Inland

Warum Klimaschutz in diesem Bundestagswahlkampf keine Rolle spielt

Die Folgen des Klimawandels werden immer stärker spürbar. Trotzdem spielt Klimaschutz im Bundestagswahlkampf überhaupt keine Rolle. Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert, sagt, woran das liegt – und was die künftige Regierung beim Klimaschutz tun muss.

von Kai Doering · 14. Februar 2025
DNR-Präsident Niebert: Die Ampel hat die Erneuerbaren Energien endlich wieder auf die Überholspur gesetzt.

DNR-Präsident Niebert: Die Ampel hat die Erneuerbaren Energien endlich wieder auf die Überholspur gesetzt.

Bei der Bundestagswahl vor vier Jahren war der Klimaschutz allgegenwärtig. In diesem Wahlkampf spielt er dagegen bisher keine Rolle. Woran liegt das?

Während die Klimakrise von Jahr zu Jahr schlimmer wird und wir 2024 das erste Mal die 1,5 Grad überschritten haben, spielt das Klima im Wahlkampf in der Tat keine Rolle. Und das obwohl sich Umfragen zufolge die Wähler*innen aller demokratischen Parteien mehr Klimaschutz wünschen. Aus meiner Sicht hat das zwei Ursachen:

Erstens haben es die rechten Demokratiefeinde haben geschafft, mit der Migration ein Thema zu besetzen, das nicht nur dem Diskurs schadet, sondern auch in der Art und Weise, wie die Debatte geführt wird, dem ganzen Land schadet. Dies wird zusätzlich getriggert von Debatten in den sozialen Medien, deren Algorithmen eben nicht neutral, sondern von Rechtslibertären wie Elon Musk gesteuert werden um die AfD und ihre Themen von gestern groß zu schreiben. Leider sind insbesondere CDU/CSU dieser Strategie auf dem Leim gegangen, sehr zum Schaden des Klimas – nicht nur in der Atmosphäre, sondern auch in der Gesellschaft.

Und Zweitens? 

Zweitens wurde Klimaschutz gemeinhin als Abwehrkampf gegen die Krise begriffen. Das liegt daran, dass es nicht nur sprichwörtlich fünf vor zwölf ist und die Kipppunkte vor der Tür stehen. Dieser – auch von uns Umweltverbänden immer wieder aufgesetzte – Blickwinkel ist aber vielleicht auch eine der Ursachen für die Zukunftsängste vieler Menschen, die in den Nachwahlbefragungen der letzten Landtagswahlen deutlich wurden. Die Menschen haben Angst vor einer Klimakrise, aber auch vor einem Klimaschutz, der ihnen ihr Leben diktiert. Wir haben es verpasst, Klimaschutz als Chance auf ein besseres Leben zu begreifen und genauso zu gestalten.  

2021 hat sich Olaf Scholz noch als „Klimakanzler“ plakatieren lassen. Heute spricht er das Wort Klima nicht mehr laut aus und auf dem Parteitag mahnt er in drei Nebensätzen zu Klimaschutz mit Augenmaß, der die Menschen nicht überfordern dürfe. Das ist so richtig, wie wohlfeil. 

Die Ampel-Regierung hat beim Klimaschutz einiges vorangebracht. In Erinnerung wird vielen aber wohl vor allem das sogenannte Heizungsgesetz bleiben. Wie sehr hat die Debatte darüber dem Ziel des Klimaschutzes geschadet?

Richtig ist, dass die Ampel die Erneuerbaren Energien endlich wieder auf die Überholspur gesetzt hat. Das war der leichte Teil der Energiewende, denn sie hat draußen stattgefunden. Nun kommt der schwierige, denn nun kommt die Energiewende zu uns nach Hause, in den Heizungskeller, die Küche und auch die Garage. 

Insbesondere die Debatte über das Heizungsgesetz hat viele verschreckt. Das lag sicher an vielen kommunikativen, aber auch handwerklichen Fehlern der Bundesregierung, die absehbar und vermeidbar gewesen wären. Ein Kernfehler, der auch weit über das Heizungsgesetz hinausgeht ist es, dass Klimaschutz immer mehr mit Moralisierung und Individualisierung verbunden wurde: Du musst dir als nächstes eine Wärmepumpe einbauen! Du darfst kein Schnitzel mehr essen! Du darfst nicht mehr fliegen! 

Diese Art von Klimaschutz vergiftet nicht nur die Debatte, sondern führt auch in die Sackgasse. Moral ist kein klimatologisches Leitinstrument. 

Um welche Themen sollte sich die Debatte stattdessen drehen?

