Wie die Brandenburger Jusos in den Wahlkampf-Endspurt gehen
In weniger als 72 Stunden öffnen die Wahllokale in Brandenburg. Dann wird es ernst für die SPD und Ministerpräsident Dietmar Woidke. Bis dahin kämpfen die Jusos um jede Stimme, auch in schwierigen Gegenden.
Jusos Brandenburg
Die Jusos Brandenburg schenken Ministerpräsident Dietmar Woidke ein T-Shirt.
Eigentlich könnte die Stimmungslage in der Brandenburger SPD wenige Tage vor der Landtagswahl durchaus optimistisch sein. In allen Umfragen liegen die Sozialdemokrat*innen bei 25 bis 26 Prozent, also auf ähnlichem Niveau wie bei der Wahl vor fünf Jahren und anders als noch vor wenigen Wochen deutlich vor Mitbewerbern wie der CDU oder dem BSW. Doch zugleich sorgt die Ankündigung von Dietmar Woidke, nur Ministerpräsident bleiben zu wollen, wenn die SPD erneut stärkste Kraft wird, für zusätzliche Spannung.
Juso-Landesvorsitzender: „Die Leute sind sehr heiß“
Denn aktuell liegt die AfD, die in Brandenburg als rechtsextremer Verdachtsfall gilt, in allen Umfragen vorn. Um nach Thüringen einen weiteren Wahlerfolg der Rechten zu verhindern, sind auch die Jusos in den kommenden Tagen überall im Land unterwegs. „Die Leute sind sehr heiß und freuen sich richtig, weil sie merken, dass Wahlkampf etwas bringt und auch die Umfragewerte für die SPD immer besser werden“, sagt der Juso-Landesvorsitzende Leonel Richy Andicene im Gespräch mit dem „vorwärts“.
Er zieht auch Hoffnung aus der Entwicklung von vor fünf Jahren. Auch damals lag die SPD in den letzten Umfragen bei 21 und 22 Prozent, schaffte es jedoch, ihr Ergebnis im Wahlkampfendspurt bis auf 26,2 Prozent zu steigern. Auf eben jenen Effekt hofft Andicene auch jetzt. „Wir haben den Vorteil, dass Dietmar Woidke der mit Abstand beliebteste und bekannteste Politiker ist, den wir hier haben“, sagt er. Die Jusos haben ihrem Ministerpräsidenten kürzlich auch ein T-Shirt geschenkt. Abgebildet darauf ist Woidke selbst in mehrfacher Ausführung, unter anderem mit Grillschürze und Bratwurst und im Anzug. „Dietmar Woidke ist nicht jeden Tag gleich. Wir haben unsere Lieblings-Dietmars ausgesucht und sie auf ein T-Shirt gepackt.“ Der SPD-Politiker nahm es mit Humor und versprach, es seiner Frau zu schenken, weil er aktuell wahlkampfbedingt so selten zu Hause sei.
Ein neues „Ost-Bekenntnis“
Genau wie Dietmar Woidke sind auch die Jusos aktuell im gesamten Bundesland unterwegs, um insbesondere junge Menschen für ihre Mutterpartei zu begeistern und ihnen eine Perspektive in Brandenburg aufzuzeigen. Es gäbe immer noch viele junge Menschen, die überlegten, ob sie in den Westen ziehen müssen, um den Job, das Studium, den Lebensstandard zu finden, den sie sich vorstellen, berichtet Andicene. Dabei gebe es eigentlich ein neues „Ost-Bekenntnis“ bei jungen Menschen. „Dafür muss man nur die Infrastruktur schaffen. Und dafür muss man den Menschen zeigen, dass es hier genauso Perspektiven für sie gibt. Dann würden sie super gerne hierbleiben“, sagt der Juso-Vorsitzende.
Auch wenn es vielfach große Unterschiede gebe zwischen Potsdam und dem Berliner Speckgürtel auf der einen und Orten im ländlichen Raum auf der anderen Seite, die ohne Auto schwer zu erreichen sind. Während für junge Menschen in Potsdam die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung die größte Priorität habe, seien im ländlichen Raum Themen wie Mobilität oder Gesundheitsversorgung drängender.
Zudem sei auch spürbar, was die Ergebnisse in Sachsen und Thüringen zuletzt zeigten, nämlich dass die rechtsextreme AfD bei jungen Menschen hoch im Kurs steht. So stimmten etwa bei der Wahl in Thüringen 38 Prozent der 18- bis 24-Jährigen für die Partei, in Sachsen waren es in derselben Altersgruppe immerhin 31 Prozent, ein Zuwachs von elf Prozentpunkten. Auch Andicene berichtet von zahlreichen Erfahrungen im Wahlkampf, bei denen Jugendliche mit Sprüchen wie „Nur noch AfD“ oder „Sei schlau, wähl blau“ am Stand vorbeiliefen.
„Erschreckende Stimmung“ unter jungen Menschen
Das bemerkt auch der stellvertretende Juso-Landesvorsitzende Maurice Michel, der mit 19 Jahren zu eben jener Wählergruppe der 18- bis 24-Jährigen gehört. „Ich finde die Stimmung vor allem unter jungen Menschen ziemlich erschreckend“, sagt er und blickt mit Sorge auf zahlreiche U16-Wahlen, bei denen die AfD stärkste Kraft wurde. Zwar gebe es auch junge Menschen, die für die Demokratie einstehen wollen und das auch öffentlich tun. „Es gibt aber auch ein allgemeines Rebellentum gegen das Establishment, was dann lautstark nach außen getragen wird. Sie bekommen beispielsweise auf TikTok so gut wie nichts anderes mit, außer AfD-Wahlwerbung. Dementsprechend ist die Stimmung sehr gespalten unter den Jugendlichen“, sagt Michel.
Um dagegen anzukommen, brauche es mehr Anstrengungen im digitalen Raum, aber auch klassische analoge Formate wie Tür-zu-Tür-Wahlkampf, auf den die Jusos im Endspurt vermehrt setzen. Auch der Juso-Landesvorsitzende sagt mit Blick auf die AfD-Affinität junger Menschen: „Da hilft nur, dass man ernsthafte Aufklärungen betreibt und ernsthafte Gespräche mit diesen Menschen führt. Denn auch junge Menschen wollen ernst genommen werden.“ In gewissen Gegenden von Brandenburg werde eine rechte Jugendkultur inzwischen als vollkommen normal angesehen. „Genau das müssen wir aufbrechen“, fordert er. Deswegen haben die Jusos versucht, vermehrt in eben jenen Regionen präsent zu sein, auch wenn es eine andere Art von Wahlkampf als „der nette Wahlkampf“ in Potsdam sei.
Döner mit Kevin Kühnert
Speziell in den Tagen vor der Wahl wollen die Jusos noch einmal der Jugendkampagne der AfD mit einem eigenen Flugblatt entgegentreten und das in den Regionen um Schulen verteilen. Am Freitag planen sie zudem das Format „Döner und Politik“ mit dem Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Daniel Keller, und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. „Es lohnt sich. Man merkt es auf der Straße und es wird sich auch wieder im Wahlergebnis zeigen, so wie im Kommunal- und im Europawahlkampf, als die SPD bei jungen Menschen in Brandenburg nach oben gegangen ist", sagt Andicene.
SPDings – der „vorwärts“-Podcast, Folge 4 mit Daniel Keller
Daniel Keller ist Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Brandenburger Landtag. Ehrenamtlich engagiert er sich als Präsident des Deutschen Judo-Bundes. In der Funktion ist er vor Ort bei den Olympischen Spielen in Tokyo und hofft auf mindestens vier Medaillen für die deutschen Judoka.
ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo
JuSos
Ich wünsche Allen, die sich für ur-sozialdemokratische Ziele einsetzen viel Erfolg, denn es braucht Konsequenzen gegen eine Politik des Krieges, Bildungsnotstand, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit etc. etc.
Aber: Ich war selbst mal JuSo und wir haben uns in den Wahlkämpfen für sozialdemokratische Ziele engagiert, aber wie oft mussten wir erleben, daß Kandidaten die auf unserem linken Ticket gewählt wurden dann die klassische Karriere machten: von links unten nach rechts oben. Aber das soll niemanden davon abhalten weiterhin für die ur-sozialdemokratischen Ziele einzutreten.