Gaza-Appell: SPD-Fraktion fordert Wandel in Israel-Politik
28 Staaten haben in einem Appell an Israel gefordert, den Krieg in Gaza sofort zu beenden. Die SPD kritisiert: Deutschland hat sich der Initiative nicht angeschlossen. Steht ein neuer Koalitionsstreit bevor?
IMAGO / Xinhua
„Riviera des Nahen Ostens“? Nach eineinhalb Jahren Krieg sind mehr als 90 Prozent der Gebäude im Gaza-Streifen zerstört.
Die SPD-Fraktion hat die Bundesregierung zu einem Kurswechsel im Umgang mit Israel aufgerufen. Mit Blick auf einen Appell von 28 Staaten, die ein sofortiges Ende des Gazakriegs fordern, schrieb SPD-Fraktionschef Matthias Miersch am Mittwoch auf Facebook: „Deutschland sollte sich der Initiative Großbritanniens anschließen und hier nicht ausscheren.“ Wenn internationales Recht systematisch verletzt werde, müsse das Konsequenzen haben, so der SPD-Fraktionschef.
Deutschland trage eine besondere Verantwortung für das Existenzrecht Israels, aber auch für die Einhaltung des Völkerrechts und den Schutz der Palästinenser*innen. „Diese Verantwortung verpflichtet uns, auch in schwierigen Momenten auf die Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu drängen, so wie wir es auch in anderen Konflikten tun. Doppelte Standards untergraben unsere internationale Glaubwürdigkeit“, schrieb Miersch. Selbstverständlich müsse auch die Hamas alle Geiseln „unverzüglich und bedingungslos“ freilassen.
Wadephul: Deutschland ist parteiisch
Am Montag hatten die Außenminister von 28 Staaten, darunter Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich, Kanada und Schweden, gemeinsam mit einer EU-Kommissarin Israel aufgefordert, den Krieg in Gaza zu beenden. Doch Johann Wadephul (CDU) unterzeichnete den Appell nicht. Niemand könne von Deutschland verlangen, Israel im Stich zu lassen, sagte der Bundesaußenminister im Interview mit der „Zeit“. Israel werde vom Iran, von der jemenitischen Huthi-Miliz, der libanesischen Hisbollah und der Hamas bedroht. Wadephul nannte Deutschland explizit keinen „neutralen Mittler“, sondern „parteiisch“: „Wir stehen an der Seite Israels.“ Die Hamas würde sowohl Geiseln als auch die palästinensische Bevölkerung in Gaza instrumentalisieren.
Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) verteidigte die Entscheidung Wadephuls am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. Der Appell stelle die Chronologie des Kriegs nicht deutlich genug dar, sagte Frei. So müsse klargestellt werden, dass der Krieg mit dem „Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023“ begonnen habe und dass die Hamas immer noch Geiseln gefangen halte.
SPD-Fraktion
„Wir haben den viel beschworenen ,point of no return‘ erreicht“
Bundeskanzler Friedrich Merz verwies auf eine Erklärung des Europäischen Rats, die Deutschland Ende Juni unterstützt habe. Der Appell und die Erklärung seien „praktisch inhaltsgleich“, so Merz. Die Forderungen der SPD wertet der Bundeskanzler nicht als Meinungsverschiedenheit innerhalb der Koalition. „Ganz im Gegenteil: Die Aufforderung an die israelische Regierung, diese massiven Bombardements des Gazastreifens sofort zu beenden und humanitäre Hilfe zu ermöglichen, sind gemeinsame Politik der Koalition in Berlin", sagte Merz.
Völkerrechtliche Verantwortung aus dem Grundgesetz
Die SPD-Fraktion will aber über bisherige Aufforderungen hinausgehen. In einem gemeinsamen Statement forderten der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Adis Ahmetović und der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich am Dienstag ausdrücklich, dass sich Deutschland dem Appell anschließe. „Die Berichte über verhungerte Kinder und eine rapide eskalierende Hungersnot zeigen: Wir haben den viel beschworenen ,point of no return‘ erreicht“, schrieben die beiden in ihrer Erklärung.
Die Lage in Gaza sei katastrophal und stelle einen „humanitären Abgrund“ dar, die völkerrechtswidrige Besatzung und Missachtung von Menschenrechten ließen „keinen politischen Interpretationsspielraum“ mehr zu. Die SPD-Fraktion forderte die Bundesregierung auf, Kooperationen mit Israel auszusetzen und keine Waffen mehr zu liefern, die Israel völkerrechtswidrig einsetze. Das sei notwendig, „um unsere völkerrechtliche Verantwortung, die in unserem Grundgesetz verankert ist, konsequent zu erfüllen“, so Ahmetović und Mützenich.
CDU: Appell stellt Kriegsverlauf falsch dar
Dirk Wiese, erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, sagte am Mittwoch, die schwarz-rote Bundesregierung habe eine „einheitliche Haltung zur verheerenden Situation in Gaza“. „Aber dieser Initiative hätte man sich gut anschließen können“, kommentierte Wiese den Appell und verwies auf einen Parteitagsbeschluss der SPD, der ebenfalls die Einhaltung des Völkerrechts im Gazastreifen gefordert hatte. Man sei mit dem Bundesaußenminister zur Frage, warum sich Deutschland dem Appell nicht angeschlossen hatte, im Austausch.
Aus der Bundesregierung kritisierte Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD), dass sich Deutschland nicht an dem Appell beteilige. „Ich hätte mir gewünscht, dass Deutschland sich dem Signal der 29 Partner anschließt“, sagte Alabali Radovan der „Rheinischen Post“.
Sind die SPD-Forderungen einseitig?
Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, nannte die Forderungen der SPD-Fraktion „einseitig“ und kritisierte insbesondere den Aufruf zum Stopp der Waffenexporte. „Man darf die dringend notwendige Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung nicht gegen Israels Sicherheit und die Freilassung aller Geiseln ausspielen. Hier hat uns die Erklärung mehrerer SPD-Abgeordneter gestern erheblich irritiert“, teilte Beck in einem Statement mit. Ein Ende des Krieges würden sich alle wünschen. „Doch wer Israel allein für Krieg und Hunger verantwortlich macht, macht es sich zu einfach.“ Stattdessen wäre der Krieg beendet, wenn die Hamas ihre Waffen niederlegt und die Geiseln freilässt.
Für die unzureichende humanitäre Hilfe machte Beck die UN-Hilfswerke verantwortlich. „Dass die Hilfswerke außerdem nicht in der Lage zu sein scheinen, humanitäre Hilfe in einer Art und Weise zu verteilen, dass sie nicht am Ende bei der Hamas landet, zeigt, wie krank das System seit vielen Jahren ist.“ Beck forderte, nicht zuzulassen, dass die Hamas weiter die herrschende Kraft im Gazastreifen bleibe. „Es braucht jetzt schnelle Hilfe für die Zivilbevölkerung in Gaza – an der Hamas vorbei.“
Warnungen vor Massenhungersnot in Gaza
Der Gazakrieg jährt sich im Oktober zum zweiten Mal. Am Mittwoch haben mehr als 100 Hilfsorganisationen vor der Ausbreitung einer Massenhungersnot gewarnt. Die Uno wirft Israel vor, seit Beginn der Arbeit der Hilfsorganisation Gaza Humanitarian Foundation (GHF) mehr als 1000 Palästinenser*innen getötet zu haben, während diese versuchten, sich Nahrungsmittel zu verschaffen. Mehrere Organisationen werfen Israel vor, die humanitäre Arbeit lahmzulegen, indem sie keinen Zugang zu den Menschen in Gaza bekommen. Im Gazastreifen wurden seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 fast 60.000 Menschen getötet und fast 140.000 verletzt.
Gaza
Vergesst die Westbank nicht !
Der "Apell" ist m.M. so windelweich, daß ihn auch die Bundesregierung hätte unterzeichnen können. Wurde Zeit bei der SPD aufzuwachen. Das israeliche Regime masakriert und bombardiert aber auch völkerrechtswidrig im Libanon, Syrien etc.
Moralinistische Bedenken aus der grünen Verkommenheit sind zurück zu weisen.
Gaza-Appell
Die Bundesregierung sollte auf die Forderung der SPD eingehen und auch keine Waffen mehr an Israel liefern. Sonst macht sich Deutschland an diesem Genozid, den Netanjahu gegenüber den Palästinensern praktiziert, mitschuldig.
Nur aus Rücksicht auf die unselige Vergangenheit darf Deutschland in diesem Fall nicht auf eine rücksichtslose völkerrechtswidrige Ausrottung eines anderen Volkes nachgeben.