Trump-Wahl: Welche Lehren SPD-Chef Klingbeil für die Bundestagswahl zieht
Donald Trump ist erneut für vier Jahre zum US-Präsidenten gewählt worden. Was das für Deutschlands Rolle in der Welt bedeutet, hat SPD-Chef Lars Klingbeil beim „Tiergarten Talk“ der Friedrich-Ebert-Stiftung deutlich gemacht. Und Lehren für die anstehende Bundestagswahl gezogen.
Friedrich-Ebert-Stiftung/Saskia Uppenkamp
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil auf der Tiergartenkonferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Lars Klingbeil gilt als großer Fan US-amerikanischer Politik. Dennoch sagt er am Donnerstagabend beim „Tiergarten Talk“ der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin: „Ich habe mich noch nie so wenig mit einer US-Wahl beschäftigt wie an diesem Tag und den Tagen danach.“ Was nicht auf das Desinteresse des SPD-Vorsitzenden zurückzuführen ist, sondern auf das Aus der Ampel-Regierung am selben Tag. Hatte Klingbeil am Morgen nach der erneuten Wahl von Trump noch von „einem Weckruf für die Ampel“ gesprochen, war diese wenige Stunden später schon Geschichte.
Klingbeil fordert Fokus auf Verteilungsfragen
Doch der Weckruf ist geblieben. „Wenn wir jetzt nicht begriffen haben, dass wir in Deutschland und Europa mehr Verantwortung übernehmen müssen, weiß ich nicht, was noch passieren soll“, sagt der SPD-Vorsitzende am Donnerstagabend. Das gelte vor allem sicherheits- und industriepolitisch. Denn mit Blick auf die politische Gemengelage sei Deutschland vielleicht noch fünf, acht oder zehn Jahre hinter den USA, aber in einer ähnlichen Situation, was gesellschaftliche Spaltungstendenzen und erstarkenden Rechtspopulismus angeht.
Katrin Bennhold, Leitende Redakteurin der „New York Times“, sieht den von Klingbeil angesprochenen Weckruf „besonders laut“ für die SPD und alle Mitte-Links-Parteien in westlichen Ländern. „Sie haben sich zu sehr dem neoliberalen Konsens angeschlossen“, kritisiert sie. Trump habe das gewittert. Klingbeil zieht aus den Ergebnissen in den USA mit Blick auf die vorgezogene Neuwahl des Bundestages deshalb den Schluss: „Es geht für meine Partei viel stärker um sozio-ökonomische Themen.“ Die SPD müsse Verteilungsfragen wieder stärker in den Fokus stellen und eine Reform von Erbschafts- und Einkommenssteuern auf die Agenda setzen.
„Wir dürfen nicht naiv sein“
Sicherheitspolitisch ist für Klingbeil der Schluss aus der erneuten Trump-Wahl: „Wir dürfen nicht naiv sein und müssen mehr Verantwortung übernehmen“, sagt er. Zwei Jahre zuvor hatte der SPD-Vorsitzende in einer viel beachteten Rede bei der Tiergartenkonferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung eine stärkere Führungsrolle Deutschlands angemahnt. Nun sagt er: „Ich fühle mich bestätigt. Wir können nicht abbrechen, was mit der Zeitenwende angefangen wurde.“ Deutschland müsse innerhalb Europas gemeinsam mit Polen und Frankreich vorangehen und ein „erwachsener außenpolitischer Akteur“ sein.
Er sehe die Gefahr, dass Trump, erst mal im Amt, vorpreschen und die Europäer*innen vor vollendete Tatsachen stellen könne, auch was den Krieg in der Ukraine angeht. Deswegen gelte es, bis zu dessen Amtsantritt am 20. Januar noch viel auf den Weg zu bringen. Insgesamt werde die Welt deutlich multipolarer, sagt Klingbeil. „Wir werden immer wieder Allianzen schmieden müssen“, schließt er daraus, beispielsweise mit Ländern des Globalen Südens. Drei Vertreter*innen sitzen an diesem Abend mit ihm auf dem Podium, um über die Auswirkungen der Trump-Wahl zu diskutieren.
Der Nigerianer Olumide Abimbola, Gründer und Direktor des Africa Policy Research Institute, glaubt nicht an große Auswirkungen der Trump-Wahl für den afrikanischen Kontinent. Das letzte Mal sei Afrika unter George W. Bush im Fokus US-amerikanischer Außenpolitik gewesen, sagt er. Arif Havas Oegroseno, stellvertretender Außenminister von Indonesien, vertritt die Ansicht, die USA seien noch nicht bereit für eine Präsidentin gewesen, insbesondere die Menschen im Mittleren Westen. Deshalb hätten sie nicht für die Demokratin Kamala Harris gestimmt. Nicole Cardoch Ramos, mit 32 Jahren bereits Staatssekretärin in der chilenischen Regierung, fordert mehr Zusammenarbeit zur Zukunft der liberalen Demokratie. Zu häufig werde Lateinamerika nicht als gleicher Partner gesehen. „Wir sind starke Demokratien“, macht sie deutlich.
SPD-Chef: „Es sind echt harte Jahre, die vor uns liegen“
Bei Klingbeil stößt ihr Appell auf offene Ohren. Der SPD-Vorsitzende berichtet von seinen Reisen nach Brasilien und Chile, von denen er „ganz wichtige Impulse für meine Arbeit als Parteivorsitzender“ mitgenommen habe. Zugleich habe er festgestellt, dass sich in eben jenen Ländern rechte Kräfte bereits zuvor vernetzt hatten. „Es gibt ein globales rechtes Netzwerk, das das Ziel hat, funktionierende Demokratie zu destabilisieren“, sagt er. Dies sei eine Kampfansage und große Aufgabe für progressive Parteien. „Es sind echt harte Jahre, die vor uns liegen. Wir können sie nur meistern, wenn wir ein starkes außen-, sicherheits- und entwicklungspolitisches Verständnis haben“, macht er deutlich.
Dazu gehöre, auch innenpolitisch besser zu begründen, „warum wir uns außen- sicherheits- und entwicklungspolitisch engagieren“. Als Tiefpunkt in diesem Zusammenhang nennt er die Debatte um entwicklungspolitische Ausgaben für Radwege in Peru. „Das hat mich geschockt, was Union und FDP auch von sich gegeben haben. Da wurde ein demokratischer Konsens aufgegeben.“ Insgesamt sei die drastische Kürzung von Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit mit Blick auf die multilaterale Zusammenarbeit ein „völlig falsches Signal“ gewesen.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo