Solingen nach dem Anschlag: „Die Stadtgesellschaft steht zusammen“
Der Anschlag vom Freitagabend hat Solingen erschüttert. Bürgermeisterin Ioanna Zacharaki zieht im Gespräch mit dem „vorwärts“ Parallelen zur Trauerbewältigung nach dem Brandanschlag 1993 und erklärt, worauf es jetzt ankommt.
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Am Montag besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz gemeinsam mit (v.l.) NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) und VIze-Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) Solingen.
Ein fröhliches, friedliches Fest zur Feier des 650. Stadtjubiläums mit mehreren Bühnen, Live-Musik und Tausenden Menschen bei sommerlichem Wetter – so war es geplant und so fing es am Freitagabend in Solingen zunächst auch an, ehe eine schreckliche Tat die Stadt und ganz Deutschland erschütterten. Bei einem mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlag wurden drei Menschen getötet, acht weitere verletzt. Sie sind inzwischen wohl außer Lebensgefahr, soweit die gute Nachricht.
Oberbürgermeister Kurzbach: „Es zerreißt mir das Herz“
Mit sehr persönlichen Worten hatte sich Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) kurz nach dem Anschlag geäußert: „Es zerreißt mir das Herz, dass es zu einem Attentat auf unsere Stadt kam. Ich habe Tränen in den Augen, wenn ich an diejenigen denke, die wir verloren haben.“
Auch der Solinger SPD-Bundestagsabgeordnete Ingo Schäfer schrieb auf Facebook: „Der Schock über diese schreckliche Tat sitzt tief. Es ist schwer zu fassen, dass Menschen, die friedlich feiern wollten, so brutal aus dem Leben gerissen wurden.“ Die Ereignisse zeigten aus seiner Sicht einmal mehr, wie wichtig es sei, für ein friedliches Miteinander einzustehen.
Bürgermeisterin Ioanna Zacharaki (SPD) schilderte im Gespräch mit dem „vorwärts“, wie sie die Situation am Freitagabend erlebt hat. „Zwei Stunden lang haben wir gefeiert. Es war so eine tolle Stimmung. Es war viel los, eine einmalige Situation für Solingen. Doch dann sickerte die Nachricht über die Tat durch. Wir waren alle schockiert und sofort wurde von der Hauptbühne angekündigt, dass alle langsam den Platz verlassen sollen. Wir folgten den Anweisungen, damit sich jeder in Sicherheit bringen konnte. Denn zu dem Zeitpunkt lief der Täter noch frei durch die Stadt.“
Das nächste Trauma für die Stadt
Auch Tage nach der Tat sagte die ehrenamtliche Bürgermeisterin: „Natürlich ist das eine schreckliche Situation für uns.“ Das Leben in Solingen habe sich durch den Anschlag verändert. Es gebe noch viele offene Fragen. Wichtig sei allerdings, den Zusammenhalt wieder voranzubringen und diejenigen Bürger*innen, die noch Ängste haben, seelsorgerisch zu betreuen. „Wir brauchen jetzt auch Ruhe, um das Ganze verarbeiten und trauern zu können“, sagte Zacharaki.
Schon einmal hat ein Anschlag die Stadt erschüttert, deren Beinamen „Klingenstadt“ dieser Tage so seltsam grotesk klingt. Im Mai 1993 starben fünf Menschen mit türkischen Wurzeln bei einem von Neonazis verübten Brandanschlag.
Zacharaki sagte vor wenigen Monaten im Gespräch mit dem „vorwärts“ dazu: „Dieses Trauma haben viele nicht verarbeitet.“ Nun ist am Wochenende ein weiteres Trauma in der Stadtgeschichte dazugekommen, dessen Aufarbeitung Zeit brauchen wird. „Die Traumata und Ängste sind definit da“, sagte die Sozialdemokratin am Montag.
