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Europäisches Asylsystem: So steht es um die Umsetzung der Reform

Die Einigung auf eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) wurde kurz vor der Europawahl im vergangenen Jahr als großer Erfolg gefeiert, der mehr europäische Solidarität versprechen sollte. Doch wie sieht es ein Jahr später mit der Umsetzung aus?

von Jonas Jordan · 15. Mai 2025
Fotomontage Grenzzaun mit Schild, auf dem GEAS (Gemeinsames Europäisches Asylsystem) geschrieben steht und die zwölf Sterne abgebildet sind, die die Europäische Union symbolisieren

Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) soll im kommenden Jahr in Kraft treten.

Der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat am Tag seines Amtsantritts Zurückweisungen von Asylsuchenden an den innerdeutschen Grenzen angekündigt. Doch darf er das überhaupt? Sind solche Zurückweisungen pauschal möglich? 

Es droht ein Domino-Effekt

„Nein, eigentlich dürfen sie das nicht. Das ist nicht nur rechtlich nicht haltbar, es ist auch politisch ein völlig falsches Signal“, sagt Birgit Sippel, innenpolitische Sprecherin der sozialdemokratischen S&D-Fraktion im Europaparlament

Sippel befürchtet gar, wie sie im Gespräch mit dem „vorwärts“ sagt, dass es einen Domino-Effekt geben könne, wenn beispielsweise Geflüchtete an der deutsch-österreichischen Grenze zurückgewiesen würden. Österreich, Italien und andere könnten ebenfalls stärker auf Grenzkontrollen setzen. Illegale Pushbacks von Asylsuchenden könnten ebenso die Folge sein wie weitreichende Einschränkungen für den grenzübergreifenden Pendelverkehr.

Was sich mit GEAS ändern soll

Ab dem kommenden Jahr wird in Asylfragen ohnehin vieles anders. Denn dann greift die im vergangenen Jahr kurz vor der Europawahl mühsam ausgehandelte Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Die Reform sieht konkret vor, dass alle Personen, die in die EU einreisen, um dort Asyl zu beantragen, zunächst ein sogenanntes Screening durchlaufen müssen. 

Personen, die aus Ländern stammen, bei denen in Bezug auf ihren Asylantrag eine EU-weite Schutzquote von weniger als 20 Prozent vorliegt, sollen sich künftig einem sogenannten Grenzverfahren unterziehen müssen. Im Zuge dessen soll in einem beschleunigten Verfahren über ihren Asylantrag entschieden werden. Fällt diese Entscheidung negativ aus, sollen sie in die Herkunftsstaaten abgeschoben werden. 

Durch einen verpflichtenden Solidaritätsmechanismus erhoffen sich die 27 Mitgliedsstaaten mehr Solidarität untereinander, aber auch eine Entlastung derjenigen Länder, die aktuell die meisten Geflüchteten aufnehmen. Denn über den Mechanismus sollen Mitgliedstaaten, mit einer hohen Anzahl von Ankünften, finanzielle oder materielle Unterstützung von den anderen EU-Partnern erhalten. Diese können aber auch die Aufnahme von Geflüchteten anbieten. In den entsprechenden Ländern sollen die Geflüchteten dann einen Asylantrag stellen können. 

Gelingen die Grenzverfahren

Zurzeit stellen sich jedoch noch viele Fragen. Gelingen die Grenzverfahren oder finden Schleuser*innen neue Wege, um Menschen in die angestrebten Zielländer zu bringen? Wie human werden die Verfahren tatsächlich sein oder drohen Zustände wie im früheren griechischen Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos

Die EU-Kommission gibt sich bedeckt und verweist auf die Mitgliedsstaaten, deren Sache die Umsetzung sei. Auch mit denen von ihr gesammelten Informationen zum Stand der Umsetzung geht die Kommission wenig transparent um.

„Wir haben im Parlament eine Arbeitsgruppe gegründet, in der wir uns bemühen, die Umsetzung in den Mitgliedsstaaten zu verfolgen und auch zu schauen, was die Kommission unternimmt, um das zu kontrollieren“, berichtet Birgit Sippel. Schade sei in diesem Kontext, dass die Mehrzahl der Mitgliedsstaaten die entsprechenden Pläne nicht veröffentlichen wolle. Trotzdem sagt Sippel zumindest mit Blick auf den geplanten Verteilmechanismus: „Ich bin schon optimistisch, dass die Mehrheit der Staaten sich daran halten wird.“

Fachkräfte statt Flüchtlinge

Die größere Herausforderung werde aus ihrer Perspektive die Frage sein, wie frühzeitig erkannt werden könne, welche Menschen tatsächlich schutzbedürftig sind und welche Personen aus Gründen einer besseren wirtschaftlichen Perspektive nach Europa kommen wollen. Für diese Personengruppe sollten die Möglichkeiten zur Fachkräfteeinwanderung in die EU erweitert werden, auch um das Asylsystem zu entlasten.

Mit Blick auf die Rückführung abgelehnter Asylbewerber*innen seien intensive Gespräche mit den Herkunftsstaaten notwendig, auch wenn das bisweilen eine Sisyphosarbeit sei. „Wenn jemand beim besten Willen kein Asyl bekommen kann, dann will ich den nicht irgendwohin abschieben, sondern nach Möglichkeit in seinen Herkunftsstaat, wo er eine vertraute Umgebung hat“, sagt Sippel. 

Wem kann die EU vertrauen?

Allerdings ist auch die Möglichkeit, Menschen „irgendwo hin abzuschieben“ Teil der GEAS-Reform, zumindest in Drittstaaten, zu denen die betreffenden Personen einen Bezug haben. Dafür könnte es ausreichen, wenn sie diese Länder auf ihrem Fluchtweg passiert haben. 

Doch es dürfte schwierig werden, entsprechende Abkommen mit Drittstaaten zu kontrollieren, wie Sippel zu bedenken gibt. Mit Tunesien hate die Europäische Union bereits im Jahr 2023 ein umfangreiches Migrationsabkommen geschlossen. Jedoch gebe es immer wieder Berichte, dass Menschen in die Wüste zurückgeschoben würden. Deswegen fordert Sippel: „Bevor man so ein Abkommen schließt, muss man prüfen, ob wir uns darauf verlassen können, dass dieses Land wirklich einhält, was es verspricht.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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