Inland

Wahlprogramm: Wie sich SPD und CDU/CSU beim Thema Arbeit unterscheiden

In ihrem Wahlprogramm behauptet die Union, sie habe den Mindestlohn eingeführt. Das ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Und was sagt sie zu Mitbestimmung im Betrieb, Tarifbindung oder Qualifizierung? In einigen Punkten sind die Unterschiede zur SPD besonders groß.

von Vera Rosigkeit · 7. Januar 2025
Streik für gute Arbeit

Ob öffentlicher Dienst oder Industrie – guter Lohn und gute Arbeitsbedingungen müssen immer wieder erkämpft werden

Von der sogenannten Agenda der Fleißigen, wie es im Wahlprogramm von CDU/CSU heißt, sollten sich Arbeitnehmer*innen und Angestellte nicht allzu viel erhoffen. Die Union verspricht in diesem Zusammenhang umfangreiche Steuerentlastungen, auch für Spitzenverdiener*innen, ohne die Gegenfinanzierung aufzuführen. Auch bei konkreten Themen wie Tarifbindung, Mindestlohn, Mitbestimmung im Betrieb oder Qualifizierung sind ihre Vorstellungen recht dünn, wie sich im Vergleich mit dem Wahlprogramm der SPD zeigt. 

Mindestlohn 

SPD: Die SPD will einen gesetzlichen Mindestlohn, der sich an den Empfehlungen der europäischen Richtlinie orientiert. Die Mindestlohnkommission wird daher aufgefordert, das europäische Recht künftig zu berücksichtigen. Danach soll der Mindestlohn in Deutschland spätestens ab 2026 bei 15 Euro liegen. Derzeit liegt er bei 12,82 Euro.

CDU/CSU: Die Union verkündet in ihrem Wahlprogramm: „Die Union hat 2014 den gesetzlichen Mindestlohn eingeführt.“ Das stimmt so allerdings nicht. Vielmehr war es die SPD, die diese zentrale Wahlkampfforderung 2013 im Koalitionsvertrag mit CDU/CSU gegen erhebliche Widerstände durchsetzen konnte. Für die weitere Lohnfindung sollen laut ihrem Wahlprogramm die Sozialpartner verantwortlich sein, die in der Mindestlohnkommission sitzen, also Vertreter*innen von Arbeitgebern und Gewerkschaften. Politische Vorgaben lehnt sie ab. Was die Union unterschlägt: Über die Höhe des Mindestlohns wurde zuletzt eben nicht durch die Tarifpartner gemeinsam, sondern einseitig zugunsten der Arbeitgebervertreter*innen entschieden. Die Gewerkschaftvertreter*innen hatten einen höheren Mindestlohn gefordert.

Tarifverträge 

SPD: Das Bundestariftreuegesetz hatte die SPD bereits in dieser Legislatur vorgelegt, gescheitert ist es am Widerstand der FDP. Da das Ziel bleibt, die Tarifbindung deutlich zu erhöhen, um bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen zu garantieren, sollen öffentliche Aufträge des Bundes künftig nur an Unternehmen gehen, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Das betrifft auch öffentliche Gelder und Fördermittel, die für die Transformation von Unternehmen eingesetzt werden. Sie sollen laut Wahlprogramm konsequent an die Kriterien Tarifbindung, Standortentwicklung, Beschäftigungssicherung und Qualifizierungsstrategien gebunden werden. Die SPD fordert ein entsprechendes Gesetz auch auf europäischer Ebene. Da das Streikrecht Tarifverhandlungen auf Augenhöhe gewährleistet, erteilt die SPD allen Versuchen, das Streikrecht einzuschränken, eine klare Absage. 

CDU/CSU: Auch die Union nennt eine höhere Tarifbindung als Ziel. Maßnahmen zum Erreichen dieses Ziels nennt sie aber nicht. Auch zum Streikrecht gibt es im Unions-Programm keine Angaben.

Rechte für Betriebsräte

SPD: Eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes soll laut SPD-Wahlprogramm Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten ausbauen – konkret bei der Personalplanung, bei der Einführung Künstlicher Intelligenz und bei Gesundheitsschutz und Weiterbildung. Wahlinitiator*innen von Betriebsratswahlen sollen besser geschützt werden.

CDU/CSU: Auch für die Union sind Betriebsräte ein wichtiger Bestandteil der Sozialpartnerschaft. Da sich das Arbeitsleben stark gewandelt hat, wollen CDU/CSU die betriebliche Mitbestimmung auf „die Höhe der Zeit“ bringen. Der Anspruch bleibt jedoch im Vagen. Als „Signal für die Betriebsratsarbeit der Zukunft“ führt das Programm das Betriebsrätemodernisierungsgesetz aus dem Jahr 2021 an. Dabei hat die Union in der damaligen Koalition mit der SPD das von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil eingebrachte Gesetz zunächst blockiert. Während die SPD es weiter ausbauen will, plant die Union lediglich, einen weiteren Handlungsbedarf zu prüfen.

Kurzarbeit und Qualifizierung

SPD: Die SPD will mehr Leistungen innerhalb der Arbeitslosenversicherung. Wer sich beispielsweise während einer Phase der Arbeitslosigkeit weiterqualifiziert, soll die Zeit nicht auf die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes angerechnet bekommen. Dadurch verlängert sich der Anspruch auf Unterstützung. Gleichzeitig soll mithilfe guter Regelungen für Kurzarbeit im Zusammenspiel mit Qualifizierung Arbeitslosigkeit vermieden werden.  

CDU/CSU: Die Union sieht die Arbeitslosenversicherung unter Druck. Deshalb soll sie sich auf ihre Kernaufgaben begrenzen, die sie neben dem Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld in der Beratung, Förderung und Vermittlung von Arbeitslosen sieht. 

Sachgrundlose Befristung

SPD: Die SPD will sachgrundlose Befristungen von Arbeitsverträgen abschaffen, Sachgründe für Befristungen sollen kritisch überprüft werden. Im öffentlichen Dienst sollen befristete Arbeitsverträge reduziert werden, unbefristete Stellen sollen die Regel sein.

CSU/CDU: Hierzu gibt es im Wahlprogramm der Union keine Angaben.

Arbeit und Gleichstellung

SPD: Bei Eltern, vor allem aber berufstätigen Müttern, setzt die SPD neben einer verlässlichen Betreuung in Kita und Schule besonders auf flexible Arbeitszeitmodelle. Neben einer gerechten Verteilung von Sorgearbeit plant die SPD ein verbessertes Modell beim Elterngeld. Das soll von aktuell 14 auf insgesamt 18 Monate verlängert werden, wenn jeweils jedes Elternteil mindestens sechs Monate Elternzeit in Anspruch nimmt.

CDU/CSU: Die Union will bessere Rahmenbedingungen für Frauen, um sie von Teilzeit in vollzeitnahe Arbeit zu bekommen. Dabei geht es ihr nicht um eine bessere Balance zwischen Beruf und Privatleben, sondern Fachkräftegewinnung. Auch CDU/CSU wollen laut Wahlprogramm das Elterngeld verbessern. Leider ohne konkrete Angaben.

Bürgergeld

SPD: Für die SPD ist das Bürgergeld eine steuerfinanzierte Grundsicherung und kein bedingungsloses Grundeinkommen, Mitwirkung wird eingefordert. Allerdings geht die SPD davon aus, dass die meisten Menschen im Bürgergeldbezug, die arbeiten können, auch arbeiten wollen. Und da sie ein Recht auf Arbeit haben, sollen sie ein passendes Angebot erhalten. Statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, will die SPD die aktive Arbeitsmarktpolitik stärker fördern. Dazu zählen Maßnahmen wie mehr Qualifizierung und Weiterbildung, insbesondere für Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit soll es mehr Möglichkeiten der öffentlich geförderten Beschäftigung geben. 

CDU/CSU: Die Union will das Bürgergeld abschaffen, weil es ihrer Auffassung nach nur fördere und nicht fordere. Der Vermittlungsvorrang soll wieder eingeführt und damit ein Kernanliegen der Bürgergeldreform abgeschafft werden, wonach eine Ausbildung, eine Weiterbildung oder ein Qualifizierungsangebot Vorrang vor einem Aushilfsjob haben sollen. Wer sich weigert, Arbeit anzunehmen, dem drohen CDU/CSU damit, die Grundsicherung komplett zu streichen. Diese Möglichkeit existiert bereits. Der Regelsatz des Bürgergelds kann vollständig gestrichen werden, „wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte sich willentlich weigern, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen“.

Statt Bürgergeld wollen CDU/CSU eine „Neue Grundsicherung“, die ab dem ersten Tag eine Vermögensprüfung durchführt. Damit würde die einjährige Karenzzeit abgeschafft, während der derzeit Freibeträge für Vermögen gelten. 

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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Gespeichert von Helmut Gelhardt (nicht überprüft) am Di., 07.01.2025 - 18:38

Permalink

Ich habe unter

https://www.kab.de/arbeit/kapitalismus-ueberwinden

einen ausführlichen Text u.a. zu den Themen Wirtschaftsdemokrateie und unternehmerische Mitbestimmung zusammengestellt/erarbeitet.

Wenn die Redaktion des vorwärts dies für zielführend in ihrem Sinne hält, kann sie diesen Kommentar mit dem entsprechenden Link auf die Internetseite der KAB Deutschlands e.V. ja für die Leser des vorwärts freigeben.

Mit solidarischen Grüßen
Helmut Gelhardt, Sprecher 'Gerechter Welthandel' der KAB DV Trier und KAB LV RLP

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