Thüringen: Warum ein Olympiasieger für Weltoffenheit kämpft
Noch bevor es wirklich losgeht, unterstützen mehr als 3.500 Verbände und Privatpersonen die Initiative „Weltoffenes Thüringen“. Dazu zählt auch der Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler.
IMAGO / epd
Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler engagiert sich für ein weltoffenes Thüringen.
Der wohl größte Moment im Leben und der Sportlerkarriere des Thomas Röhler trug sich viele tausend Kilometer entfernt von seiner Heimatstadt zu. Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro flog sein Speer im August 2016 im entscheidenden Wurf mehr als 90 Meter weit. Damit sicherte sich der Jenaer die Goldmedaille.
Startschuss für Weltoffenheit
Knapp siebeneinhalb Jahre später sitzt Röhler am Donnerstagvormittag in seiner Heimatstadt auf einem für eine Pressekonferenz ungewöhnlich zahlreich besetzten Podium. Vertreter*innen von Gewerkschaften, Unternehmen, Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft, Wohlfahrtsverbänden, Politik und eben Sport sind gekommen. Sie alle eint ein Ziel: ein weltoffenes Thüringen. An diesem Tag erfolgt der Startschuss für die gleichnamige ehrenamtliche Initiative.
Denn die Drohkulisse ist klar: Am 1. September ist Landtagswahl und laut einer Forsa-Umfrage von Mitte Januar könnte die rechtsextreme AfD dann auf bis zu 36 Prozent der Stimmen kommen. Das würde aller Voraussicht nach zwar nicht zum Regieren reichen, aber Höcke und Co. so viel Macht einräumen, dass ohne ihre Zustimmung keine Verfassungsrichter*innen gewählt werden könnten.
Röhler: Werte des Sports einbringen
Die Initiative will das verhindern, mit Aktionen rund um die Landtagswahl sowie bereits zuvor die Kommunalwahl am 26. Mai und die Europawahl am 9. Juni. Sie will präsent sein in allen Teilen des Bundeslandes. Unter anderem ist im August ein großes Konzert auf dem Domplatz der Landeshauptstadt Erfurt geplant. Auch Thomas Röhler möchte seinen Beitrag für ein weltoffenes Thüringen leisten: „Ich freue mich sehr, dass die Werte des Sports in der Initiative eine Stimme bekommen. Miteinander, Fairplay, Freundschaft, das sind Werte, die wir täglich leben. Sie machen den Sport zu dem, was er ist.“
Peter Benz
Thüringen muss und wird ein weltoffenes Land bleiben.
Höchstleistungen wie sein Olympiasieg seien nur in der Diskussion, im Miteinander und im Lernen von anderen möglich. Daher wünsche er sich, dass der Sport bunt bleibe. Ähnliches gelte auch für die Wissenschaft, sagt Peter Benz, Präsident der Bauhaus-Universität in Weimar, die Menschen aus 104 Ländern vereint. „Für uns ist Diversität zwingend notwendig. Forschung lebt vom internationalen Austausch“, sagt Benz. Auch mit Blick auf Innovationen: „Wenn wir neue, interessante Ideen entwickeln wollen, brauchen wir unterschiedliche Kulturen, Ideen und Ansätze.“ Er macht deutlich: „Thüringen muss und wird ein weltoffenes Land bleiben.“
Schon jetzt bekomme er die Auswirkungen des AfD-Umfragenhöhenflugs zu spüren. Benz berichtet von einem Berufungsverfahren, in dem der Kandidat nach einem sehr positiven Gespräch gesagt habe, er müsse jetzt nur noch mit seiner Familie besprechen, ob sie sich Thüringen wirklich antun wollten. „Das ist wirklich sehr bedenklich. Wie kann das sein, dass ein Bundesland einen so schlechten Ruf hat?“
Katja
Glybowskaja
Wir wollen ein Thüringen, in dem jeder willkommen ist.
Die SPD-Fraktionsvorsitzende im Jenaer Stadtrat, Katja Glybowskaja, die für die Liga der Freien Wohlfahrtspflege am Pressegespräch teilnimmt, spricht von einer „unglaublich wichtigen Aufgabe“. Sie macht deutlich: „Unser Thüringen soll ein Ort sein, an dem alle die gleichen Rechte genießen dürfen. Wir wollen ein Thüringen, in dem jeder willkommen ist. Bei uns soll niemand ausgegrenzt und gehasst werden.“ Im Hinblick darauf vermittelten ihr „die letzten Wochen und der heutige Tag“ sehr viel Zuversicht, da überall Menschen deutlich machten, dass es eine breite Mehrheit gibt, die für Weltoffenheit stehe.
Nach der Auftaktveranstaltung am Donnerstag will sich die Initiative in den kommenden Wochen und Monaten innerhalb Thüringens noch stärker regionalisieren und weitere Unterstützer gewinnen. „Wir wollen durch dieses Bündnis klar machen, dass wir ein weltoffenes Land und die Mehrheit sind. Das wollen wir immer wieder zeigen. Dafür braucht es jetzt Ausdauer. Denn es ist ein langer Lauf bis in den Herbst“, sagt der Jenaer Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP).
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo