Umstrittene Grenzkontrollen: Was bringen sie wirklich?
Im Wahlkampf war es einer der wichtigsten Punkte für die Union: die Zurückweisung von Asylsuchenden an deutschen Außengrenzen. Inzwischen finden sie auf Anweisung von Bundesinnenminister Dobrindt statt. Allerdings mit wenig Ertrag und hohem Aufwand, wie die Polizei beklagt.
IMAGO/Bernd Maerz
Seit Amtsantritt der neuen Regierung ist bei Kontrollen an den deutschen Außengrenzen auch die Zurückweisung von Asylsuchenden möglich.
Es sollte die größtmögliche Abkehr von Merkels Flüchtlingspolitik sein, von ihrem damals propagierten Kurs des „Wir schaffen das“. Schon kurz nach Amtsantritt erließ Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die Weisung, dass künftig auch Asylsuchende an den deutschen Außengrenzen zurückzuweisen seien. Ausgenommen davon sind lediglich besonders schutzbedürftige Personen, also Minderjährige oder Frauen mit Kindern.
SPD-Fraktionsvize: Kontrollen dürfen kein Dauerzustand werden
Umstritten ist bislang, ob diese Vorgehensweise ohne Zustimmung der Nachbarstaaten überhaupt europarechtlich legitim ist. Dazu sagt Sonja Eichwede, als stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion für den Bereich Innenpolitik zuständig, auf Nachfrage des „vorwärts“: „Wir suchen mit Bundesinnenminister Dobrindt selbstverständlich das Gespräch und sind zwecks Umsetzung unserer Koalitionsvereinbarungen im Austausch. Wichtig ist dabei, dass europäisches Recht eingehalten wird und vor allem eine stetige Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn.“
Im Koalitionsvertrag hatte Schwarz-Rot Zurückweisungen an den deutschen Grenzen eigentlich nur „in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn“ vereinbart. Die Kontrollen sollen fortgesetzt werden, bis die EU über einen „funktionierenden Außengrenzschutz“ verfügt. Doch die Schweiz und Polen reagierten auf die von Dobrindt angeordneten Zurückweisungen schnell mit Kritik.
Eichwede betont, dass die Kontrollen kein Dauerzustand werden sollen. Stattdessen sei es nötig, „eine nachhaltige und langfristige Lösung in gemeinsamer Zusammenarbeit auf europäischer Ebene“ zu finden, sagt sie und verweist auf die im vergangenen Jahr beschlossene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), die nun zügig umgesetzt werden solle, um an den deutschen Binnengrenzen Entlastung zu bringen.
Bundespolizei klagt über Belastung durch Kontrollen
Denn auch aus Sicht der Bundespolizei scheint klar, dass so intensive Kontrollen, wie sie derzeit praktiziert werden, nicht dauerhaft möglich sind. „Wir werden sehen, wie lange die Bundespolizei auch mit Blick auf die gesundheitliche Belastung in der Lage ist, das durchzuführen“, sagt etwa Sven Hüber, Erster Polizeihauptkommissar, Stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), während eines Pressegesprächs des Mediendienstes Integration. Derzeit seien alle Dienstpläne umgestellt worden, die Beamt*innen seien in Zwölf-Stunden-Schichten unterwegs. Dennoch sei die Zahl der zurückgewiesenen Personen gering.
Hüber spricht von einer außergewöhnlichen Situation und einer „hohen Arbeitsbelastung für unsere Kolleginnen und Kollegen“. Es gebe eine „große Schwierigkeit, wie lange wir diesen Zustand aufrechterhalten müssen“, sagt auch sein Kollege Andreas Schwarzkopf, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für den Bereich Bundespolizei. Darauf angesprochen fordert auch Eichwede: „Die Bundespolizei arbeitet mit ihren Beamtinnen und Beamten schon jetzt an der Belastungsgrenze. Das müssen wir bei allen Maßnahmen im Blick haben. Sie dürfen nicht auf dem Rücken der Bundespolizistinnen und Bundespolizisten ausgetragen werden.“
SPD sieht auch Vorteile der Kontrollen
Erforderliche Mittel müssten der Bundespolizei zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus müsse sichergestellt werden, dass das an den Grenzen abgestellte Personal nicht an „vielen anderen sicherheitsrelevanten Brennpunkten im Land“ fehle, fordert die SPD-Politikerin. Zugleich verteidigt sie den grundsätzlichen Nutzen der Kontrollen. Die ehemalige SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien, Schweiz und Österreich schon im Oktober 2023 angeordnet und später auf alle Grenzen ausgedehnt. „Dies hat zu einer erheblichen Senkung der Grenzübertritte geführt. Zudem wurden Erfolge bei der Bekämpfung der Schleuserkriminalität erzielt“, betont Eichwede. Die Kontrollen seien auch notwendig gewesen, um die Kommunen mit Blick auf die Aufnahme von Geflüchteten zu entlasten. Laut Bericht des Innenministeriums wurden seit Einführung der Kontrollen 50.000 Menschen zurückgewiesen und 2.000 Schleuser*innen festgenommen.
Doch führen die derzeitigen Maßnahmen wirklich dazu, Schleuserkriminalität nachhaltig zu bekämpfen? Oder warten die Schleuser*innen bloß im Ausland darauf, dass Deutschland die derzeitigen Kontrollen wieder zurückfährt, wie die beiden Gewerkschafter der Polizei befürchten? Dazu sagt Eichwede: „Grundsätzlich ist nicht auszuschließen, dass Menschen, die an einer Stelle zurückgewiesen wurden, an anderer Stelle erneut versuchen, einzureisen. Deshalb plädiere ich für eine gemeinsame europäische Lösung.“
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo