Unterschiede im Wahlprogramm: So wollen SPD und Union Extremismus bekämpfen
Populisten und Verfassungsfeinde bedrohen die Demokratie. SPD und Union wollen beide dagegen vorgehen – doch nicht alle Forderungen von CDU und CSU sind umsetzbar.
IMAGO / Müller-Stauffenberg
Ein Sticker mit der Aufschrift „Gegen jeden Antisemitismus" wurde durchgekratzt.
Die Demokratie in Deutschland ist in Gefahr – darin sind sich SPD und Union einig. Doch beim Kampf gegen Extremismus verfolgen beide Parteien laut Wahlprogramm einen unterschiedlichen Fahrplan: Die SPD will der Spaltung der Gesellschaft vorbeugen. Die Union spricht von einer „Null-Toleranz-Strategie“. Aber was heißt das konkret?
Zivilgesellschaft stärken
Um die Demokratie zu stärken, will die SPD zivilgesellschafliches Engagement fördern. Schulen sollen demokratische Werte und ein starkes Geschichtsbewusstsein vermitteln. Vertrauen in die Demokratie wächst, wenn Demokratie erlebbar wird, sagt die SPD, und schlägt Bürgerräte vor, in denen ausgeloste Bürger*innen zu schwierigen Debatten beraten und Empfehlungen in die parlamentarische Arbeit einbringen.
Im Koalitionsvertrag 2021 hatte die Ampel-Koalition dazu einige Vorhaben angekündigt, die dann doch nicht durchgesetzt werden konnten. In einer neuen Regierung will die SPD das Demokratiefördergesetz wieder aufgreifen. Es soll Demokratie-Projekten eine dauerhafte Förderung bieten – oft werden Förderungen nur projektbasiert vergeben und enden nach einigen Monaten oder Jahren. Das macht eine kontinuierliche Arbeit schwer.
Wie will die Union die Zivilgesellschaft stärken? Gegen das Demokratiefördergesetz hatte sie sich jedenfalls gesperrt. Unions-Politiker*innen pochten in der Debatte auf eine Extremismusklausel, mit der sich Projekte zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen sollten, um staatliche Mittel zu erhalten. In ihrem Wahlprogramm ergänzt sie diesen Anspruch mit der Forderung, dass Initiativen nur Mittel erhalten, wenn sie sich zum Existenzrecht Israel bekennen.
Antisemitismus bekämpfen - aber wie?
Demokratie bedeutet Vielfalt, deswegen will die SPD den öffentlichen Dienst so umgestalten, dass er die Vielfalt der Gesellschaft auch widerspiegelt. Ein modernisiertes Gleichbehandlungsgesetz (AGG) soll zukünftig noch mehr Menschen gegen Diskriminierung schützen. Die SPD wendet sich klar gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, explizit nennt sie „Rassismus, Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit, Sexismus, Antifeminismus oder Queer-Feindlichkeit“. So eine klare Position gegen Diskriminierung sucht man im Wahlprogramm der Union vergeblich.
Die Union konzentriert sich auf den Kampf gegen Antisemitismus – und macht das Existenzrecht Israels zum wichtigen Faktor in ihrem Wahlkampf. Beide Parteien setzen sich für den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland ein, aber während die SPD jüdische Kultur sichtbarer machen will, tendiert die Union zu rechtsstaatlichen Sanktionen. Unter anderem will sie eine neue Variante der Volksverhetzung einführen, wenn jemand das Existenzrecht Israels leugnet. Auch die Einbürgerung in Deutschland soll an das Bekenntnis zum Existenzrecht geknüpft werden. Dazu gibt es kritische Stimmen: Unter anderem hatten Sachverständige im Rechtsausschuss des Bundestages vor Konflikten mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung gewarnt.
Viele Forderungen der Union bleiben deswegen rechtlich fragwürdig. Klar ist: Die Konservativen wollen Extremist*innen über eine härtere Asylpolitik bekämpfen. Die Union will Personen, die für eine Terrororganisationen werben, zwingend ausweisen und Doppelstaatlern die deutsche Staatsangehörigkeit aberkennen. Gerade der letzte Vorschlag von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte verfassungsrechtliche Zweifel geschürt. Außerdem fordert die Union entsprechende Konsequenzen für antisemitische Straftäter*innen – dabei kennt das deutsche Strafrecht keinen Straftatbestand Antisemitismus.
Was außerdem nicht im Wahlprogramm steht: Die Ampel-Koalition hat einige dieser Forderungen bereits im vergangenen Jahr umgesetzt. So können ausländische Personen, die terroristische Taten billigen oder dafür werben bereits schneller ausgewiesen und in Folge leichter abgeschoben werden. Andererseits ist das deutsche Aufenthaltsrecht an vielen Stellen komplexer, als es die Forderungen der Union zeigen. Ob ein Straftäter tatsächlich in sein Herkunftsland zurückgebracht wird, entscheiden Gerichte oft im Einzelfall.
Mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden
Darin sind sich SPD und Union einig: Sicherheitsbehörden sollen im Kampf gegen Extremismus und Islamismus mehr Befugnisse bekommen. Die SPD will Verfassungsfeind*innen schneller aus dem Beamtendienst entlassen können, oft dauern Disziplinarverfahren nämlich Jahre. Die Union stellt sich gegen eine Beschleunigung dieser Verfahren – Verfassungsfeind*innen sollten zwar aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden, aber nicht ohne richterlichen Beschluss.
Die SPD will das Waffenrecht einschränken und Personen mit psychischen Belastungen keinen Zugang mehr erlauben. Die Union fordert, das Waffenrecht auf Extremist*innen und Straftäter*innen anzuwenden – allerdings bleibt unklar, wie. Immerhin werden Straftäter*innen schon jetzt ab einem bestimmten Strafmaß entwaffnet.
Beide Parteien gehen im Wahlprogramm auf Islamismus ein. Die SPD will Islamismus mit „ganzer Kraft und voller Härte" bekämpfen und Islamist*innen Räume und Finanzen entziehen. Sie setzt dabei aber auch auf Prävention, die islamistischer Radikalisierung vorbeugt. Die Union kündigt hingegen an, pauschal Moscheen zu schließen, in denen Hass und Antisemitismus gepredigt wird. „Islamistischer Terrorismus und politischer Islam sind unterschätzte Gefahren", heißt es im Wahlprogramm der Union.
Union will Strategie aus Merkel-Zeit fortführen
CDU und CSU betonen, Linksextremismus genauso konsequent wie Rechtsextremismus zu bekämpfen. Aber was genau will die Union gegen Rechtsextremismus unternehmen? Im Wahlprogramm kündigt sie lediglich an, an die Politik der großen Koalition unter Angela Merkel (CDU) anknüpfen zu wollen. Was das genau heißt, bleibt unklar – ebenso wie die Frage, ob Maßnahmen von vor fünf Jahren angesichts des zwischenzeitlich beispiellosen Rechtsrucks überhaupt noch zeitgemäß sind.