Meinung

Inflation und Energiekrise: Wie die Ampel schwere Aufgaben gelöst hat

In Folge des Krieges musste die Ampel-Regierung ihren wirtschaftspolitischen Kurs in diesem Jahr erheblich korrigieren. Dabei standen drei drängende Aufgaben im Vordergrund.
von Gustav Horn · 15. Dezember 2022
Die anhaltend hohe Inflation lässt auch die Preise für Lebensmittel stark ansteigen
Die anhaltend hohe Inflation lässt auch die Preise für Lebensmittel stark ansteigen

Der Blick zurück auf das Jahr 2022 fällt schwer und stimmt doch zuversichtlich. Es war auf der einen Seite ein Jahr, in dem die Gewissheit von Frieden in Europa endgültig zerstört wurde. Zugleich zerbrach die Hoffnung, dass Handel zum wechselseitigen Vorteil eine solide Grundlage sei, um früher oder später auch demokratischen Grundwerten in Staaten wie Russland, die autokratische Züge aufweisen, zum Durchbruch zu verhelfen. Auf der anderen Seite zeigt sich, dass unsere Demokratien in einer solchen Notlage fähig sind, nicht nur ihren Kurs rasch dramatisch zu ändern, sondern auch dafür zu sorgen, dass die Lasten dieser Krise von allen gemeinsam und solidarisch mit wechselseitigem Respekt getragen werden. Das stimmt zuversichtlich.   

Krieg macht Kurskorrektur erforderlich

Die Zeitenwende des versuchten Einmarsches Russlands in die Ukraine machte erhebliche wirtschaftspolitische Kurskorrekturen erforderlich und stellte darüberhinaus die Wirtschaftspolitik vor zum Teil völlig neue Herausforderungen. Die Kurskorrektur war nötig, da anders als noch im Wahlprogramm der SPD und im Koalitionsvertrag gedacht, nicht ein Mangel an Nachfrage das große Problem ist, sondern ein unzureichendes Angebot, vor allem an Energie.

Dies hat zu einer massiven Beschleunigung einer wegen Lieferkettenproblemen ohnehin schon erhöhten Inflationsrate geführt. Diese bewirkt nichts Geringeres als einen Wohlstandsverlust breiter Bevölkerungsschichten. Sie vernichtet Kaufkraft, in dem ein größerer Teil des Einkommens für den Kauf von Energie verwendet werden muss. Dieser fließt zum größten Teil ins außereuropäische Ausland, so dass weniger für andere Käufe zur Verfügung steht. Dabei darf nicht verschwiegen werden, dass einige Unternehmen versuchen, den allgemeinen Preisanstieg zur Ausdehnung ihrer Gewinnmargen zu nutzen und damit den Wohlstandsverlust anderer noch zu erhöhen. Es geht also auch um einen Verteilungskampf. So werden weitere Preissteigerungen geschürt und die Last all jener, die keine Macht haben, Preise zu erhöhen, wird beschwerlicher.     

Drei drängende Aufgaben der Regierung

Damit stellen sich der Regierung drei drängende Aufgaben zur gleichen Zeit. Erstens, sie muss alles tun, um die Angebotsknappheit an Energie zu mildern. Zweitens, sie muss den Wohlstandsverlust breiter Bevölkerungskreise in Grenzen halten und drittens, sie muss den Verteilungskampf eindämmen, um keine verfestigte Inflationsspirale entstehen zu lassen.  

Das ist der Hintergrund für die vielfältigen und kaum noch überschaubaren Maßnahmen, die die Bundesregierung in den vergangenen Monaten ergriffen hat. Es ist ein anspruchsvoller Dreiklang aus investiver Angebotspolitik, gezielter Nachfragestützung und kooperativer Einkommenspolitik. 

Die Angebotspolitik besteht im Kern aus beschleunigten Investitionen in Erneuerbare Energien und in eine Infrastruktur, die für eine begrenzte Zeit deutliche höhere Gaslieferungen von anderen Anbietern als Russland ermöglicht. Zugleich werden die Anreize zum Einsparen von Gas und zum Wechsel auf erneuerbare Energieträger verstärkt. Dem dienen Förderungen, aber auch die höheren Preise für die fossilen Energieträger.

Einkommen vor Inflation schützen

Das belastet die Einkommen und Einkünfte bis weit über den mittleren Bereich hinaus in untragbarer Weise. Daher hat die Regierung über direkte Zuwendungen oder den Erlass der Abschlagszahlungen für Dezember die Einkommen gestützt. Vor allem aber werden Haushalte und Unternehmen durch die Gas- und die Strompreisbremse zumindest bis zum Frühjahr 2024 vor allzu dramatischen Preissteigerungen geschützt. Mit den Preisbremsen werden zudem völlig neue Instrumente angewendet, um in einer Zeit dramatischer Umbrüche einkommensschwächere Haushalte zu schützen und Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten. Das Gros der Mittel wird leider pauschal, ohne Rücksicht auf die Einkommen, verteilt. Auch Wohlhabendere profitieren also. Aber dies war technisch in der Kürze der Zeit nicht anders lösbar. Nichts zu machen ist aber keine Alternative, denn ohne diese Instrumente bestünde die Gefahr einer schweren Wirtschaftskrise. Diese würde vor allem die wirtschaftlich Schwachen treffen.

Bei alldem gilt es auch noch Verteilungskämpfe zu verhindern, die ebenfalls vor allem die Schwachen in unserer Gesellschaft belasten und die Inflation beschleunigen würden. Deshalb hat die Bundesregierung die Tarifparteien zu einer Konzertierten Aktion eingeladen, bei der ein abgestimmtes Verhalten für die Lohn- und Preisentwicklung diskutiert wird. Mit ihrer Entscheidung, Einmalzahlungen bis zu 3.000 Euro steuerfrei zu stellen, hatte die Bundesregierung ihrerseits schon einen wesentlichen Beitrag erbracht, um die Tarifauseinandersetzungen zu mäßigen und den Druck auf Löhne und Preise zu mildern.

Das alles reicht für mehr als ein Jahr. Vor allem aber reicht es, um den anstehenden Umbruch mit Zuversicht und Respekt  annehmen zu können. Vielleicht wird 2023 ja ein leichteres Jahr.

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Gustav Horn

ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen. Er gründete und war von 2005 bis 2019 wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

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