International

Trump-Wahl: Welche Lehren SPD-Chef Klingbeil für die Bundestagswahl zieht

Donald Trump ist erneut für vier Jahre zum US-Präsidenten gewählt worden. Was das für Deutschlands Rolle in der Welt bedeutet, hat SPD-Chef Lars Klingbeil beim „Tiergarten Talk“ der Friedrich-Ebert-Stiftung deutlich gemacht. Und Lehren für die anstehende Bundestagswahl gezogen.

von Jonas Jordan · 15. November 2024
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil auf der Tiergartenkonferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil auf der Tiergartenkonferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Lars Klingbeil gilt als großer Fan US-amerikanischer Politik. Dennoch sagt er am Donnerstagabend beim „Tiergarten Talk“ der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin: „Ich habe mich noch nie so wenig mit einer US-Wahl beschäftigt wie an diesem Tag und den Tagen danach.“ Was nicht auf das Desinteresse des SPD-Vorsitzenden zurückzuführen ist, sondern auf das Aus der Ampel-Regierung am selben Tag. Hatte Klingbeil am Morgen nach der erneuten Wahl von Trump noch von „einem Weckruf für die Ampel“ gesprochen, war diese wenige Stunden später schon Geschichte.

Klingbeil fordert Fokus auf Verteilungsfragen

Doch der Weckruf ist geblieben. „Wenn wir jetzt nicht begriffen haben, dass wir in Deutschland und Europa mehr Verantwortung übernehmen müssen, weiß ich nicht, was noch passieren soll“, sagt der SPD-Vorsitzende am Donnerstagabend. Das gelte vor allem sicherheits- und industriepolitisch. Denn mit Blick auf die politische Gemengelage sei Deutschland vielleicht noch fünf, acht oder zehn Jahre hinter den USA, aber in einer ähnlichen Situation, was gesellschaftliche Spaltungstendenzen und erstarkenden Rechtspopulismus angeht.

Katrin Bennhold, Leitende Redakteurin der „New York Times“, sieht den von Klingbeil angesprochenen Weckruf „besonders laut“ für die SPD und alle Mitte-Links-Parteien in westlichen Ländern. „Sie haben sich zu sehr dem neoliberalen Konsens angeschlossen“, kritisiert sie. Trump habe das gewittert. Klingbeil zieht aus den Ergebnissen in den USA mit Blick auf die vorgezogene Neuwahl des Bundestages deshalb den Schluss: „Es geht für meine Partei viel stärker um sozio-ökonomische Themen.“ Die SPD müsse Verteilungsfragen wieder stärker in den Fokus stellen und eine Reform von Erbschafts- und Einkommenssteuern auf die Agenda setzen.

„Wir dürfen nicht naiv sein“

Sicherheitspolitisch ist für Klingbeil der Schluss aus der erneuten Trump-Wahl: „Wir dürfen nicht naiv sein und müssen mehr Verantwortung übernehmen“, sagt er. Zwei Jahre zuvor hatte der SPD-Vorsitzende in einer viel beachteten Rede bei der Tiergartenkonferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung eine stärkere Führungsrolle Deutschlands angemahnt. Nun sagt er: „Ich fühle mich bestätigt. Wir können nicht abbrechen, was mit der Zeitenwende angefangen wurde.“ Deutschland müsse innerhalb Europas gemeinsam mit Polen und Frankreich vorangehen und ein „erwachsener außenpolitischer Akteur“ sein.

Er sehe die Gefahr, dass Trump, erst mal im Amt, vorpreschen und die Europäer*innen vor vollendete Tatsachen stellen könne, auch was den Krieg in der Ukraine angeht. Deswegen gelte es, bis zu dessen Amtsantritt am 20. Januar noch viel auf den Weg zu bringen. Insgesamt werde die Welt deutlich multipolarer, sagt Klingbeil. „Wir werden immer wieder Allianzen schmieden müssen“, schließt er daraus, beispielsweise mit Ländern des Globalen Südens. Drei Vertreter*innen sitzen an diesem Abend mit ihm auf dem Podium, um über die Auswirkungen der Trump-Wahl zu diskutieren.

Tiergarten Talk der Friedrich-Ebert-Stiftung

Welche Auswirkungen hat Trumps Wiederwahl für den Globalen Süden? Darüber diskutierten (v.l.): Moderatorin Nana Brink, die chilenische Staatssekretärin Nicole Cardoch Ramos, SPD-Chef Lars Klingbeil, Sabine Fandrych von der Friedrich-Ebert-Stiftung, der indonesische Vize-Außenminister Arif Havas Oegroseno, New-York-Times-Redakteurin Katrin Bennhold und Olumide Abimbola, Gründer des Africa Policy Research Institute

Tiergartenkonferenz

Der Nigerianer Olumide Abimbola, Gründer und Direktor des Africa Policy Research Institute, glaubt nicht an große Auswirkungen der Trump-Wahl für den afrikanischen Kontinent. Das letzte Mal sei Afrika unter George W. Bush im Fokus US-amerikanischer Außenpolitik gewesen, sagt er. Arif Havas Oegroseno, stellvertretender Außenminister von Indonesien, vertritt die Ansicht, die USA seien noch nicht bereit für eine Präsidentin gewesen, insbesondere die Menschen im Mittleren Westen. Deshalb hätten sie nicht für die Demokratin Kamala Harris gestimmt. Nicole Cardoch Ramos, mit 32 Jahren bereits Staatssekretärin in der chilenischen Regierung, fordert mehr Zusammenarbeit zur Zukunft der liberalen Demokratie. Zu häufig werde Lateinamerika nicht als gleicher Partner gesehen. „Wir sind starke Demokratien“, macht sie deutlich.