Wir brauchen eine Debatte über nachhaltige Infrastrukturen – von der nachhaltigen Kitaverpflegung über nachhaltige Bildung bis zum nachhaltigen ÖPNV. Oder um es zuzuspitzen: Individuelle Handlungen haben keine messbaren Auswirkungen auf das Klima. Es sind die gemeinschaftlichen, politischen Handlungen, die wirken. Klimaschutz wird nur gelingen, wenn wir es auch denjenigen ermöglichen nachhaltig zu leben, die sich in ihrem Alltag keine Gedanken über Nachhaltigkeit machen können. Um das in das Heizungsgesetz zu übersetzen: Wir hätten zunächst über die kommunale Wärmeplanung und dann über die Wärmepumpe reden müssen. 

Wenn man sich die Äußerungen von CDU/CSU, FDP und allen voran der AfD zum Thema Klimaschutz ansieht, kann man da schon Zweifel bekommen. Wie erklären Sie sich, dass es auf dieser Seite des politischen Spektrums so starke Absetzbewegungen gibt?

Interessant ist doch, dass die Wirtschaft mittlerweile deutlich weiter ist, als Teile des politischen Spektrums. Selbst in der Industrie stellt man weder die Klimaneutralität noch die Klimaziele in Frage, sondern fordert die richtigen Rahmenbedingungen. Da ist dieses ewige Hin- und Her, das sich derzeit auch um das Schlechtreden der Windkraft oder die Forderungen nach einer Rückkehr zum Verbrennungsmotor ausdrückt, sehr schädlich. So weiß doch niemand mehr, wo er investieren soll. Die Bremse auf dem Weg in die Klimaneutralität sind in großen Teilen nicht mehr die Unternehmen, sondern einzelne, nicht selten von der fossilen Lobby getriebene politische Polarisierungsunternehmer, wie Steffen Mau sie nennt, die im Gestern leben und so nicht nur die Elektromobilität schlecht, sondern auch die Atomkraft groß reden. 

Welche Weichen müssen nach der Bundestagswahl gestellt werden?

Nun, mit dem Klimaschutz ist es wie beim Segeln: Wenn Sie beim Segeln bei voller Fahrt wenden wollen, gibt es einen kurzen Moment, an dem das Segel flattert, bevor es wieder Wind fängt. Genau dort stehen wir gerade: Die Transformation flattert gerade. Nun gibt die einen, die wieder zurück wollen, wo Wind früher gut blies und sich Geld verdienen ließ. Und es gibt diejenigen, die weiter blicken und sehen, wo sich künftig Wohlstand und Arbeitsplätze sichern lassen. Wir sollten also die Wende durchziehen und Kurs halten. Mit dem Green Deal und dem wieder nachzubessernden Klimaschutzgesetz liegt der Rahmen auf dem Tisch. Und so schlimm der Trumpsche Ausstieg aus dem Pariser Klimavertrag für das Klima ist, so muss er für uns Ansporn und Chance sein für starke Klimatechnologien Made in Europe – und Made in Germany. Ein starkes Europa und Investitionen in Zukunftstechnologien wird die Wirtschaft in Schwung bringen. 

Welche Investitionen sind denn notwendig – und vor allem, wer soll sie bezahlen?

In der Vergangenheit war Deutschland – trotz im Schnitt höherer Energie- und Arbeitskosten – der industrielle Motor Europas. Grundlage waren gute Infrastrukturen, gute Governance und gute Bildung. In allen drei Bereichen haben wir in den letzten Jahren zum Teil massiv an Substanz verloren. Hier zu investieren ist eine öffentliche Aufgabe. Um das zu meistern, brauchen Bund, Länder und Kommunen einen Kreditrahmen, der zu den Herausforderungen in der Transformation passt, denen wir gegenüberstehen.

Auch sollten wir diskutieren, wie die Bemessungsgrundlage bei der Besteuerung von besonders hohen Einkommen, Vermögen und Erbschaften für die Finanzierung der Transformation verbreitert werden kann.Gleichzeitig gilt: Nur Schulden zu machen ist keine nachhaltige Politik. Deshalb muss geprüft werden, welche staatlichen Ausgaben zur Transformation beitragen. Insbesondere Ausgaben, die den politisch beschlossenen und gesellschaftlich getragenen Nachhaltigkeitszielen entgegenstehen, müssen so umgebaut werden, dass sie zur Sanierung und zum Aufbau nachhaltiger Infrastrukturen beitragen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

Weitere interessante Rubriken entdecken

Noch keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.