Wirtschaftswachstum: Warum die Steuerpläne der CDU Wunderglaube sind
Die Union verspricht Steuersenkungen, die vor allem die höheren Einkommensgruppen entlasten, und erhofft sich davon Wachstum. Doch dabei unterläuft ihr ein Denkfehler.
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Das Wachstum Deutschlands wird auch im Supermarkt entschieden, sagt Autor Gustav Horn.
Montagmorgen im Supermarkt. An der Kasse steht eine lange Schlange, die meisten Kund*innen haben aber meist nur ein Produkt im Einkaufswagen: billige Butter aus dem Sonderangebot. Was hat dies mit den Wahlprogrammen von CDU und SPD zu tun? Sehr viel, wenn man genauer hinschaut. Viele Menschen sehen sich gezwungen, Sonderangebote für alltägliche Lebensmittel wahrzunehmen. Denn es ist nicht zu bestreiten, dass die teilweise massiven Preissteigerungen bei Lebensmitteln tiefrote Spuren in den Geldbörsen auch der mittleren Einkommensschichten hinterlassen haben. Es ist daher eine der dringlichsten wirtschaftspolitischen Aufgaben, diesen Menschen wieder eine vernünftige Einkommensperspektive zu geben, die sie nicht mehr zwingt, Angeboten an Billigwaren hinterherzulaufen.
Beachtliches finanzielles Volumen
Wenn es denn – wie Umfragen andeuten – gerechtfertigt wäre, der CDU eine vergleichsweise hohe Wirtschaftskompetenz zuzubilligen, dann sollte sie mit ihren Vorschlägen diese Herausforderung bewältigen können.
Kernpunkte des CDU Sofortprogramms sind Steuersenkungen, die mehr Netto in den Taschen lassen sollen, sowohl bei den Privathaushalten über eine geringere Einkommenssteuer, als auch bei Unternehmen über geringere Unternehmenssteuern. Das finanzielle Volumen dieser Programme ist beträchtlich. Es geht je nach Berechnung allein bei der Einkommenssteuer um Beträge zwischen 50 (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, ZEW) und 110 Milliarden Euro (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, DIW). Das könnte die Geldbörsen der Haushalte spürbar auffüllen. Auch die Unternehmen hätten mehr Geld für Investitionen, wenn sie weniger Körperschaftssteuern zahlen würden.
Was gut klingt, muss nicht gut sein
Was gut klingt, muss aber noch lange nicht gut sein. Genau dies ist bei dem CDU-Programm der Fall. Es beginnt mit dessen Finanzierung. Woher sollen die hohen Summen kommen? Die von der CDU postulierten Kürzungen beim Bürgergeld dürften nicht einmal zehn Prozent der notwendigen Beträge ausmachen. Der Rest solle über zusätzliche Einnahmen des Staates durch Wachstum zustande kommen, sagt der Kanzlerkandidat der CDU. Das ist nichts weniger als ökonomischer Wunderglauben.
Das DIW schätzt, dass höchstens ein Drittel der Kosten durch Wachstum wieder hereinkommen können. Denn allenfalls die Körperschaftsteuer führt zu etwas höheren Investitionen. Die niedrigere Einkommenssteuer dürfte dagegen überhaupt keinen messbaren Effekt aufweisen, da das CDU-Konzept vor allem jene begünstigt, die über überdurchschnittliche Einkommen verfügen. Das sind aber gerade nicht diejenigen, die in der Schlange für günstige Butter stehen, sondern jene, die ihr Geld lieber sparen. Damit stimulieren sie zwar ihr Vermögen, aber nicht die Wirtschaft als Ganzes.
Nicht die höheren Einkommen beleben den Konsum
Auch die SPD will die Steuern senken, aber anders. Zunächst einmal sind die Entlastungen in der Summe mit rund elf Milliarden Euro deutlich geringer als bei der CDU. Das macht ihre Finanzierung realistischer und ihre Umsetzung wahrscheinlicher. Vor allem aber konzentrieren sich bei der SPD die Entlastungen auf die unteren bis mittleren Einkommensgruppen, also genau jene, die in der Schlange nach billigen Lebensmitteln stehen. Sie können jeden zusätzlichen Euro für ihre Einkäufe gebrauchen, geben ihn also aus, und beleben damit den Konsum. Die höheren Einkommen werden hingegen stärker belastet und tragen somit zur Finanzierung bei.
Noch wichtiger als eine geringere Steuerbelastung ist für die Menschen in der Schlange jedoch ein gut bezahlter und sicherer Job, mit dessen Gehalt sie sich teurere Lebensmittel leisten können. Das lässt sich nur erreichen, wenn Deutschland weiterhin in industrielle Zukunftstechnologien investiert und dort technologische Vorsprünge erreicht. Dann entstehen in diesen Bereichen und weit darüber hinaus gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze.
Bewährtes Konzept aus den USA
Deshalb will die SPD gezielte Investitionsprämien für zukunftsträchtige Investitionen in Deutschland („Made-in-Germany-Bonus“) zahlen. Dieses Konzept hat sich bereits in den USA bewährt und sollte auch hier funktionieren. Anders als bei den pauschalen Steuersenkungen der CDU, bei denen nicht klar ist, ob, wo und wie überhaupt investiert wird, löst das SPD-Konzept mit Sicherheit einen Impuls aus, an dessen Ende gute Arbeit für viele steht.
Wirtschaftskompetenz zeigt sich im Alltag. Die CDU verspricht viel, wird davon aber nur wenig halten können. Die SPD hat ein realistisches Konzept, das in eine Zukunft mit sicheren und gut bezahlten Arbeitsplätzen führt. Das wiederum produziert kürzere Schlangen im Supermarkt.
ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.