alle Beteiligten neu sortieren.

Den Titel „Klandestin“ versteht Maccarone, die auch das Drehbuch schrieb, als Umschreibung für das Untergründige und Verborgene, das zwischen den Hauptfiguren besteht und von Szene zu Szene zunehmend sichtbar wird: Wie beim Häuten und Schneiden einer Zwiebel nähern wir uns dem Innersten der Persönlichkeiten, lernen ihre Antriebe, Sehnsüchte, Schwächen und Widersprüche kennen. Besonders erkenntnisreich ist dieser Häutungsprozess im Hinblick auf Mathilda. 

Spiel mit Vorurteilen

Der Filmtitel lässt eine und einen aber auch an jene „Unsichtbaren“ denken, die auf irregulären Wegen nach Europa kommen und aus Behördensicht in der Illegalität verharren. Also an Menschen wie Malik.

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In vier Kapiteln wird Maliks Geschichte jeweils aus der Perspektive der genannten Protagonist*innen erzählt. Dadurch erleben wir nicht nur die auftretenden Personen, sondern auch Situationen immer wieder mit anderen Augen. Aus Nebenfiguren werden Hauptakteur*innen und umgekehrt. Maccarone hat diese Erzählweise gewählt, um mit den jeweiligen Vorurteilen zu spielen, sagte sie in einem Interview. In der Interaktion zwischen Mathilda, Malik und Amina geht dieser Ansatz besonders gut auf.

Die Energie der Figuren entfaltet sich vor dem Hintergrund einer ebenso kargen wie atmosphärisch starken Bildsprache. Viele Szenen spielen in schlichten Büros und auch Mathildas Wohnung ist ein Musterbeispiel für einen auf das Nötigste reduzierten Stil. Die dominierenden Grau- und Blautöne und die Tatsache, dass sich ein Großteil in der Nacht oder während der Dämmerung abspielt, unterstreichen ein düsteres Gepräge, das das Undurchsichtige so mancher Situation widerspiegelt.

Blick hinter die Kulissen des Politikbetriebs

In Sachen Atmosphäre wird dieser Polit-Thriller durchaus den Erwartungen an einen Thriller gerecht. In Sachen Spannung beziehungsweise Dynamik wäre allerdings mehr drin gewesen. Einige Momente der Eskalation hätten mehr ausgekostet werden können, stattdessen wirken sie fast schon konstruiert. Zudem bringt die Erzählweise mit sich, dass einige Nebenstränge fragmentarisch bleiben und damit im Sinne des Genres verzichtbar gewesen wären.

Spannend bis zum Schluss bleibt allerdings das besagte Spiel mit den Perspektiven. Dieses ermöglicht einen Blick hinter die Kulissen des Politikbetriebs, macht die Verbindungen zwischen Privatem und Politischem anschaulich und bietet so eben jene Dynamik, die auf anderer Ebene mitunter fehlt. Und die herausragende Barbara Sukowa unterstreicht wieder einmal, dass jeder Film mit ihr ein Erlebnis ist.

„Klandestin“ (Deutschland 2024), ein Film von Angelina Maccarone, mit Barbara Sukowa, Lambert Wilson, Habib Adda, Banafshe Hourmadi, Katharina Schüttler u.a., OmU, 124 Minuten.

Im Kino. Weitere Infos unter farbfilm-verleih.de/filme/klandestin

 

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