Noch kein Haushalt für 2025: Demokratieprojekte bangen um ihre Existenz
Unsichere Arbeitsverhältnisse, befristete Fördermittel: Für viele zivilgesellschaftliche Initiativen ist das Alltag. Doch wenige Wochen vor Jahresende steht viel auf dem Spiel.
IMAGO / Guido Schiefer
Zehntausende Menschen protestierten zu Jahresbeginn in Köln gegen die Remigrations-Pläne der AfD.
Da die rot-grüne Minderheitsregierung für 2025 wohl keinen Haushalt mehr beschließen wird, fürchten derzeit viele zivilgesellschaftliche Initiativen um ihren Fortbestand im kommenden Jahr. Mehrere Hundert Demokratieprojekte sind finanziell von öffentlichen Mitteln abhängig. Allein mit dem Programm „Demokratie leben!“ fördert das Bundesfamilienministerium nach eigenen Angaben mehr als 700 zivilgesellschaftliche Initiativen für Demokratie, Vielfalt und gegen Extremismus in ganz Deutschland.
Für das Programm standen im vergangenen Jahr 187 Millionen Euro zur Verfügung. Doch nach dem Ampel-Aus muss die Bundesregierung wahrscheinlich mit einem vorläufigen Haushalt ins neue Jahr starten. Bei Demokratieprojekten wie der Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus herrscht deswegen große Unsicherheit.
In Niedersachsen hat die Initiative drei Regionalbüros in Verden, Oldenburg und Hildesheim. Dort beraten insgesamt zwölf Mitarbeitende Menschen, die sich engagieren möchten oder von Rechtsextremisten bedroht werden. In diesem Jahr erhielt die Initiative rund 593.000 Euro aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben“. Doch die Förderperiode läuft in zwei Wochen aus.
Mitarbeitende wurde im September gekündigt
Kurz vor Jahresende weiß Projektleiter Jan Krieger nicht, wie es ab Januar weitergeht. „Als Anfang des Jahres so viele Menschen für die Demokratie protestierten, hat die Politik zugesichert, das Engagement gegen Rechtsextremismus zu unterstützen“, sagt er. Doch davon sei knapp elf Monate später nicht mehr viel übrig.
Trägerverein der Beratungsstellen ist der Verein WABE (Weser-Aller-Bündnis: Engagiert für Demokratie und Zivilcourage). Das Land Niedersachsen fördert das Projekt anteilig mit 150.000 Euro über die politische Liste – das reicht bei Weitem nicht aus, um es ohne die Bundesmittel weiterführen.
Da die Mitarbeitenden eine Kündigungsfrist von drei Monaten haben, hat der Verein den Beratungsstellen schon im September gekündigt. „Langjährige Mitarbeitende sind dadurch sehr verunsichert“, sagt Krieger. Betroffene, die sich an die Beratung wenden, bekämen derzeit kein verbindliches Angebot. Die Unterstützung bleibe auf der Strecke, solange kein Förderbescheid vorliegt. Und der hat die Mobile Beratung mit Stand vom 13. Dezember noch nicht erreicht.
Auch Dominik Schumacher von der Mobilen Beratung in Nordrhein-Westfalen hatte kürzlich vor der finanziell instabilen Situation vieler Demokratie-Initiativen gewarnt. Hunderte Kollegen wüssten nicht, ob sie 2025 weiterarbeiten können. Die Politik müsse die Finanzierung endlich durch gesetzliche Grundlagen dauerhaft sichern und nicht auf einzelne Projekte reduzieren. Zivilgesellschaftliche Initiativen auszudünnen sei erklärtes Ziel der AfD.
Spendenaufruf gestartet
Auch die Zukunft der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (Farn) steht auf dem Spiel. Farn ist die einzige Einrichtung in Deutschland, die sich gegen rechte Ideologien im Natur- und Umweltschutz wendet, die Fachstelle wurde 2017 von den NaturFreunden Deutschlands und der Naturfreundejugend Deutschlands gegründet.
„Diese Arbeit ist dringender denn je – rechte Akteure versuchen zunehmend, die Umweltbewegung zu unterwandern und den gesellschaftlichen Wandel zu blockieren“, schreiben die Initiator*innen auf ihrer Website. Um 2025 fortbestehen zu können, fehlen ihnen eigenen Angaben zufolge mindestens 25.000 Euro. Die Projektträger*innen haben einen Spendenaufruf gestartet.
In der Mobilen Beratung gibt es noch Hoffnung auf staatliche Unterstützung. Mit einer Kollegin, mit der er das Projekt leitet, hat Krieger einen neuen Antrag gestellt, um das kommende Jahr zu überbrücken. Doch wie lange die Förderung bewilligt wird, ist unklar, solange es keine neue Regierung und einen verbindlichen Haushalt gibt.
In den Tagen vor Weihnachten hofft der Projektleiter darauf, dass der Bewilligungsbescheid eintrifft. Und die Mitarbeitenden? „Es kann sein, dass sie sich wegbewerben, weil ihnen die Situation zu heikel ist“, sagt er.
„Um die prekäre Förderstrukturen zu verbessern, braucht es ein Demokratiefördergesetz, das zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechtsextremismus unterstützt und den Projekten Sicherheit gibt“, Krüger.
Ein solches Gesetz hatte die Ampel-Regierung bereits im Koalitionsvertrag geplant: Statt projektbasierter Förderung und befristeten Arbeitsverträgen, sollten Projekte, die sich für die Demokratie engagieren, endlich Planungssicherheit bekommen. Doch die FDP blockierte das Vorhaben doch noch mit dem Vorwurf, zu linke Gruppen könnten davon profitieren, und forderte eine Extremismusklausel im Gesetz.
Mit dem Ampel-Aus ist das Vorhaben Geschichte.