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Zahlen und Fakten: So sieht die Bilanz nach einem Jahr Bürgergeld aus

Seit einem Jahr gibt es das Bürgergeld. Seitdem reißt die Kritik an dem Nachfolge-Modell von Hartz-IV nicht ab. Dass sie unbegründet ist, belegen die Fakten.

von Vera Rosigkeit · 4. Januar 2024
Seit einem Jahr gibt es das Bürgergeld, zum 1. Januar 2024 wurde es erhöht

Seit einem Jahr gibt es das Bürgergeld, zum 1. Januar 2024 wurde es erhöht 

Seit wann gibt es Bürgergeld?

Das Bürgergeld-Gesetz trat am 1. Januar 2023 in Kraft. Mit ihm hat die SPD ein Versprechen aus dem Wahlkampf 2021 umgesetzt, um das Hartz-IV-System hinter sich zu lassen.

Grundsätzlich erhält Bürgergeld, wer erwerbsfähig ist und seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen decken kann. Das kann verschiedene Gründe haben. Wer bis vor Inkrafttreten des Gesetzes Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld hatte, hat seit dem vergangenen Jahr Anspruch auf Bürgergeld.

Wie viele Menschen erhalten Bürgergeld?

Im August 2023 gab es laut Bundeagentur für Arbeit rund 5,6 Millionen Leistungsberechtigte in der Grundsicherung für Arbeit nach SGB II. Sie erhielten Bürgergeld. Davon waren mehr als 3,9 Millionen erwerbsfähig und knapp 1,6 Millionen nicht erwerbsfähig.

Von den 3,9 Millionen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (ELB) sind zwei Millionen Frauen und 1,9 Millionen Männer. 2,5 Millionen sind zwischen 25 und 55 Jahren alt, 730.000 unter 25 und 750.000 älter als 55 Jahre.

Wer sind die Menschen hinter dem Bürgergeld?

Von den weniger als 1,6 Millionen nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sind mehr als 1,5 Millionen unter 15 Jahre alt, knapp 50.000 sind 15 Jahre und älter.

Mehr als 1,7 Millionen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sind arbeitslos. Deutlich mehr, insgesamt 2,2 Millionen sind nicht arbeitslos. Sie befinden sich in arbeitspolitischen Maßnahmen, in Ausbildung oder Arbeitsunfähigkeit, in Pflege oder Erziehung oder in Sonderregelungen für Ältere. 

Knapp 800.000 der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten befinden sich in Erwerbstätigkeit. Davon zehn Prozent in Vollzeit.

Mehr als 1,8 Millionen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sind nicht deutscher Herkunft. Die größte Gruppe unter den nicht deutschen Bürgergeldempfänger*innen mit mehr als 700.000 bilden Geflüchtete aus der Ukraine.

Wie hoch ist das Bürgergeld?

Das Bürgergeld ist zum 1. Januar 2024 gestiegen. Alleinstehende erhalten nun 563 Euro. Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren erhalten 471, für Kinder vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres werden 390 Euro gezahlt. Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres erhalten 357 Euro.

Wie wird die Höhe berechnet?

Wer Bürgergeld erhält, erhält einen Bürgergeld-Regelsatz und die Kosten für die Unterkunft.

Der Regelsatz für das Bürgergeld orientiert sich am Existenzminimum. Zur Berechnung wird neben der Preis- und Lohnentwicklung zusätzlich auch die aktuelle Inflation stärker berücksichtigt. 

Ist das Bürgergeld höher als ein Vollzeitjob nach Mindestlohn? 

Nein. Das haben Berechnungen des Sozialexperten Eric Seils vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung ergeben. Seils hat für verschiedene Haushaltskonstellationen berechnet, wie hoch das verfügbare Einkommen mit Erwerbsarbeit zum Mindestlohn im Vergleich zum Bezug von Bürgergeld ausfällt. Danach haben Alleinstehende, die in Vollzeit zum Mindestlohn arbeiten, 2024 pro Monat ein um 532 Euro höheres Nettoeinkommen als alleinstehende Bezieher*innen von Bürgergeld. Bei Alleinerziehenden mit einem Kind beträgt der Unterschied zwischen 715 und 765 Euro, je nach Alter des Kindes. Bei Alleinerziehenden mit zwei Kindern sind es 939 bis 1001 Euro. Eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern, in der ein Elternteil zum Mindestlohn arbeitet und der zweite nicht erwerbstätig ist, hat netto zwischen 406 und 634 Euro mehr zur Verfügung als bei Bürgergeldbezug.

Ist die Anzahl der Empfänger*innen seit Einführung des Bürgergeldes gestiegen?

Ebenfalls nein. Der Wirtschaftswissenschaftler Enzo Weber wies in einem Beitrag für das Online-Magazin „Makronom“ darauf hin, dass die monatlichen Zugänge „aus Beschäftigung in die Grundsicherung (SGB-II-Arbeitslosigkeit) aktuell bis Oktober so niedrig wie noch nie“ seien. „Nach der Bürgergeldeinführung Anfang 2023 sind die Zugänge sogar weiter gesunken.“

Wo liegt der Unterschied zu Hartz-IV?

Beispiel: Karenzzeit

Im ersten Jahr des Leistungsbezugs gibt es eine sogenannte Karenzzeit. Vermögen wird erst dann herangezogen, wenn es höher als 40.000 Euro ist. Für jede weitere Person der Bedarfsgemeinschaft bleiben jeweils weitere 15.000 Euro geschützt. 

Beispiel: Freibeträge

Seit dem 1. Juli 2023 gelten folgende Freibeträge: Bei einem Einkommen zwischen 520 und 1.000 Euro dürfen 30 Prozent davon behalten werden. Junge Menschen dürfen das Einkommen aus Schüler- und Studentenjobs oder einer beruflichen Ausbildung bis zur Minijob-Grenze (derzeit 520 Euro) behalten. Einkommen aus Schülerjobs in den Ferien bleibt gänzlich unberücksichtigt.

Beispiel: Ausbildung vor Aushilfsjob 

Mit dem Bürgergeld wird die berufliche Weiterbildung stärker gefördert. Es gilt der Grundsatz „Ausbildung vor Aushilfsjob“. Wer einen Berufsabschluss nachholen will, bekommt seit dem 1. Juli 2023 für die Ausbildungszeit eine unverkürzte Förderung  – etwa für drei statt für zwei Jahre. Förderungen gibt es auch für den Erwerb von Grundkompetenzen wie Lese-, Mathematik- oder -IT-Fertigkeiten und berufsbezogenen Weiterbildungen.

Welche Sanktionen sind möglich?

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat Ende Dezember einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach der Regelsatz des Bürgergelds vollständig gestrichen werden kann, „wenn erwerbsfähige Leistungsberechtigte sich willentlich weigern, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen“. Das Bürgergeld soll dann laut Gesetzentwurf maximal zwei Monate entfallen.

Laut Bundesverfassungsgericht ist eine Streichung des Regelsatzes als Sanktion möglich, wenn die „Aufnahme einer angebotenen zumutbaren Arbeit“ abgelehnt wird. Nicht zulässig wäre eine Streichung jedoch, wenn lediglich Meldefristen versäumt oder Fortbildungsangebote abgelehnt werden.

In Härtefällen, etwa bei psychischen Beeinträchtigungen, darf das Bürgergeld nicht gestrichen werden. Auch bei einer Totalstreichung des Regelsatzes muss der Staat für die Miete weiter aufkommen, damit nicht die Wohnung verloren geht. 

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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2 Kommentare

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Do., 04.01.2024 - 12:49

Permalink

Leistung selbst der Entwicklung der Lebenshaltungskosten immer noch nicht schnell genug nachkommt. Daher muss auch unterjährig und kurzfristig reagiert und eine Leistungserhöhung erfolgen, wenn- wie gerade in diesen Tagen, die Kosten für Restaurantbesuche sowie für Energieträger drastisch erhöht werden, und eben nicht eingepreist sind in die zuvor beschlossene Erhöhung des Bürgergeldes.
Wir brauchen einen Zuschlag zum Bürgergeld schon aus den genannten Gründen. Besser noch wäre, die Leistungshöhe zum nächsten Quartalsbeginn neu festzustellen, so dass die Inflation so kurzfristig wie möglich ausgeglichen wird. Monatlich geht wohl nicht, aber quartalsweise- das sollte doch machbar sein.
Die jährlich Anpassung führt unterjährig zu einer Ausgrenzung und Reduzierung der teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Das gilt es zu vermeiden und so weit wir nur möglich zu verhindern. Daher. Bürgergelderhöhung jetzt!

Gespeichert von Jürgen Wellmann (nicht überprüft) am Fr., 05.01.2024 - 10:28

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Das Bürgergeld hat drei Auswirkungen:

1. es fehlen Arbeitskräfte, da viele Leute auch ohne Arbeit durchs Leben kommen
2. es ist ein Pull-Faktor, der viele Ausländer ins Land, und damit in unser Sozialsystem zieht
3. es belastet die arbeitenden Menschen, die das Bürgergeld durch ihre Steuern finanzieren müssen

Nichts davon können wir brauchen