Aus für Deutschland-Ticket: „Eine Katastrophe für den ÖPNV in Deutschland“
Das Deutschland-Ticket ist ein Erfolgsmodell. Doch nun droht ihm das Aus. Isabel Cademartori, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, warnt davor und fordert die Union zu Gesprächen auf.
IMAGO / Sabine Gudath
13 Millionen Menschen nutzen das Deutschland-Ticket für derzeit 49 Euro im Monat.
Das Deutschland-Ticket bietet die Flexibilität, überall in Deutschland spontan den Nahverkehr zu nutzen. Warum sollte man das wieder abschaffen wollen?
Es gibt keine guten Gründe. Niemand kann ernsthaft widerlegen, dass das Deutschland-Ticket ein riesiger Erfolg ist und in jeder Hinsicht ein Fortschritt für den öffentlichen Nahverkehr, weil es einfach, deutschlandweit gültig und digital ist. Diesen Fortschritt sollte man nicht zurückdrehen.
Isabel
Cademartori
Niemand kann ernsthaft widerlegen, dass das Deutschland-Ticket ein riesiger Erfolg ist.
Welche Auswirkungen hat das Ampel-Aus konkret für das Deutschland-Ticket?
Wir haben die zehnte Änderung des Regionalisierungsgesetzes noch auf dem Tisch liegen. Das ist die Umsetzung einer Verabredung, die es zwischen den Ministerpräsidenten und der Bundesregierung gab. Da geht es um die Finanzierung des Deutschland-Tickets und die Übertragung von Restmitteln, die im ersten Jahr des Deutschland-Tickets nicht genutzt wurden. Sie bilden die Finanzierungsgrundlage für die Berechnung der Länder in diesem und im nächsten Jahr. Die Länder haben eine Preiserhöhung auf 58 Euro im Monat beschlossen, aber auf der Basis, dass sie dieses Geld zur Verfügung haben würden. Wenn das nicht beschlossen ist, ist es maximal unklar, ob die Verkehrsverbünde dieses Ticket weiter anbieten können und werden. Sobald Verkehrsverbünde anfangen auszusteigen, ist es kein Deutschland-Ticket mehr.
Die Übertragung von Restmitteln klingt für Laien eher nach einer Formalie. Wer hat ein Interesse daran, dagegen zu stimmen?
Es sollte eigentlich nicht so schwer sein, da mitzustimmen. Es geht im Kern aber auch darum, das Deutschland-Ticket dauerhafter zu verankern. Das ist für manche ein etwas kontroverserer Punkt. Wir hören aus Bayern Stimmen, der Bund solle das Deutschland-Ticket komplett bezahlen.
Isabel
Cademartori
Ich will von den Ländern und der CDU ein Bekenntnis dazu, dass sie das Deutschland-Ticket erhalten und für die Zukunft sichern wollen.
Was entgegnen Sie dieser Forderung von Markus Söder?
Ich will von den Ländern und der CDU ein Bekenntnis dazu, dass sie das Deutschland-Ticket erhalten und für die Zukunft sichern wollen. Es gibt Verabredungen zwischen der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten über eine Aufteilung der Kosten. Wir sind im Kern gesprächsbereit über ganz viele Dinge. Nur müssen wir erst mal überhaupt darüber reden.
Für wie gefährdet halten Sie das Deutschland-Ticket aufgrund dessen?
Ich halte es für sehr gefährdet, weil es nicht nur darum geht, ein Finanzloch im Januar zu stopfen. Die Bundestagswahl ist Ende Februar. Dann dauert es noch mal, bis eine neue Regierung sich konstituiert und man ins Arbeiten kommt. Demnach könnte es frühestens im Frühsommer eine Lösung für diese Thematik geben. Ich weiß nicht, ob die Länder bis dahin die Defizite ausgleichen können oder es überhaupt wollen. Dadurch kann es dazu kommen, dass verschiedene Verkehrsverbünde aussteigen. Der andere Weg mit dem Finanzloch umzugehen wäre, den Preis noch mal zu erhöhen, aber dann kommen wir in Regionen, in denen für viele Verbünde das Deutschland-Ticket nicht mehr attraktiv ist, weil ihre Monatskarten billiger sind.
Isabel
Cademartori
Man kann Friedrich Merz eine E-Mail schreiben oder seinen lokalen Abgeordneten und sie auffordern, dass sie sich an den Verhandlungstisch setzen und mit uns über die Zukunft des Deutschland-Tickets reden sollen.
Was kann man tun, um das Deutschland-Ticket zu retten?
Man muss uns sehr klar dabei unterstützen und der CDU signalisieren, dass wir alle das Deutschland-Ticket behalten wollen. Man kann Friedrich Merz eine E-Mail schreiben oder seinen lokalen Abgeordneten und sie auffordern, dass sie sich an den Verhandlungstisch setzen und mit uns über die Zukunft des Deutschland-Tickets reden sollen. Und natürlich kann man SPD wählen.
Wäre ein Aus für das Deutschland-Ticket im Grunde nicht auch ein Wahlkampfgeschenk der Union an die SPD?
Wenn sie sich weigern, mit uns darüber zu sprechen und dieses Regionalisierungsgesetz auf den Weg zu bringen, wird es ein Wahlkampfthema werden. Doch wir wollen nicht, dass es erst kaputt geht und wir es dann reparieren müssen. Das ist erfahrungsgemäß teurer und schwieriger. Es wäre eine größere Katastrophe für den ÖPNV, wenn es das Deutschlandticket nicht mehr gäbe. Deswegen wollen wir dieses Projekt retten und bieten der Union die ganze Zeit Gespräche an.
Vor einigen Monaten gab es die Vereinbarung, den monatlichen Preis für das Deutschland-Ticket im kommenden Jahr auf 58 Euro zu erhöhen. Aber müsste der Preis nicht langfristig eher sinken, um das Ticket noch attraktiver zu machen?
Die Zukunft des Deutschland-Tickets wird jenseits der akuten Finanzierungsfrage sicherlich Teil der Wahlauseinandersetzung sein. Gibt es noch Ermäßigungen und Mitnahmeregelungen, die man sich vorstellen könnte? Kann man noch stärker mit anderen Angeboten wie Ruftaxis oder Rufbussen verbinden, damit es auch für den ländlichen Raum attraktiver wird? Wir sind jetzt etwas schneller im Wahlkampf, als wir erwartet hatten. Deswegen kann ich jetzt noch kein fertiges Wahlprogramm vorlegen. Aber die Frage des Preises und wie er sich in Zukunft bildet, wird sicherlich eine sein, die auch uns im Wahlkampf beschäftigt.
Eine Kritik am Deutschland-Ticket ist immer wieder auch, dass dadurch Mittel zum Ausbau des ÖPNV fehlen. Wie kann man beides künftig sicherstellen?
Der Kanzler hat in seiner Regierungserklärung am Mittwoch und auch an verschiedenen anderen Stellen klargemacht, dass es ihm darum geht, unsere Infrastruktur gut auszufinanzieren und das nicht im Gegensatz zu setzen zu anderen Aufgaben wie Verteidigung. Das muss Teil einer größeren Lösung sein, weil die Frage der Infrastruktur, des Angebots im öffentlichen Nachverkehr, der Schieneninfrastruktur, aber auch der Brücken und Straßen, wird sich jede künftige Regierung stellen müssen. Mit der Schuldenbremse, wie sie jetzt ist, ist das nicht zu lösen.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo