Asylbewerber: So sollen Dublin-Zentren Abschiebungen beschleunigen
Nach den Anschläge von Solingen und Aschaffenburg gab es viel Kritik an der stockenden Abschiebung von abgelehnten Asylbewerber*innen. Sogenannte Dublin-Zentren sollen helfen. So funktionieren sie.
picture alliance/dpa | Michael Bahlo
Am 17. Februar unterzeichneten Katrin Lange (SPD), Innenministerin in Brandenburg, und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD, r.) eine Vereinbarung über die Errichtung eines „Dublin-Zentrums“ in Eisenhüttenstadt. Am 1. März soll es an den Start gehen.
Mehrere sogenannte Dublin-Zentren in Deutschland sollen Rückführungen von Asylbewerber*innen erleichtern, für die ein anderes EU-Land zuständig ist. Bundesinnenministerin Nancy Faeser und ihre brandenburgische Amtskollegin Kathrin Lange (beide SPD) haben vor kurzem eine Vereinbarung zur Einrichtung eines solchen Zentrums in Eisenhüttenstadt unterzeichnet.
Ab März sollen Asylbewerber*innen von dort aus nach Polen überstellt werden. Andere Dublin-Zentren gibt es bereits in Hamburg und in Bremen, weitere könnten folgen. Sie sollen Probleme im Abschiebesystem beheben, die durch die Anschläge in Solingen und Aschaffenburg zutage getreten sind.
Dublin-Verfahren wird oft nicht eingehalten
Die Einrichtungen heißen Dublin-Zentren, da sie sich auf das Dublin-Abkommen beziehen. Das besagt: Wer in einem EU-Land einen Asylantrag stellt, obwohl er zuvor bereits in einem anderen EU-Land angekommen ist, muss dorthin zurückgeführt werden. Denn für die Asylverfahren sind in der Regel die Staaten zuständig, in denen der oder die Geflüchtete erstmals EU-Boden betrat. Doch viele Geflüchtete reisen weiter.
Ermittelt das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Zuständigkeit eines anderen EU-Staates, stellt es dort eine Anfrage auf Rücknahme, die das europäische Partnerland in der Regel bewilligen muss. Ein Blick in die Statistik des BAMF zeigt aber: In der Praxis funktioniert das oft nicht. So wurden 2024 von fast 75.000 Rückführungsgesuchen zwar rund 44.000 bewilligt – aber nur knapp 5.740 Menschen wurden tatsächlich in die zuständigen EU-Staaten gebracht.
Woran Rückführungen häufig scheitern
Dafür gibt mehrere Gründe. Zum einen gilt das Dublin-System als überholt und problematisch, denn es bedeutet für Mittelmeer-Staaten wie Italien oder Griechenland sowie Staaten auf der Balkan-Route wesentlich mehr Asylgesuche. Italien nimmt deswegen schon seit Jahren kaum noch Geflüchtete zurück. Rückführungen in manche anderen Staaten wie Griechenland werden immer wieder wegen der imenschenrechtswidrigen Zustände in dortigen Lagern durch Gerichte gestoppt.
Zum anderen scheitern Rückführungen offenbar regelmäßig an der Zusammenarbeit zwischen Behörden, denn zuständig sind die Bundesländer und Kommunen. So hätte der mutmaßliche Angreifer von Solingen, der im August 2024 drei Menschen tötete, eigentlich nach Bulgarien abgeschoben werden müssen – doch nach einem gescheiterten Versuch ließen die nordrhein-westfälischen Behörden die Frist verstreichen. Wenn die Rückführung innerhalb von sechs Monaten nicht erfolgt, ist Deutschland verpflichtet, das Verfahren zu übernehmen. Auch der Attentäter, der im Januar in Aschaffenburg mutmaßlich ein Kind und einen Mann tötete, hätte nach Bulgarien abgeschoben werden sollen, doch die Behörden in Bayern versäumten die Frist. Deswegen sprach Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nach der Tat von „Vollzugsdefiziten“.
Rückführungen innerhalb von zwei Wochen
Genau dort sollen jetzt die Dublin-Zentren ansetzen: Geflüchtete, die in ein anderes EU-Land abgeschoben werden sollen, werden dort an einem Standort gesammelt, anstatt wie bisher auf die Kommunen aufgeteilt. Im brandenburgischen Eisenhüttenstadt sollen 250 Menschen in zwei Gebäuden Platz finden, teilte das Bundesinnenministerium am Montag mit. Aufgrund der guten Beziehungen zwischen Brandenburg und Polen sollen in dem Zentrum vornämlich Dublin-Fälle unterkommen, die nach Polen abgeschoben werden. Die Zentrale Ausländerbehörde arbeite eng mit den Behörden in Polen zusammen, damit Rückführungen innerhalb von zwei Wochen erfolgen, so das Innenministerium.
„Damit wir weiter Menschen vor Krieg und Terror schützen können, gilt auch: Wer kein Recht hat in Deutschland zu bleiben, muss unser Land wieder verlassen“, sagte Bundesinnenministerin Faeser anlässlich der Vereinbarung für das Dublin-Zentrum in Brandenburg. Menschen, die nach Deutschland kommen, obwohl ein anderes Land für ihr Asylverfahren zuständig ist, müssten schneller dorthin gebracht werden, um die Länder und Kommunen zu entlasten.
Das Bundesinnenministerium teilte auf Anfrage hin mit: „.Durch die zentrale Unterbringung und die konsequente Anwendung des geltenden Rechts soll die Anzahl der Dublin-Überstellungen signifikant erhöht werden. Das Dublin-Verfahren wird in den Dublin-Zentren beschleunigt durchgeführt."
Sach- statt Geldleistungen
Zudem sollen die Zentren gewährleisten, dass das Prinzip Sach- vor Geldleistungen Anwendung findet. Nach dem Attentat in Solingen hatte die Ampel-Koalition das sogenannte Sicherheitspaket verabschiedet. Es regelt unter anderem, dass Dublin-Fälle keinen Anspruch mehr auf Sozialleistungen haben, sobald das für sie zuständige EU-Land die Rückführung bestätigt. Dadurch sollen Anreiz vermindert werden, nach Deutschland zurückzukommen. Die Neuregelung stieß auch bei SPD-Politiker*innen auf Kritik.
„Das Dublin-System funktioniert in der bisherigen Form nicht“, betonte die brandenburgische Innenministerin Kathrin Lange (SPD). „Es muss im Grunde genommen völlig neu aufgestellt werden.“ Deswegen dürfe man von dem neuen Dublin-Zentrum in Eisenhüttenstadt „keine Wunder erwarten“. „Aber ich gehe davon aus, dass wir auf diesem Wege doch einen wichtigen Schritt gehen werden, hin zu mehr Ordnung und Effizienz in der Asyl- und Migrationspolitik in diesem Land“, sagte Lange.
Eingesperrt werden die Asylbewerber*innen in dem Zentrum nicht. „Es ist kein Gewahrsam und es sind keine Haftplätze", sagte die Innenministerin dem rbb, „sondern es gibt dann eben diese Residenzpflicht, dort vor Ort zu bleiben". Über eine elektronische An- und Abmeldung soll der Zugang zur Einrichtung kontrolliert werden.
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