Inland

SPD und Wirtschaft als Gegensätze? „Das ist Quatsch.“

Vor zehn Jahren wurde das SPD-Wirtschaftsforum gegründet. Im Interview erzählt seine Präsidentin Ines Zenke, wie der parteiunabhängige Verein zwischen Unternehmen und Partei vermittelt und für welche Entscheidung sie Bundeskanzler Olaf Scholz besonders dankbar ist.

von Kai Doering · 19. Februar 2025
Eine Jahrhundertaufgabe: Ines Zenke ist seit 2021 Präsidentin des SPD-Wirtschaftsforums.

Eine Jahrhundertaufgabe: Ines Zenke ist seit 2021 Präsidentin des SPD-Wirtschaftsforums.

Vor zehn Jahren – im Februar 2015 – wurde das SPD-Wirtschaftsforum aus der Taufe gehoben. Wie kam es dazu?

Wir – das waren Michael Frenzel, Harald Christ, Robert Maier und ich – hatten das Gefühl, dass es wichtig ist, den konstruktiv-kritischen Austausch zwischen Politik und Wirtschaft zu stärken. Deshalb hatten wir die Idee, eine Plattform zu gründen, die das Verständnis füreinander erhöht. Aus unseren persönlichen Kontakten hatte es auch immer wieder Anfragen gegeben von Unternehmen, die Ansprechpartner in der Sozialdemokratie suchten. So entstand der Gedanke für ein Wirtschaftsforum, das der SPD verbunden ist und eine starke Ressource und Adresse für Wirtschaftskompetenz ist. Der damalige Parteivorsitzende Sigmar Gabriel, der auch Wirtschaftsminister war, aber auch Hubertus Heil und Andrea Nahles als damalige Bundesarbeitsministerin unterstützten unser Ansinnen und standen uns schnell als zuverlässige Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner zur Verfügung. 

Heute hat das SPD-Wirtschaftsforum mehr als 500 Mitglieder. Hätten Sie sich das vor zehn Jahren träumen lassen?

Das war unser Plan, aber genug Skeptiker gab es auch. Zu Beginn hatten wir nicht viel mehr zur Verfügung als ein paar Blätter Papier und einige Stifte – und das ist nicht sinnbildlich gemeint. Heute haben wir eine schlagkräftige Geschäftsstelle in gut ausgestatteten Räumen im Herzen des politischen Berlins und rund 20 kluge und engagierte Mitarbeitende. Unsere Mitgliedsunternehmen kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen, manche ganz klein und andere richtig groß. Das ist ein tolles Abbild der Unternehmenslandschaft in Deutschland. Ein weiteres Geheimnis unseres Erfolgs ist sicher, dass wir uns sehr intensiv und direkt miteinander austauschen, sowohl innerhalb des Wirtschaftsforums als auch zwischen Unternehmen und SPD.

Ines
Zenke

Die Sozialpartnerschaft, die Deutschland seit Jahrzehnten auszeichnet, ist die Grundlage unseres Erfolgs und unseres Wohlstands.

Für viele passen Wirtschaft und SPD nicht auf Anhieb zusammen. Wie oft müssen Sie da mit Vorbehalten kämpfen?

Dass SPD und Wirtschaft angeblich Gegensätze sind, haben wir am Anfang immer mal wieder gehört. Das hat sich aber schnell gelegt. Das liegt sicher auch an den handelnden Akteuren auf beiden Seiten. In der Zeit der Ampel-Regierung bin ich durchaus häufiger von Unternehmen angerufen worden, die Entscheidungen kritisiert haben. Das bezog sich aber eigentlich nie auf die SPD. Dass die SPD als „Partei der Arbeit“ ein Gegensatz zur Wirtschaft sein soll, ist ohnehin Quatsch, denn eine funktionierende Wirtschaft schafft Wohlstand und Arbeitsplätze. Umgekehrt weiß jede kluge Unternehmerin und jeder kluge Unternehmer, dass ihr wirtschaftlicher Erfolg auf der Arbeit von motivierten und guten Mitarbeitenden beruht. Die Sozialpartnerschaft, die Deutschland seit Jahrzehnten auszeichnet, ist die Grundlage unseres Erfolgs und unseres Wohlstands.

Wie haben sich die Themen, mit denen sich das Wirtschaftsforum beschäftigt, über die Jahre verändert?