Offene Fragen klären
Allerdings habe ein ökumenischer Gottesdienst gezeigt, dass die Stadtgesellschaft zusammenstehe und zusammenhalte. „Das ist für uns der Ausgangspunkt für die Aufarbeitung. Wir haben gute, funktionierende Netzwerke, gute soziale Dienste und eine breite Vereinsstruktur. Damit möchten wir gemeinsam den Zusammenhalt nach vorne bringen und alle offenen Fragen beantworten“, sagte Zacharaki.
Sie betonte, auch mit Blick auf Forderungen wie der des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, künftig alle Asylbewerber*innen aus Syrien und Afghanistan abzulehnen, dass das Recht auf Asyl ein Grundrecht sei. „In einer humanen Gesellschaft muss das Recht auf Asyl weiter offenstehen“, sagte sie. Zugleich dürfe es aber keine Gesetzeslücken geben, damit das ganze System auch für die Bürger*innen nachvollziehbar bleibe. Dahingehend müssten in diesem Fall noch einige offene Fragen geklärt werden.
Am Montag besuchte auch Bundeskanzler Olaf Scholz die Stadt und legte gemeinsam mit Oberbürgermeister Tim Kurzbach und Ministerpräsident Hendrik Wüst Blumen am Tatort nieder. Auf der Plattform X schrieb Scholz: „Ich bin zornig und wütend über diese Tat. Sie muss schnell und hart bestraft werden – und wir werden alles Notwendige tun, dass sich so etwas nicht wieder ereignet.“ Er kündigte an, mit aller Härte und Schärfe gegen Islamisten vorgehen und das Waffenrecht verschärfen zu wollen.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo
ganz meine Meinung, weiter so, und Ruhe
bewahren. So wie unsere Vorsitzende gestern bei C Mioska. Alle verfallen in Aktionismus, die SPD steht und hält Stand. Ganz wunderbar, weiter so
„Der Anschlag vom Freitagabend hat Solingen erschüttert“ -
stellvertretend Oberbürgermeister und Bürgermeisterin - aber auch NRWs Ministerpräsidenten Wüst, Innenminister Reul, die Grüne Mona Neubauer und Bundeskanzler Scholz und Herrn Merz, Frau Esken, und in erwartbarer Weise Herrn Höcke. Kanzler Scholz etwa war „´zornig und wütend über diese Tat. Sie muss schnell und hart bestraft werden – und wir werden alles Notwendige tun, dass sich so etwas nicht wieder ereignet.´ Er kündigte an, mit aller Härte und Schärfe gegen Islamisten vorgehen und das Waffenrecht verschärfen zu wollen.“ Er verweist (u. a.) mit diesem Satz wohl auf Frau Faeser, die deshalb schon mal über die Länge von Messerklingen, die wir halt so mit uns führen, nachdenkt. Frau Esken hingegen beharrt auf Einwanderung (Sommerinterview) und besteht darauf, dass Taten wie in Solingen nie ganz verhindert werden können (ntv, 26.8.24). Natürlich hat Frau Esken mit ihrem Satz über die nicht mögliche absolute Sicherheit Recht, aber ebenso unbestreitbar ist, dass ein ausländischer Attentäter, der in seinem Heimatland bleibt, in der Bundesrepublik keine Menschen umbringen kann. Zwischen diesen beiden Pflöcken muss Einwanderung kanalisiert werden. Dominant wichtig kommt hinzu, dass wir die Zugewanderten zuverlässig in unsere Gesellschaft integrieren (können) – was wesentlich eine Leistung der Zuwanderer sein muss. „Humanität und Ordnung“ (Stephan Weil) wäre dafür die richtige, übergeordnete Handlungsmaxime.
Asyl steht auf einem anderen Blatt.
In NRW lebten „Anfang 2024 knapp 190.000 Menschen mit Duldungsstatus“ (WAZ, 27.8.24). Das ist ein Problem: Wir wissen das, hören ständig von unseren Politikern "Änderung jetzt", aber es geschieht (fast) nichts.