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Saskia Esken in Sachsen und Thüringen: Wo Visionen Wirklichkeit werden

Auf ihrer Sommerreise besucht SPD-Chefin Saskia Esken in Sachsen und Thüringen Orte, an denen Veränderung erlebbar wird. Doch es zeigt sich auch: Der Rahmen für den Wandel muss stimmen und ist zerbrechlich.

von Kai Doering · 2. August 2024
Frauen mit Visionen: Sachsen Spitzenkandidatin Petra Köpping (l.) und SPD-Chefin Saskia Esken in Chemnitz

Frauen mit Visionen: Sachsen Spitzenkandidatin Petra Köpping (l.) und SPD-Chefin Saskia Esken in Chemnitz

In der SPD ist es mit Visionen seit Helmut Schmidt so eine Sache. „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen“, stellte der Kanzler einst in seiner direkten norddeutschen Art fest. Petra Köpping lässt sich davon nicht beirren. „Ich wünsche mir für Sachsen mehr Visionen“, sagt die 66-Jährige als sie am Donnerstag in der Arena Leipzig steht. Normalerweise finden hier die Spiele des Handball-Erstligisten SC DHfK Leipzig statt. Auch nationale Leichtathletik-Wettkämpfe werden regelmäßig in der Arena ausgetragen und Konzerte veranstaltet. Gerade ist Sommerpause.

Vision 1: die Olympia-Bewerbung

Die Arena ist Teil des Sportforums Leipzig, zu der auch die Festwiese und das Zentralstadion gehören, in das vor einigen Jahren eine moderne Fußball-Arena integriert wurde. Hier startet Saskia Esken am Donnerstag ihre zweitägige Sommerreise durch Sachsen und Thüringen. Seit etwas mehr als einem Jahr zieht es die SPD-Chefin jeden Monat für drei Tage in eine Region in Ostdeutschland. Sie will verstehen, was die Menschen vor Ort bewegt. Dass sie nun Sachsen und Thüringen mit einem Tross Journalist*innen bereist, hat auch mit dem 1. September zu tun: An diesem Sonntag wird in beiden Bundesländern gewählt.

In Sachsen tritt Petra Köpping als Spitzenkandidatin für die SPD an. Das Leipziger Sportforum kennt sie sehr gut. Als Jugendliche trainierte sie hier Fünfkampf und besuchte das Sport-Gymnasium, bis sie eine Verletzung beim Hochsprung zum Aufgeben zwang. Für den Sport hat Köpping aber noch immer eine Menge übrig. Gerne denkt sie an die Bewerbung Leipzigs für die olympischen Spiele 2012 zurück. Die gingen zwar am Ende nach London. „Aber die Begeisterung in der Stadt und in der Region war unglaublich während der Bewerbungsphase.“ Köppings Vision: eine Olympia-Bewerbung Sachsens gemeinsam mit einem westdeutschen Bundesland.

In Leipzig rennt sie damit offenen Türen ein. Hier wollen sie schon lange die Arena auf mehr als 10.000 Sitzplätze erweitern. Das ist die Voraussetzung, dass in der Halle auch Europa- und Weltmeisterschaften in der Leichtathletik stattfinden können. Außer in Berlin gibt es in Ostdeutschland keine Halle mit dieser Kapazität. Die Erweiterung aber kostet Geld. Etwa 220 bis 230 Millionen Euro werden veranschlagt. Geld, das Verein, die Stadt Leipzig und das Land Sachsen nicht allein aufbringen könnten. „Wir sind bereit. Ist es die Politik auch?“, fragt Bernd Merbitz, der Präsident des SC DHfK Leipzig und betont: „Sport ist der Kitt der Gesellschaft.“ Deshalb müsse „das Zahnrad Gesellschaft-Sport-Politik“ funktionieren.

Vision 2: Ein Tagebau wird Naherholungsgebiet

Was möglich ist, wenn die Dinge ineinandergreifen, kann einige Kilometer weiter südlich besichtigt werden. Hier zerstückelten einst Braunkohletagebaue die Landschaft. Nach ihrer Flutung hat sich die Region in ein Naherholungsgebiet verwandelt. In dessen Herzen liegt der Störmthaler See. An seinem Sandstrand tummeln sich an diesem Donnerstag bei bestem Wetter die Badegäste, ein Stück weiter gibt es einen kleinen Yacht-Hafen. Am Horizont erinnern die Dampfwolken aus dem Kohlkraftwerk Lippendorf an das, was hier einst gefördert wurde. „Früher hatten hier die Menschen Grundstücke am Rande des Tagesbaus. Heute haben sie Seegrundstücke“, sagt Petra Köpping.

