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AfD-Verbot: Wo die Probleme des Bundestagsantrags liegen

Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten will fraktionsübergreifend beim Bundesverfassungsgericht ein Verbot der AfD beantragen. Ein Punkt in dem Antrag könnte das Vorhaben jedoch gefährden.

von Kai Doering · 11. Oktober 2024
Kommt es oder kommt es nicht? Ein AfD-Verbotsverfahren birgt einige Risiken, meinen Staatsrechtler*innen.

Kommt es oder kommt es nicht? Ein AfD-Verbotsverfahren birgt einige Risiken, meinen Staatsrechtler*innen.

Dass er kommt, scheint mittlerweile klar zu sein. Doch wann es soweit ist und wer dahintersteht, ist noch ein großes Geheimnis im politischen Berlin. Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten um CDU-Mann Marco Wanderwitz will beim Bundesverfassungsgericht ein Verbot der AfD beantragen. Von rund 50 Personen aus verschiedenen Fraktionen ist die Rede. Ein Entwurf des Antrags ist bereits bekannt, inklusive siebenseitiger Begründung.

Neben der Feststellung, dass „die Partei ‚Alternative für Deutschland‘ verfassungswidrig ist, beantragen die Abgeordneten, dass die Karlsruher Richter*innen, das Vermögen der AfD für gemeinnützige Zwecke einziehen oder „hilfsweise“ die Partei von jeder staatlichen Finanzierung ausschließen.

Die „Anforderung strikter Staatsfreiheit“ als Stolperstein

Doch die Abgeordneten richten sich mit ihrem Antrag nicht nur an das Bundesverfassungsgericht, sondern auch an die Bundesregierung sowie die Landesregierungen. Diese sollen über die jeweiligen Verfassungsschutzämter auf die „Anforderung strikter Staatsfreiheit“ hinwirken. Im Klartext bedeutet das, dass etwaige V-Leute und verdeckte Ermittler*innen aus der AfD abgezogen werden müssen. Geschieht das nicht, könnte ein Verbotsverfahren genau daran scheitern.

„Das Gebot strikter Staatsfreiheit ist grundsätzlicherer Natur und steht dem Parteiverbotsverfahren als Verfahrenshindernis nach bisheriger Rechtsprechung regelmäßig unbehebbar entgegen“, erklärt der Staatsrechtler Till Patrik Holterhus in einem Beitrag auf dem „Verfassungsblog“. Das erste Verbotsverfahren gegen die NDP war 2003 genau an dieser Frage gescheitert. Drei der sieben Richter*innen des zweiten Senats sahen in den V-Leuten in der NPD ein Verfahrenshindernis.

Mast: Antrag ist „nicht zu Ende gedacht“

„Zwar ist es grundsätzlich möglich, dass der Verfassungsschutz vor einem Parteiverbotsverfahren eine Partei auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet. Jedenfalls auf der Führungsebene müssen die V-Leute oder Verdeckten Ermittler dann vor einem Parteiverbotsverfahren jedoch rechtzeitig durch die jeweils zuständigen Behörden abgeschaltet bzw. abgezogen werden“, erklärt Jurist Holterhus auf dem „Verfassungsblog“.

Auch für Katja Mast, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, ist die Frage nach dem Abzug von V-Leuten heikel. Grundsätzlich sei sie zwar für ein Verbotsverfahren, wenn genug Belege der Verfassungsfeindlichkeit vorlägen. Den fraktionsübergreifenden Antrag hält sie aber für den „falschen Weg“ und für „nicht zu Ende gedacht“. Im Bundestag werde es deshalb keine Mehrheit finden.

Zeitpunkt des V-Leute-Abzugs könnte entscheidend sein

Ein Problem ist aus Sicht der SPD-Fraktionsmanagerin auch die Frist von zwei Monaten, die der Antrag den Verfassungsschutzämter zum Abzug der V-Leute setzt. Die Antragsteller*innen gehen nach Ablauf dieser Zeit „von einer erfolgreichen Herstellung des Zustands der strikten Straffreiheit aus“. Als „besonders relevant“ bezeichnet deshalb Staatsrechtler Holterhus das Timing eines möglichen Verbotsantrags. „Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Bundesverfassungsgerichts) müssen die Abschaltung von V-Leuten und der Abzug Verdeckter Ermittler nämlich bereits vor der Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens stattfinden, und dabei spätestens bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller die Absicht, einen Verbotsantrag zu stellen, öffentlich bekannt macht“, erklärt er im „Verfassungsblog“.

Ab dann nämlich befinde sich die AfD „in offener Auseinandersetzung mit den antragstellenden Verfassungsorganen“ und müsse „schon aus rechtsstaatlichen Erwägungen frei von jedem (auch nur potenziellen) verdeckten Einfluss ‚des Staates‘ als Verfahrensgegner sein“. Die Abschaltung von V-Leuten und der Abzug verdeckter Ermittler*innen müsse daher schon vor einer Beschlussfassung im Bundestag stattgefunden haben.

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Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Fr., 11.10.2024 - 18:34

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"Im Klartext bedeutet das, dass etwaige V-Leute und verdeckte Ermittler*innen aus der AfD abgezogen werden müssen"

Gibt es eigentlich außer Deutschland noch eine andere Demokratie auf der Welt, in der die Regierungsparteien die Opposition durch den Inlandsgeheimdienst bespitzeln dürfen?

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Fr., 11.10.2024 - 18:34

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So unappetitlich ich die afd auch finde, so geht es nicht. Nicht nur wegen eventueller verdeckter Ermittler oder IMs, sondern weil sich mit der afd endlich politisch auseinander gesetzt werden muss. Die afd ist klipp und klar als neoliberale und antisoziale Partei zu entlarven, aber gerade das fällt der SPD ja schwer weil sie diesen Konsepten gar nicht so fern zu stehen scheint.
Die Coronamaßnahmen waren ein großes potential für die afd und darum muss das endlich aufgeklärt werden. Und zwar mit einem PARLAMENTARISCHEN UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS und nicht mit einer Eiertanzveranstaltung. Politker, die sich wissentlich über wissenschaftliche Erkenntnisse hinweggesetzt haben sind schleunigst aus der 1. Reihe zu entfernen samt ihren "Experten". Dazu braucht es den PARLAMENTARISCHEN UNTERSUCHUNGSAUSSCHUSS, der auch justiziable Ergebnisse liefern kann - denn für sowas ist der da.
Zum Umgang mit der afd: wenn der Falsche was Richtiges sagt, dann wird das Richtige dadurch nicht falsch (Heinrich Heine ??)

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Sa., 12.10.2024 - 15:00

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im Bundestag, haben Zugriff auf den Verfassungsschutz, führen das Innenministerium und können uns auf die anderen, in diesem Zusammenhang maßgeblichen Behörden verlassen, wir haben dann auch noch ein zuverlässig besetztes Bundesverfassungsgericht- da sollte es doch wohl möglich sein, die AfD zu verbieten

Gespeichert von Dieter Falk (nicht überprüft) am Mo., 14.10.2024 - 18:37

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Dieser Antrag ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die sich immer gerne als "Opfer des Systems" etc. bezeichnen. Und nicht nur ihre bisherigen Wähler werden irritiert bis aggressiv, wenn sich hier in einer Demokratie etablierte Parteien eines aufkommenden, unliebsamen Gegners auf diese Weise entledigen wollen. Sämtliche Parteien, Bündnisse o.ä. sind auf legalem Weg politisch-argumentativ und ggfs. im Einzelfall rechtsstaatlich zu bekämpfen. Auch unsere SPD sollte sich fragen, was zum Erstarken der Rechten geführt hat? Und schon in der Anfangszeit dieser Partei pauschal alle Mitglieder und Wähler als Nazis zu verunglimpfen, hat sicher auch nicht geholfen, im Gegenteil. Wir brauchen viel mehr und glaubwürdige Präsenz in den Medien, aus denen sich vor allem jüngere Leute heute informieren. Wie viele Clicks hat der Vorwärts, haben SPD-Politiker zusammen auf tiktok?

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