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Unterschiede im Wahlprogramm: So wollen SPD und Union Extremismus bekämpfen

Populisten und Verfassungsfeinde bedrohen die Demokratie. SPD und Union wollen beide dagegen vorgehen – dabei werben CDU und CSU mit Forderungen, die kaum umsetzbar sind.

von Lea Hensen · 24. Januar 2025
Ein Sticker mit der Aufschrift „Gegen jeden Antisemitismus" wurde durchgekratzt.

Ein Sticker mit der Aufschrift „Gegen jeden Antisemitismus" wurde durchgekratzt.

Die Demokratie in Deutschland ist in Gefahr – darin sind sich SPD und Union einig. Doch beim Kampf gegen Extremismus verfolgen beide Parteien laut Wahlprogramm einen unterschiedlichen Fahrplan: Die SPD will der Spaltung der Gesellschaft vorbeugen. Die Union spricht von einer „Null-Toleranz-Strategie“. Aber was heißt das konkret?

Zivilgesellschaft stärken

Um die Demokratie zu stärken, will die SPD zivilgesellschafliches Engagement fördern. Schulen sollen demokratische Werte und ein starkes Geschichtsbewusstsein vermitteln. Vertrauen in die Demokratie wächst, wenn Demokratie erlebbar wird, sagt die SPD, und schlägt Bürgerräte vor, in denen ausgeloste Bürger*innen zu schwierigen Debatten beraten und Empfehlungen in die parlamentarische Arbeit einbringen. 

Im Koalitionsvertrag 2021 hatte die Ampel-Koalition dazu einige Vorhaben angekündigt, die dann doch nicht durchgesetzt werden konnten. In einer neuen Regierung will die SPD das Demokratiefördergesetz wieder aufgreifen. Es soll Demokratie-Projekten eine dauerhafte Förderung bieten – oft werden Förderungen nur projektbasiert vergeben und enden nach einigen Monaten oder Jahren. Das macht eine kontinuierliche Arbeit schwer.

Und wie will die Union die Zivilgesellschaft stärken? Gegen das Demokratiefördergesetz hatte sie sich jedenfalls gesperrt. Unions-Politiker*innen pochten in der Debatte auf eine Extremismusklausel, mit der sich Projekte zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen sollten, um staatliche Mittel zu erhalten. In ihrem Wahlprogramm ergänzt sie diesen Anspruch mit der Forderung, dass Initiativen nur Mittel erhalten, wenn sie sich zum Existenzrecht Israel bekennen. 

Antisemitismus bekämpfen - aber wie?

Demokratie bedeutet Vielfalt, deswegen will die SPD den öffentlichen Dienst so umgestalten, dass er die Vielfalt der Gesellschaft auch widerspiegelt. Ein modernisiertes Gleichbehandlungsgesetz soll zukünftig noch mehr Menschen gegen Diskriminierung schützen. Die SPD wendet sich klar gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, explizit nennt sie „Rassismus, Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit, Sexismus, Antifeminismus oder Queer-Feindlichkeit“. So eine klare Position gegen Diskriminierung sucht man im Wahlprogramm der Union vergeblich. 

Die Union konzentriert sich auf den Kampf gegen Antisemitismus – und macht das Existenzrecht Israels zum wichtigen Faktor in ihrem Wahlkampf. Beide Parteien setzen sich für den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland ein, aber während die SPD jüdische Kultur sichtbarer machen will, setzt die Union auch hier eher auf Strafen. Unter annderem will sie eine neue Variante der Volksverhetzung einführen, wenn jemand das Existenzrecht Israels leugnet. Auch die Einbürgerung in Deutschland soll an das Bekenntnis zum Existenzrecht geknüpft werden. Es gibt aber Zweifel daran, ob die Haltung zu Israel als Staat nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt ist – unter anderem im Rechtsausschuss des Bundestags.

Generell ist bei vielen Forderungen der Union fraglich, ob sie rechtlich durchsetzbar sind – oder nur starke Parolen ohne Inhalt. Klar ist: Die Konservativen wollen den Kampf gegen Extremismus für eine härtere Asylpolitik nutzen. Die Union will Personen, die für eine Terrororganisationen werben, zwingend ausweisen und Doppelstaatlern die deutsche Staatsangehörigkeit aberkennen. Gerade der letzte Vorschlag von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ist verfassungsrechtlich kaum machbar. Entsprechende Konsequenzen fordert die Union auch für antisemitische Straftäter*innen – dabei gibt es im deutschen Strafrecht nicht einmal einen konkreten Straftatbestand für Antisemitismus.

Davon mal abgesehen: Die Ampel-Koalition hat einige dieser Forderungen bereits im vergangenen Jahr umgesetzt. So können ausländische Personen, die terroristische Taten billigen oder dafür werben bereits schneller ausgewiesen und in Folge leichter abgeschoben werden. Ansonsten ist das deutsche Aufenthaltsrecht an vielen Stellen komplexer, als es die Forderungen der Union vermuten lassen. Ob ein Straftäter tatsächlich in sein Herkunftsland zurückgebracht wird, entscheiden Gerichte oft im Einzelfall.

Mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden

Darin sind sich SPD und Union einig: Sicherheitsbehörden sollen im Kampf gegen Extremismus und Islamismus mehr Befugnisse bekommen. Die SPD will Personen mit psychischen Belastungen das Waffenrecht entziehen. Die Union betont zunächst, legale Waffenbesitzer*innen nicht einschränken zu wollen. Extremist*innen und Straftäter*innen will sie das Waffenrecht entziehen – dabei werden Straftäter*innen schon jetzt ab einem bestimmten Strafmaß entwaffnet. 

Die SPD will Verfassungsfeind*innen schneller aus dem Beamtendienst entlassen können, oft dauern Disziplinarverfahren nämlich Jahre. Auch hier stellt sich die Union dagegen und fordert keine Entlassungen ohne richterlichen Beschluss.

Beide Parteien gehen im Wahlprogramm besonders auf Islamismus ein. Die SPD will Islamismus mit „ganzer Kraft und voller Härte" bekämpfen und Islamist*innen Räume und Finanzen entziehen. Sie setzt dabei aber auch auf Prävention, die islamistischer Radikalisierung vorbeugt. „Islamistischer Terrorismus und politischer Islam sind unterschätzte Gefahren", heißt es im Wahlprogramm der Union. Sie kündigt an, pauschal Moscheen zu schließen, in denen Hass und Antisemitismus gepredigt wird – dabei müssen Vereinsverbote immer gesondert geprüft werden.

Union will Strategie aus Merkel-Zeit fortführen

CDU und CSU betonen, Linksextremismus genauso konsequent wie Rechtsextremismus zu bekämpfen. Aber was will die Union nun gegen Rechtsextremismus unternehmen? Während CDU-Kanzlerkandidat Merz in der Migrationspolitik nicht vor einer Zusammenarbeit mit der AfD zurückschreckt, beschränkt sich die Union im Wahlprogramm auf eine vage Andeutung. Dem Rechtsextremismus will die Union „die Rote Karte zeigen", indem sie an die Politik der Großen Koalition unter Angela Merkel (CDU) anknüpft. Was das genau heißt, bleibt unklar – ebenso wie die Frage, ob Maßnahmen, die vor mehr fünf Jahren beschlossen wurden, angesichts des zwischenzeitlich beispiellosen Rechtsrucks überhaupt noch zeitgemäß sind. 

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