SPD-Chef: „Es sind echt harte Jahre, die vor uns liegen“

Bei Klingbeil stößt ihr Appell auf offene Ohren. Der SPD-Vorsitzende berichtet von seinen Reisen nach Brasilien und Chile, von denen er „ganz wichtige Impulse für meine Arbeit als Parteivorsitzender“ mitgenommen habe. Zugleich habe er festgestellt, dass sich in eben jenen Ländern rechte Kräfte bereits zuvor vernetzt hatten. „Es gibt ein globales rechtes Netzwerk, das das Ziel hat, funktionierende Demokratie zu destabilisieren“, sagt er. Dies sei eine Kampfansage und große Aufgabe für progressive Parteien. „Es sind echt harte Jahre, die vor uns liegen. Wir können sie nur meistern, wenn wir ein starkes außen-, sicherheits- und entwicklungspolitisches Verständnis haben“, macht er deutlich. 

Dazu gehöre, auch innenpolitisch besser zu begründen, „warum wir uns außen- sicherheits- und entwicklungspolitisch engagieren“. Als Tiefpunkt in diesem Zusammenhang nennt er die Debatte um entwicklungspolitische Ausgaben für Radwege in Peru. „Das hat mich geschockt, was Union und FDP auch von sich gegeben haben. Da wurde ein demokratischer Konsens aufgegeben.“ Insgesamt sei die drastische Kürzung von Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit mit Blick auf die multilaterale Zusammenarbeit ein „völlig falsches Signal“ gewesen.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

Weitere interessante Rubriken entdecken

3 Kommentare

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Fr., 15.11.2024 - 19:30

Permalink

„Wir in Deutschland und Europa müssen mehr Verantwortung übernehmen, ... vor allem sicherheits- und industriepolitisch“. Die gleiche Lehre mit anderen Worten: „Wir dürfen nicht naiv sein und müssen mehr Verantwortung übernehmen“. Und zum dritten Mal gewendet: ... ein „erwachsener außenpolitischer Akteur“ sein.

Die Lehre - Leere wäre wohl richtiger - des Parteivorsitzenden der SPD, die er auch im Wahlkampf verbreiten will, ist also schlicht, den Militärhaushalt drastisch aufzustocken – pardon: zu „investieren in unsere eigene Sicherheit“ -, unsere „Fähigkeiten“ zur Verteidigung und Kriegsführung zu potenzieren, der Bevölkerung die zivilisatorische Errungenschaft der Friedenstüchtigkeit abzugewöhnen und durch „Kriegstüchtigkeit“ zu ersetzen, denn „Friedenspolitik bedeutet, auch militärische Gewalt als ein legitimes Mittel der Politik zu sehen „ (Klingbeil, 21.6.22). Klar, dass er „die Gefahr sieht, dass Trump, ... was den Krieg in der Ukraine angeht“, ihn und die Europäer mit einem Frieden vor vollendete Tatsachen stellen könnte.

Gut, dass bei all dem Bellizismus „eines der erfolgreichsten Instrumente der EU (und der Nato), ... die Erweiterungspolitik“ (Sozialdemokratische Antworten auf eine Welt im Umbruch, Berlin, 20.01.2023; S. 13), oft schlicht „Osterweiterung“ genannt, nicht zur Konfliktlage gehört, die zum Krieg geführt hat.

„Die SPD müsse Verteilungsfragen wieder stärker in den Fokus stellen“ meint Klingbeil – das ist zwingend bei 120 Mrd. € (3% vom BIP) und mehr im jährlichen Militärhaushalt, allerdings geht es um eine ganz andere Verteilung, als er durch „eine Reform von Erbschafts- und Einkommenssteuern“ zu suggerieren versucht - darauf kann der Vorwärts Klingbeils „mongolisches Pferd“ verwetten.

Der SPD ist nicht mehr zu helfen.

Nicht so sdchnell reseignieren ! Unten, in meinem letzten Satz, zeige ich noch eine Möglichkeit für die Zukunft auf: Das Einzige was mir noch bleibt ist zu allen Heiligen im Sozialistenhimmel zu beten, auf daß sie helfen mögen die SPD wieder sozialdemokratisch zu machen.
Ja, die derzeitige SPD-Führung hat es soweit gebracht, daß Sozialdemokraten auf das Beten hoffen.

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Sa., 16.11.2024 - 09:19

Permalink

Nun ist das "große Vorbild" in die Hände von Trump gefallen; "Deutschländerland ist nur wenige Jahre von spalterischen Zuständen wie in den USA entfernt." Das mag sein, aber fragen wir uns auch woher diese Spaltung kommt ? (Coronapolitik, Inflation, Einkommens- und Vermögensschere, und wahlweise sind afd, BSW oder gar Putin schuld).
Leider ist Klingbeil, ebenso wie "die" SPD, kaum in der Lage begangene Fehler zu analysieren und zu Korrekturen zu schreiten.
Das Einzige was mir noch bleibt ist zu allen Heiligen im Sozialistenhimmel zu beten, auf daß sie helfen mögen die SPD wieder sozialdemokratisch zu machen.