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Strategisches Wählen: Warum Stimmen an Kleinstparteien verschenkt sind

Umfragen zeigen: Die AfD könnte bei der Bundestagswahl so gut abschneiden wie nie. Viele Wahlberechtigte wollen strategisch wählen, um den Erfolg der Rechtsaußen-Partei zu schmälern. Wie sollte man vorgehen?

von Lea Hensen · 18. Februar 2025
Abstimmung bei der Bundestagswahl per Brief: 12 Gründe für Frauen, die SPD zu wählen

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Die AfD könnte bei der Bundestagswahl am Wochenende ihr bestes Ergebnis aller Zeiten einfahren. Viele Wähler*innen möchten das verhindern und die in Teilen rechtsextreme Partei durch taktisches Wählen schwächen. Als Beispiel wird oft die vergangene Landtagswahl in Brandenburg genannt: Viele Anhänger*innen anderer Parteien wählten Ende September 2024 die SPD und verhalfen ihr zum knappen Wahlsieg vor den Rechtsextremen.  

Keine Kleinstparteien wählen

Einige Wähler*innen, denen die Entscheidung zwischen den herkömmlichen Parteien schwerfällt, liebäugeln damit, ihre Stimme progressiven Kleinstparteien wie Volt, der Piratenpartei oder der Tierschutzpartei zu geben. Das macht diesmal allerdings gar keinen Sinn. 

Während kleine Parteien bei der Europawahl mit wenigen Prozentpunkten in EU-Parlament kommen, haben sie bei der Bundestagswahl 2025 meist gar keine Chance, in den Bundestag zu ziehen – allein Volt erhielt bei der Bundestagswahl 2021 gerade einmal 0,4 Prozent und war damit weit von der Fünf-Prozent-Hürde entfernt. Die Stimmen werden also verschenkt – und kommen somit der AfD zugute. 

Viele Kleinstparteien liegen außerdem eher im progressiven Lager, nehmen also nicht den Mitte-Rechts-Parteien, sondern den etablierten Mitte-Links-Parteien SPD, Grüne und Linke die Stimmen weg. Kommen sie nicht in den Bundestag, wächst der Anteil an Parlamentssitzen für die AfD.

Fazit: Stimmen für eine Kleinstpartei sind zwar weiterhin Ausdruck des Wählerwillens und können diese Partei auch finanziell unterstützen. Strategisch gesehen macht es jedoch bei dieser Bundestagswahl mehr Sinn, darauf zu achten, dass die mit der Zweitstimme gewählte Partei auch eine Chance hat, wirklich in den Bundestag zu kommen. Denn: Je mehr demokratische Abgeordnete im Bundestag sitzen, desto geringer ist der Einfluss der AfD. 

Koalitionen stärken statt erschweren

Derzeit liegt die Union in einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov mit 27 Prozent der Stimmen vorne. Die AfD folgt mit 20 Prozent auf dem zweiten Platz, die SPD mit 17 Prozent auf dem dritten, gefolgt von den Grünen mit zwölf Prozent. Die Linke hat in jüngsten Umfragen besonders zugelegt und kommt in dieser Umfrage auf neun Prozent – laut den Ergebnissen vor wenigen Wochen musste sie noch um die Fünf-Prozent-Hürde bangen.

Wahlumfragen sind mit Unsicherheiten behaftet und weichen, je nach Umfrageinstitut, stark voneinander ab. Dennoch: Bei dieser Wahl könnten die Ergebnisse von FDP, Linke und BSW besonders folgenreich sein, denn je mehr Stimmen diese Parteien bekommen, desto weniger entfallen auf CDU/CSU, SPD, Grüne und AfD. 

Nimmt man die Ergebnisse der oben genannten YouGov-Umfrage, hätte derzeit fast keine Zweierkoalition eine absolute Mehrheit. Weder Schwarz-Rot, noch Schwarz-Grüne kommen zusammen auf die erforderlichen 316 Sitze  – einzig bei Union und AfD würde es reichen, doch Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz schließt eine Koalition mit der in Teilen rechtsextremen Partei aus. 

Taktisches Wählen könnte also am 23. Februar bedeuten, seine Stimme so einzusetzen, dass eine bestimmte Koalitionsbildung wahrscheinlicher wird. Möchte man also, dass Schwarz-Rot die nächste Bundesregierung stellt, würde das dagegensprechen, seine Zweitstimme an FDP, BSW oder Linke zu geben.

Erststimme und Zweitstimme aufteilen - ja oder nein?

Bei früheren Wahlen war es bei vielen Wähler*innen gängige Praxis, ihre Erst- und Zweitstimme unter zwei verschiedenen Parteien aufzuteilen. Die Erststimme entscheidet über die oder den Direktkandidat*in in den Wahlkreisen, die Zweitstimme bestimmt, wie viele Sitze eine Partei im Bundestag bekommt. Bei der Bundestagswahl 2021 gaben laut Bundeswahlleiterin fast ein Viertel der Wähler*innen ihre Stimmen zwei verschiedenen Parteien.

Es lohnt sich durchaus, sich zu informieren, welche Direktkandidat*innen in einem Wahlkreis aussichtsreich sind. Haben in einem Wahlkreis beispielsweise die oder der Direktkandidat*in der Union und der Grünen besonders gute Aussichten, hat es wenig Sinn, der SPD die Erststimme zu geben, wenn ihre Aussichten in dem Wahlkreis schlechter sind. Stattdessen könnte in dem Fall eine Erststimme an die Grünen verhindern, dass die Union den Wahlkreis gewinnt.

Was es aber noch zu beachten gibt: Bei der Bundestagswahl 2025 greift die Wahlrechtsreform, die die Zahl der Abgeordneten dauerhaft auf 630 begrenzen soll. Dadurch bekommt nicht mehr jede*r Kandidat*in mit einem Direktmandat automatisch auch einen Sitz im Bundestag, sondern ist auf das Zweitstimmenergebnis seiner Partei angewiesen. Die Übergangs- und Ausgleichsmandate wurden abgeschafft: Eine Partei kann nur noch so viele Direktmandate besetzen, wie es dem Zweitstimmenanteil entspricht. 

Das Ergebnis der Direktkandidat*innen ist entscheidend

Das bedeutet im Umkehrschluss: Wer Zweitstimme und Erststimme nicht an die gleiche Partei gibt, könnte tragischerweise selbst dafür sorgen, dass die Erststimme ihren Zweck verfehlt und die oder der Gewählte gar nicht ins Parlament kommt – auch dann nicht, wenn sie oder er die meisten Erststimmen erhält. 

Wenn eine Partei in einem Bundesland über die Zweistimmen 20 Mandate erreicht, aber mit ihren Direktkandidat*innen in 25 Wahlkreise gewinnt, ziehen von diese Direktkandidat*innen nur die 20 Besten ins Parlament. Deswegen ist das persönliche Ergebnis der Direktkandidat*innen entscheidend, der den Wahlkreis gewinnt. Hat die präferierte Partei also in einem Wahlkreis eine realistische Chance, lohnt es sich tatsächlich ihr beide Stimmen zu geben - in unserem Fall also der SPD.

Aktuelle Entwicklungen zur Bundestagswahl 2025 gibt es zum Nachlesen in unserem Newsticker.

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Autor*in
Lea Hensen
Lea Hensen

ist Redakteurin des „vorwärts“.

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Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Mi., 19.02.2025 - 12:45

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"Viele Kleinstparteien liegen außerdem eher im progressiven Lager, nehmen also nicht den Mitte-Rechts-Parteien, sondern den etablierten Mitte-Links-Parteien SPD, Grüne und Linke die Stimmen weg"
Schon mal darüber nachgedacht warum die genannten etablierten Parteien keinen Kredit mehr bei vielen Wählern haben ?
In früheren Kpmmentaren habe ich schon darauf hingewiesen daü die SPD oder die von ihr geführte Koalition der afd die "Hasen in die Küche" treibt. Der demonstrative Lernunwille macht mich ziemlich wütend, und wenn ich am So die SPD wähle, dann weiß ich doch schon jetzt über wen ich mich die nächsten Jahre ärgere !

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