Parteileben

Petra Köpping: Eine Frau, die Ostdeutschland versteht

Seit 2014 ist Petra Köpping Integrationsstaatsministerin in Sachsen. 30 Jahre nach dem Mauerfall wirbt sie für mehr Verständnis für die Situation in Ostdeutschland und fordert eine gesamtdeutsche Aufarbeitung der Nachwendezeit. Was treibt sie an?
von Kai Doering · 31. Oktober 2018
Sachsens Integrationsstaatsministerin Petra Köpping

Sachsens Integrationsstaatsministerin Petra Köpping

Am Montag, nachdem Petra Köpping als sächsische Staatsministerin für Integration und Gleichstellung vereidigt worden war, ging sie zu Pegida. Die Gruppe in Dresden hatte da, im November 2014, erst wenige Male zu Demonstrationen gegen Zuwanderung und den Islam aufgerufen. In den Medien war sie höchstens eine regionale Erscheinung. Köpping wollte aber auch nicht demonstrieren, sondern zuhören.

„Ich ging hin, um mehr zu erfahren und das Gespräch anzubieten“, erinnert sie sich. Immer wieder seien Menschen auf sie zugekommen, um zu schimpfen – auf „die da oben“, auf Flüchtlinge oder „das System“. Doch Petra Köpping ließ sich nicht abschrecken. Sie fragte nach und fand heraus: „Fast alle Gespräche endeten mit den persönlichen Erlebnissen der Menschen während der Nachwendezeit.“ Es ging um Demütigungen, Kränkungen und Ungerechtigkeiten, die die Ostdeutschen noch heute, fast 30 Jahre nach Mauerfall und Wiedervereinigung, bewegen. Die Flüchtlinge, gegen die ­Pegida ja eigentlich auf die Straße ging, waren gar nicht das Thema. „Sie waren nur Projektionsfläche für eine tiefer liegende Wut und Kritik.“

Integriert doch erst mal uns!

Petra Köpping war danach noch oft bei Pegida. Sie hat Menschen in ihre Sprechstunde eingeladen und viele Briefe beantwortet. Ihre Erkenntnis: „Auch knapp 30 Jahre nach der Wiedervereinigung liegen viele Dinge in Ostdeutschland im Argen. Deshalb ist es aus meiner Sicht wichtig, zu erklären, was die Menschen in Ostdeutschland bewegt, wo sie enttäuscht wurden und wie die Politik darauf reagieren sollte.“

In einer Rede in Leipzig zum Reformationstag 2016 forderte Petra Köpping deshalb erstmals „eine gesamtdeutsche Aufarbeitung der Nachwendezeit“. Am Anfang müsse ein Geständnis der westdeutschen Politik und der Wirtschaft stehen: „Ja, im Osten haben westdeutsche Unternehmen sich in hohem Maße eine potenzielle Konkurrenz vom Hals gehalten. Die ostdeutsche Nachfrage war wichtig, das ostdeutsche Angebot wurde beiseite gedrängt.“ So schreibt es Köpping in ihrem Anfang September erschienen Buch „Integriert doch erst mal uns!“. Der Titel ist ein Satz, den die Staatsministerin in ihren vielen Gesprächen dutzendfach gehört hat.

Die Arbeit der Treuhand aufarbeiten

In ihrem Buch schlägt Petra Köpping die Einrichtung einer bundesdeutschen „Wahrheits- und Versöhnungskommis­sion“ vor, die die unterschiedlichen Perspektiven auf die Wiedervereinigung aus Ost und West berücksichtigt und ein Gesamtbild zeichnet – „und zwar unabhängig von politischen Mehrheiten“. Auch das Wirken der Treuhand, die in den 90er Jahren die Volkseigenen Betriebe der DDR privatisieren sollte, will Köpping aufarbeiten lassen. „Es darf nicht weiter der Eindruck entstehen, dass die Ungereimtheiten der Nachwendezeit vergessen oder verdrängt werden.“

Petra Köpping hat dabei nicht nur Ostdeutschland im Blick. „Ich versuche, in Gesamtdeutschland Verständnis für die Situation in Ostdeutschland zu wecken“, sagt sie. Dafür tourt sie auch durch Westdeutschland und erklärt, was die Menschen im Osten bewegt. Die „Zeit“ hat sie deshalb erst kürzlich zur „Frust-Dolmetscherin aus Sachsen“ ernannt.

Die eigene Biografie überzeugt

Köpping muss lachen, wenn sie das hört, doch ein bisschen was ist schon dran. Dass die Menschen sie respektieren, dürfte auch auch an ihrer eigenen Geschichte liegen. Kurz vor dem Mauerfall wurde sie Bürgermeisterin von Großpösna bei Leipzig. Erst im Juni 1989 trat sie aus der SED aus. 1990 war sie den Bürgermeisterposten los und hatte drei Kinder zu versorgen. „Nie wieder Politik“, schwor sie sich damals und fing als ­Außendienstmitarbeiterin bei einer Krankenkasse an. Doch der Vorsatz hielt nicht lange: 1994 wurde Köpping erneut zur Bürgermeisterin von Großpösna gewählt, dann zur Landrätin und schließlich 2009 zur Landtagsabgeordndeten. In der SPD war sie da schon sieben Jahre.

„Wenn man in die Zukunft will, muss man erst einmal in der Vergangenheit aufräumen“, schreibt Köpping in ihrem Buch, das „eine Streitschrift für den Osten“ sein soll und gerade in die fünfte Auflage geht. Es klingt ein wenig, als würde sie da auch über ihr eigenes Leben schreiben.

Einen Erfolg der AfD in Sachsen verhindern

Köppings Themen sind jedenfalls inzwischen in der Mitte der SPD angekommen. Ihre Idee eines „Gerechtigkeitsfonds“ für Ost-Rentner griff Martin Schulz im vergangenen Bundestagswahlkampf auf. Und auch der Ost-Beauftragte der SPD Martin Dulig spricht sich für eine Wahrheits- und Versöhnungskommission aus. Petra Köpping freut sich über so viel Unterstützung, denn: „Wenn wir einen Erfolg der AfD bei der Landtagswahl in Sachsen verhindern wollen, geht das nur gemeinsam.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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