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Gegen Überforderung: Wie die SPD den Sozialstaat einfacher machen will

Der Sozialstaat in Deutschland ist leistungsstark, aber oftmals zu kompliziert. Die SPD-Bundestagsfraktion will das ändern. Gute Beispiele gibt es bereits einige.

von Vera Rosigkeit · 6. Juni 2024
Häufig bedeutet der Sozialstaat viel Papierkram. Digitale Produkte wie das E-Rezept können das ändern.

Häufig bedeutet der Sozialstaat viel Papierkram. Digitale Produkte wie das E-Rezept können das ändern.

Eine Situation der Überforderung, wer kennt das nicht? Laut Dagmar Schmidt erleben sie viele Menschen im Alltag, denn schon das ganz normale Leben in Deutschland zu organisieren, kann zur Herausforderung werden. Vor allem, wenn etwas Besonderes hinzukomme wie Krankheit, Pflege oder Arbeitslosigkeit. „Dann stößt man schnell an seine Grenzen und muss darüber hinausgehen“, sagt die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagfraktion. Dabei halte der Sozialstaat gute Leistungen vor: Nur wüssten viele oft nicht, dass es diese Leistungen gebe oder „es gibt hohe Hürden, die sie daran hindern, diese Leistungen zu beantragen“.

Grundrente als Vorbild

Die SPD will das ändern, das Leben soll leichter werden, der Sozialstaat einfacher, seine Leistungen verständlicher. Als gutes Beispiel hierfür nennt Schmidt am Mittwochabend auf der Fachveranstaltung ihrer Fraktion „für einen bürgerfreundlichen Sozialstaat“ die Grundrente. Obwohl es sich hierbei um einen individuellen Zuschlag zur Rente handele, müsse dieser nicht beantragt werden. Wenn Anspruch bestehe, zahle die Rentenversicherung den Zuschlag automatisch mit der Rente aus. 

Das allerdings sei anstrengend gewesen, „ein politischer Kompromiss im Datenaustausch zwischen Rentenversicherung und Steuerbehörden, die Länderverwaltungen sind“, räumt Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ein. „Bei der Einführung gab es vor allem einen Bürokratiediskurs von rechts“, betont er. Trotzdem sei es richtig, Menschen, die langjährig versichert sind, „einen ordentlichen Abstand zur Grundsicherung“ zu gewähren. Nicht gewollt habe man allerdings, „dass eine Dame, die 90 Jahre alt ist, mit ganz viel Unterlagen zum Amt muss“.

Vorsorgende Sozialpolitik gewünscht

Grundsätzlich ist Heil allerdings davon überzeugt, dass der Sozialstaat zu nachsorgend sei. „Besser wäre es vorsorgende Sozialpolitik zu betreiben“, betont er. Als Beispiel nennt er die 1,6 Millionen jungen Menschen zwischen 20 und 29 Jahren ohne berufliche Erstausbildung. Nachsorgend versuche man ihnen durch Qualifizierung dauerhaft eine Chance auf Arbeit zu geben. Besser wäre es, dieser Entwicklung vorzubeugen durch eine bessere Berufsorientierung oder der frühen Förderung von Kindern im Schulsystem. Heil plädiert für mehr Prävention, auch mit Blick auf den Wandel in der Arbeitswelt. „Arbeitslosigkeit vermeiden bevor sie entsteht“, so sein Credo. Weiterbildung ist hier die Lösung.

Ein Sozialstaat, der vorsorgend und präventiv arbeitet, auch das gehört zum Grundtenor des von der Bundestagsfraktion bereits im Januar beschlossenen Positionspapiers „Das Leben leichter machen – Der Sozialstaat als Partner“. Darin wird ein Sozialstaat gefordert, „der sich an denen orientiert, die ihn brauchen. Sie sollen Leistungen einfach und unbürokratisch erhalten. Das gilt auch für „Leistungen einer präventiv wirkenden und flächendeckenden, guten Gesundheitsversorgung“.

Künstliche Intelligenz und Gesundheit

Hier verspricht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit der elektronischen Patientenakte eine bessere medizinische Versorgung. Es mache das Leben leichter, wenn alle Befunde, ob Laboruntersuchung oder Operationsberichte, bei jedem Arztbesuch „schon da“ seien, erklärt er. Leichter werde das Leben auch dadurch, „indem wir die Befunde erklärbar machen“. Dabei spielt für Lauterbach Künstliche Intelligenz eine große Rolle. Sie könne „einen super komplizierten Bericht so erklären, das man den versteht“. Auch für viele Routineangelegenheit müsse man künftig nicht mehr die Arztpraxis aufsuchen, sagt er. Beispielhaft nennt er die Verlängerung des elektronischen Rezepts oder der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Auf Initiative der SPD wurde bereits im Koalitionsvertrag vereinbart, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzurichten, um Vorschläge zu erarbeiten, wie das Leben leichter werden könne. Mit der Grundrente, der Bürgergeldreform, Weiterbildungsförderung für Beschäftigte aber auch mit dem jüngst eingeführten Klinik-Atlas hat die Fraktion bereits konkrete Maßnahmen umgesetzt.

Leben leichter machen stärkt Demokratie

Eine Querschnittsaufgabe in der eigenen Gesetzgebung, sagt Dagmar Schmidt. Man sehe, dass die Digitalisierung eine Chance sei, das Dinge einfacher werden können, wisse aber auch, dass dies nicht automatisch passiere,  vielmehr „müssen dafür Voraussetzungen geschaffen werden“, betont sie.

Doch wolle die SPD-Bundestagsfraktion „dicke Bretter bohren“. Auch weil die Erfahrung, dass die Dinge nicht einfach funktionieren, „das Vertrauen in unseren Staat“ mindere, sagt Schmidt. Für sie sei es ein „Beitrag zur Stärkung unserer Demokratie, unseren Sozialstaat und unsere Verwaltung bürgerfreundlicher zu machen“.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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