Dass das so ist, hat auch mit ihr zu tun. Als die Entscheidung anstand, was mit den stillgelegten Kohlegruben passiert, war sie Landrätin im Landkreis Leipzig und entwickelte die Idee des „Leipziger Neuseenlands“ mit. „Damals haben alle gesagt, das schafft ihr nie“, erinnert sie sich. Doch im engen Austausch mit den Bürger*innen wurde Stück für Stück ein Plan entwickelt und dann auch umgesetzt. Eine Vision, die Wirklichkeit wurde.

Im 730 Hektar großen See schwimmt eine künstliche Insel. Die „Vineta“, ein Gebäude, das u.a. für Kulturveranstaltungen genutzt wird, erinnert mit seinem Aussehen an die Kirche eines Ortes, der einst dem Tagebau weichen musste. Petra Köpping hat hier geheiratet. Mit einem Boot dreht die Gruppe einige Runden um die Insel. Auch Saskia Esken darf dabei ans Steuer.

Vision 3: Die Industriestadt wird Kulturhauptstadt

Zurück an Land geht es weiter in Sachsens drittgrößte Stadt, nach Chemnitz. Hier werden die SPD-Vorsitzende und Petra Köpping von Oberbürgermeister Sven Schulze in der Halle einer stillgelegten Maschinenfabrik begrüßt. Wo im Kaiserreich Lokomotiven hergestellt wurden, soll sich im kommenden Jahr alles um die Kultur drehen. „Der Countdown läuft“, sagt Schulze. Am 18. Januar beginnt mit einem großen Straßenfest Chemnitz‘ Zeit als europäische Kulturhauptstadt 2025.

„Wir wollen aufmerksam machen auf eine bisher unentdeckte Stadt“, sagt Stefan Schmidtke, der Geschäftsführer der Kulturhauptstadt Europas Chemnitz 2025 gGmbH. „C the unseen“ (das Ungesehene sehen) lautet daher auch das Motto für das kommende Jahr. So sollen etwa 30 Orte in der Stadt, die bisher Brachen sind, in Flächen für Kunst und Kultur umgewandelt werden. Eine Fläche ist ein alter Bahndamm, der gerade in einen Park mit Fahrradweg und Bach verwandelt wird. Eine neue Brücke soll zudem zwei bisher voneinander getrennte Stadtteile miteinander verbinden. „Wir wollen etwas schaffen, das bleibt“, erklärt Schmidtke das Konzept.

Dass die Industriestadt Chemnitz einmal Kulturhauptstadt werden würde, hätte vor einigen Jahren wohl kaum jemand für möglich gehalten. Doch auch diese Vision wurde wahr. Nun verspricht sich die Stadt von dem Status eine Menge. 80 Prozent mehr Tagestouristen sehen die Planungen vor und 100.000 zusätzliche Übernachtungen aus dem In- und Ausland. „Es ist wichtig für die Menschen hier, die positiven Effekte von Internationalität zu erleben“, ist Oberbürgermeister Schulze überzeugt.

Vision 4: Weltoffen bleiben

Das sieht auch Ralf Kuschnereit so. Er ist im Vorstand von Jenoptik, einem Unternehmen, das im thüringischen Jena optische Linsen für die verschiedensten Anwendungen herstellt. Saskia Esken besucht es am zweiten Tag ihrer Sommerreise und spricht mit der Unternehmensführung und dem Betriebsrat. Nach der Wahl in Sonneberg, bei der im vergangenen Jahr erstmals ein AfD-Mann Landrat wurde, hat Jenoptik die Kampagne „#BleibOffen“ gestartet. Mit Postkarten, Plakaten und in den sozialen Medien wirbt das Unternehmen, in dem Menschen aus 39 Nationen arbeiten, für Weltoffenheit.

„Wir wollen eine offene Gesellschaft haben, in der es für unsere Mitarbeiter möglich ist, ohne Angst und in Freiheit zu leben“, nennt Ralf Kuschnereit den Grund für die Kampagne in der es etwa heißt: „Wer sich abschottet, macht dicht.“ Das ist mit Blick auf Fachkräfte ganz wörtlich zu verstehen. „Wir haben die Befürchtung, dass die Leute fernbleiben könnten, wenn das Umfeld nicht mehr passt“, sagt Kuschnereit, betont aber auch: „Wir sind da optimistisch. Die meisten in der Region sind sehr weltoffen.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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