Als wir 2015 unsere Arbeit begonnen haben, waren das Pariser Klimaabkommen und seine Umsetzung ein Riesenthema. Ich erinnere mich an eine Veranstaltung mit der damaligen Umweltministerin Svenja Schulze, bei der die Unternehmensvertreter sehr verunsichert waren, was da nun auf sie zukommt. Inzwischen sind der Klimaschutz und die daraus resultierende Transformation der Wirtschaft ein täglicher Begleiter unserer Arbeit. Später kam dann der Umgang mit der Corona-Krise und ab 2022 mit den Folgen des Kriegs in der Ukraine dazu. Bei letzterem war sehr schnell klar, dass Energie das entscheidende Thema werden würde. Hier gebührt übrigens Bundeskanzler Olaf Scholz großer Dank. Er hat den Gashahn nicht einfach zugedreht, wie das andere lautstark und ziemlich ahnungslos gefordert haben. Sein besonnenes Verhalten hat verhindert, dass unsere Industrie in schwerste Fahrwasser geriet und Deutschland friert.

Gibt es Themen, die von Anfang an seit der Gründung des SPD-Wirtschaftsforums eine Rolle gespielt haben und bis heute spielen?

Ja, das ist wie gesagt die Transformation, weil sich viele Unternehmen komplett neu erfinden müssen. Sie müssen Produktions- und Geschäftsprozesse umstellen und vieles von Grund auf neu denken. Das ist eine Jahrhundertaufgabe. Ein anderes Thema, das uns während der gesamten Zeit begleitet hat, ist die Bürokratie. Und natürlich spielt auch die Digitalisierung eine große Rolle. Und sie wird immer wichtiger.

Ines
Zenke

Ein Programm von der Größe und der Einfachheit des „Inflation Reduction Act“ kann auch in Deutschland gut funktionieren.

Sind das auch Ihre Anforderungen an die künftige Bundesregierung?

Ja, auf jeden Fall. Die bevorstehende Bundestagswahl und die Erwartungen an die nächste Regierung, wie auch immer sie aussieht, waren bereits Thema in unseren Fachforen. Ein wichtiger Punkt dabei ist bezahlbare Energie. Sie ist die Grundlage der Produktion für viele Unternehmen. Ebenso wichtig ist die Beschleunigung von Investitionen. Dies unbedingt auch in die Infrastrukturen wie Strom- und Telekommunikationsnetze. Überhaupt muss die Digitalisierung dringend weiter vorangetrieben werden.

Die SPD schlägt in ihrem Wahlprogramm für Investitionen einen „Made-in-Germany-Bonus“ und einen „Deutschlandfonds“ vor. Kommt das bei den Unternehmen an?

Ja, die meisten Unternehmens finden beides gut, vor allem, weil es bürokratiearm daherkommt. Beim „Made-in-Germany-Bonus“ soll die Erstattung für Investitionen ja über eine Steuer-Gutschrift passieren. So soll auch ein Anreiz gesetzt werden, dass Unternehmen ihre Produktionsstätten in Deutschland halten und sie nicht ins Ausland verlagern, ähnlich dem „Inflation Reduction Act“ der Biden-Regierung in den USA. Ein Programm von der Größe und der Einfachheit des IRA kann auch in Deutschland gut funktionieren.

Die Wirtschaft ist dennoch in schweren Fahrwassern. Und mit den angedrohten Zöllen von Donald Trump dürfte die Situation nicht gerade leichter werden. Was schlagen Sie vor, um aus der Situation herauszukommen?

Die größte Herausforderung für die kommenden Jahre ist, wie gesagt, die Transformation Deutschlands und Europas zur Treibhausgasneutralität. Als die Schuldenbremse eingeführt wurde, konnte daran noch niemand denken. Insofern muss das Instrument dringend an die neuen Herausforderungen angepasst und mit der „goldenen Regel“ so reformiert werden, dass Investitionen in die Infrastrukturen und die Transformation finanziert werden können. Befragungen unter unseren Mitgliedern zeigen zudem, dass es zwei große Hemmnisse für eine gute wirtschaftliche Entwicklung gibt: den Mangel an Fach- und Arbeitskräften, die dringend benötigt werden und aus dem In- und Ausland mobilisiert werden müssen, und die Bürokratielast. Zudem müssen wir ein Mindset des Ermöglichens etablieren.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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