Regierungserklärung: Warum Olaf Scholz für Kompromisse wirbt
In seiner Regierungserklärung hat Bundeskanzler Olaf Scholz das Ende der Ampel-Koalition als richtigen Schritt bezeichnet. Für die Zeit bis zur Neuwahl rief er die Union zur Zusammenarbeit auf – und warf bereits einen Blick auf den Tag danach.
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Regierungserklärung von Olaf Scholz nach dem Ampel-Aus: „Diese Entscheidung war richtig und unvermeidbar.“
Es ist eine Situation, die es so bisher nur selten gegeben hat in der Geschichte der Bundesrepublik: ein Bundeskanzler, der keine Mehrheit im Parlament hat. Seit einer Woche ist genau das der Zustand in Deutschland, nachdem Olaf Scholz am Mittwochabend den Bundespräsidenten gebeten hatte, Finanzminister Christian Lindner zu entlassen und die FDP die Koalition daraufhin aufgekündigt hatte.
Scholz: „Die Bundesregierung ist im Amt.“
„Diese Entscheidung war richtig und unvermeidbar“, betont Olaf Scholz am Mittwoch im Plenum des Bundestags. Er hält eine Regierungserklärung „zur aktuellen Lage“, wie es in der Tagesordnung heißt. Die fasst Scholz zu Anfang seiner halbstündigen Rede so zusammen: „Ich werde die Vertrauensfrage am 11. Dezember beantragen, so dass der Bundestag am 16. Dezember darüber entscheiden kann.“ Die Neuwahl des Bundestags soll dann am 23. Februar kommenden Jahres stattfinden. Darauf haben sich die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und CDU/CSU am Dienstag mit dem Bundespräsidenten verständigt.
„Bis dahin“, stellt Olaf Scholz in seiner Rede klar, „ist die Bundesregierung im Amt“. Sie habe zwar keine eigene Mehrheit, aber „wir können handeln“. So will Scholz noch in diesem Jahr mit Änderungen am Steuerrecht dafür sorgen, dass die sogenannte kalte Progression nicht ab Januar die Lohnsteigerung von Millionen Beschäftigten auffrisst. „Das würde die hart arbeitende Mitte unseres Landes treffen“, betont der Kanzler.
Auch die Erhöhung des Kindergelds und des Kinderzuschlags will Scholz noch auf den Weg bringen. Das Bundesverfassungsgericht soll per Grundgesetzänderung gestärkt werden. Darauf hatte sich die Ampel bereits mit der CDU/CSU-Fraktion verständigt. In seiner Rede appelliert der Kanzler deshalb an Oppositionsführer Friedrich Merz: „Lassen Sie uns da, wo wir einig sind, auch einig handeln. Es wäre gut für unser Land.“
Ukraine kann sich weiter auf Deutschland verlassen
Dann kommt Scholz auf die Ukraine zu sprechen, wo nach dem Wahlsieg von Donald Trump die Sorge umgeht, keine Unterstützung mehr aus den USA zu erhalten. „Die Ukraine kann sich weiter auf unser Land und unsere Solidarität verlassen“, betont der Kanzler. Diese Unterstützung müsse allerdings so erfolgen, dass Deutschland nicht selbst Kriegspartei werde. „Deshalb werde ich meine Haltung nicht ändern, was die Lieferung eines Marschflugkörpers aus Deutschland betrifft“, stellt Scholz klar. Die Forderungen nach eine Taurus-Lieferung begleitet die Koalition seit Anfang des Jahres. „Ich gehe keine unkalkulierbaren Risiken ein für unser Land“, stellte Scholz klar.
Auch dürfe die Unterstützung der Ukraine nicht dazu führen, dass es zu finanziellen Einschnitten in Deutschland komme. „Soll die Unterstützung der Ukraine finanziert werden auf Kosten von Dingen, die für die Zukunft unseres Landes entscheidend sind?“, fragt Scholz in seiner Regierungserklärung rhetorisch. „Meine Antwort lautet Nein!“ Auch Einschnitte bei der Rente lehne er klar ab. „Dieses Entweder-Oder mache ich nicht mit“, verspricht Schlolz, denn genau das nutze den Populist*innen und Extremist*innen.
„Es gibt auch einen Tag nach dem Wahlkampf.“
Wohin so etwas führe, könne man in den USA beobachten. Das Land sei tief gespalten, Risse verliefen durch Freundeskreise und Familien. „Wir müssen als Demokraten dafür sorgen, dass es soweit nicht kommt“, appelliert der Kanzler an die demokratischen Parteien im Bundestag. „Der Weg des Kompromisses“ bleibe deshalb der einzig richtige – auch nach der Bundestagswahl im Februar. „Es gibt auch einen Tag nach dem Wahlkampf, einen Tag nach der Bundestagswahl“, erinnert Olaf Scholz. An diesem Tag müssten sich die Konkurrenten an einen Tisch setzen, um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. „Dann“, so Scholz, „zählen nicht Polarisierung und Profilierung, sondern Kooperation und Kompromisse“.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.