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Ein Potsdamer als erster Schwarzer Juso-Landesvorsitzender

Seit Anfang März ist Leonel Richy Andicene Sprecher der Jusos Brandenburg. Damit ist der Potsdamer der erste Schwarze Vorsitzende eines Juso-Landesverbandes. Was ihm das bedeutet und was er in seinem Amt erreichen will.
von Jonas Jordan · 31. März 2023
Leonel Richy Andicene ist Vorsitzender der Jusos Brandenburg.
Leonel Richy Andicene ist Vorsitzender der Jusos Brandenburg.

„Ich habe schon eine kleine Träne verdrückt", sagt Leonel Richy Andicene, als er von seiner Wahl zum Vorsitzenden der Jusos Brandenburg am 4. März berichtet. Damit ist der Student der erste Schwarze* Vorsitzende eines Juso-Landesverbandes. „Als Schwarzer Junge aus einer Ost-Stadt war ich schon oft der erste Schwarze, der irgendwas gemacht hat. Ich war der erste Schwarze auf dem Gymnasium. Ich war der erste Schwarze aus meiner Familie, der studiert hat“, erzählt er. Dennoch habe ihm die Wahl zum Landesvorsitzenden besonders viel bedeutet. Denn sie zeige eine gewisse Durchlässigkeit und dass er starken Rückhalt in der Partei habe.

Schon während seines Bachelor-Studiums in Jena schaute er zum ersten Mal bei den Jusos vorbei, fühlte sich dort damals allerdings nicht ausreichend repräsentiert. Zum Umdenken brachte ihn später ein Praktikum bei der damaligen SPD-Abgeordneten und heutigen DGB-Bundesvorsitzenden Yasmin Fahimi. „Wir haben viel darüber diskutiert, warum ich mich den Grundsätzen der SPD verbunden fühle, ihr aber noch nicht beigetreten bin. Irgendwann habe ich entschieden, dass ich es doch mal versuchen werde“, sagt er im Interview mit dem „vorwärts“, seinem ersten Interview überhaupt.

Im Potsdamer Stadtteil Stern aufgewachsen

In Potsdam ist er aufgewachsen, im Stadtteil Stern mit vielen Plattenbauten und Sozialwohnungen, wie er es beschreibt. In Potsdam nahm ihn die damalige Bundestagsabgeordnete und heutige brandenburgische Wissenschaftsministerin Manja Schüle einmal mit zu den Jusos. „Sie haben sich Gedanken gemacht, wie die ganze Stadt in den Blick genommen werden kann und nicht nur studentisch geprägte Milieus. Da habe ich gesagt: Na gut, dann mache ich mit.“

Bei bundesweiten Vernetzungstreffen lernte er andere Jusos mit Migrationsgeschichte kennen, so wie die heutige stellvertretende Juso-Bundesvorsitzende Sarah Mohamed aus Bonn und den SPD-Stadtverordneten Liban Farah aus Marburg, dem Andicene inzwischen häufiger begegnet. Denn zurzeit studiert er im Master Politik und Wirtschaft in Marburg und pendelt somit zwischen Mittelhessen und Brandenburg. Er fahre gerne Zug, sagt der Potsdamer, der neben seinem Studium auch für den SPD-Landtagsabgeordneten Ludwig Scheetz aus Königs Wusterhausen arbeitet.

Für ein neues „Wir-Gefühl“ nach Corona

Wenn es nach ihm geht, sollen es künftig sogar noch mehr Zugfahrten werden. Denn er will ein Vorsitzender für alle Brandenburger Jusos sein und insbesondere den ländlichen Raum stärken. Die Jusos sollen ein Verband für alle junge Menschen sein, ob Potsdam oder Lausitz, ob Ausbildung oder Studium, ob mit Migrationsgeschichte oder Behinderung. „Wir müssen dafür sorgen, dass junge Menschen, die in Brandenburg groß werden, denken, wenn ich mich politisch engagieren will, muss ich zu den Jusos gehen“, sagt der neue Landesvorsitzende.

Er wolle ein neues „Wir-Gefühl“ schaffen. Nach der Corona-Pandemie, in der politische Arbeit oft nur digital möglich war. Aber auch nach einem Sexismus-Vorfall, der den vorherigen Landesvorstand betraf und infolgedessen es zu mehreren Rücktritten gab. Die Brandenburger Jusos haben den Fall aufgearbeitet und Konsequenzen gezogen, wie Andicene sagt. Ein Awareness-Team soll künftig professionell geschult werden und bei Konflikten direkt zuständig sein.

Superwahljahr 2024

Inhaltlich wirft bei den Brandenburger Jusos schon das Superwahljahr 2024 seine Schatten voraus. Im kommenden Jahr werden in Brandenburg die kommunalen Parlamente, der Landtag und natürlich auch das Europaparlament neu gewählt. Für die Europawahl im Mai 2024 deutet sich ein spannendes innerparteiliches Rennen an. Derzeit gibt es keine*n SPD-Europaabgeordnete*n aus Brandenburg. Sieben Personen treten an, um das zu ändern, drei von ihnen sind im Juso-Alter. Demnächst wollen die Jusos nach einer Veranstaltung mit allen Kandidat*innen entscheiden, wen sie unterstützen wollen.

* Schwarz ist eine Eigenbezeichnung, die viele afrodiasporische Menschen und Initiativen verwenden. Sie kommt aus dem englischsprachigen Rassismusdiskurs (»Black«). Auch hier geht es nicht um Hautfarbe, sondern um den Gegensatz zu weiß. Als politische Selbstbezeichnung wird Schwarz groß geschrieben. (Glossar Neue deutsche Medienmacher*innen)

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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