Dietmar Woidke: „Populisten haben kein Konzept für die Zukunft“
Am 22. September wählen die Brandenburger*innen einen neuen Landtag. Ministerpräsident Dietmar Woidke tritt erneut als SPD-Spitzenkandidat an. Im Interview beschreibt er, warum er Brandenburg auf einem guten Weg sieht und weshalb er mit aller Kraft gegen einen Rechtsruck kämpft.
Dirk Bleicker
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke beim Gespräch mit dem „vorwärts" in der Staatskanzlei in Potsdam.
Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am Sonntag hat die AfD stark zugelegt. Die SPD blieb in beiden Ländern einstellig. Welche Erkenntnisse ziehen Sie für die Brandenburger Landtagswahl am 22. September aus diesen Ergebnissen?
In Brandenburg haben wir eine völlig andere Ausgangssituation. Thüringen hat seit fünf Jahren eine Minderheitsregierung. In dieser Zeit ist das Land in vielen Rankings zurückgefallen, etwa bei der wirtschaftlichen Entwicklung. Brandenburg ist hier nach vorn gesprungen. Das zeigt: Politische Stabilität ist die Basis für wirtschaftliche und damit auch soziale Stabilität. Diese politische Stabilität wollen wir auch nach dem 22. September garantieren. Dafür stehe ich auch ganz persönlich mit meiner Erfahrung als Ministerpräsident.
Die entscheidende Frage für Brandenburg lautet: Wie können die Menschen optimistisch in die Zukunft schauen? Dafür braucht es Stabilität und Sicherheit. Auch wenn es eine Herausforderung wird: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es als Brandenburger SPD in der Hand haben, diese Wahl zu gewinnen. Und dafür müssen wir kämpfen.
Welchen Einfluss hat der Rechtsruck in Sachsen und Thüringen auf Ihren Wahlkampf?
Wir werden noch entschlossener an die Wählerinnen und Wähler herantreten und deutlich machen, dass das, was die Populisten und Rechtsextremen ihnen erzählen, kein Konzept ist, um die Zukunft zu gewinnen. Wer das schaffen will, muss sie gestalten. In Brandenburg haben wir dafür eine gute Grundlage geschaffen. Diese weiter auszubauen, ist eine gewaltige Aufgabe. Das wird nur mit einer stabilen und handlungsfähigen Landesregierung funktionieren.
Woran machen Sie diese Grundlage fest?
Zum Beispiel beim Wirtschaftswachstum. Dort zählt Brandenburg bundesweit zur Spitze. Das Rezept dafür ist die Verbindung von Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Kompetenz.
Mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien haben wir gezeigt, dass Klimaschutz und Wirtschaftswachstum nicht nur kein Widerspruch sind, sondern dass gerade dadurch zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen. Die Nachhaltigkeit der Wirtschaft muss auch weiterhin so gestaltet werden, dass die Menschen einen Nutzen davon haben. Die gute Entwicklung der Wirtschaft muss sich für die Menschen auszahlen.
Bei den Durchschnittseinkommen liegt Brandenburg im Osten vorne und hat bereits zwei westdeutsche Länder überholt. Wir sind die ersten Schritte eines Weges gegangen, der funktioniert. Diesen Weg wollen wir fortsetzen.
Die AfD führt die Wahlumfragen für Brandenburg mit 23 bis 24 Prozent an, die SPD folgt mit 19 bis 20 Prozent. Wie wollen Sie das in den kommenden drei Wochen aufholen?
Bei Umfragen zu Landtagswahlen geht es bis kurz vor dem Wahltermin stärker um die Bundesebene. Diese hilft uns momentan nicht wirklich.
Die Menschen in Brandenburg schätzen die Bundespolitik diametral anders ein als die Arbeit ihrer Landesregierung. Wir werden deshalb in den kommenden Wochen deutlich machen, dass es bei der Wahl am 22. September allein um Brandenburg geht – und darum, wer dieses Land künftig führt.
Die Brandenburgerinnen und Brandenburger kennen mich. Die meisten sind mit meiner Arbeit zufrieden. Auch bei der Frage, wer Ministerpräsident werden oder bleiben soll, steht mehr als die Hälfte hinter mir. Das werden wir noch stärker zum Tragen bringen. Denn wichtiger als ein lautes Mundwerk ist gutes Handwerk.
Dietmar Woidke
Brandenburg braucht Stabilität und Sicherheit.
Sie haben angekündigt, nur dann Ministerpräsident bleiben zu wollen, wenn die SPD auch stärkste Kraft wird. Warum?
So funktioniert Demokratie. Es ist für mich eine große Ehre, wieder als Spitzenkandidat für die Brandenburger SPD anzutreten. Bei der Landtagswahl wird aber auch über meine Arbeit der vergangenen elf Jahre abgestimmt.
Die Wahlkampagne ist in großen Teilen auf mich zugeschnitten. Wenn man den Menschen sagt, dass es bei der Wahl ganz wesentlich um Dietmar Woidke geht, kann ich nicht einfach sagen: Wenn es schiefgehen sollte, mache ich aber trotzdem weiter. Gerade in Zeiten wie diesen braucht man als Ministerpräsident die Unterstützung der Bevölkerung. Die Brandenburgerinnen und Brandenburger haben es in der Hand.
Bei ihren Wahlkampfauftritten greifen Sie die AfD häufig mit deutlichen Worten an. Weshalb?
Warum sollte ich Rechtsextreme denn nicht mit deutlichen Worten angreifen? In meinem Amtseid habe ich geschworen, Schaden vom Land abzuwenden. Das heißt für mich derzeit zuallererst, Gutes für Brandenburg zu erreichen und damit einen Wahlsieg einer in weiten Teilen rechtsextremen Partei zu verhindern.
Rechtsextremisten dürfen in diesem Land nie wieder an den Hebeln der Macht sitzen. Das ist für mich ein persönlicher Auftrag. Unsere stolze Brandenburger Fahne darf keine braunen Flecken kriegen.
Wie lässt sich die AfD wieder kleinkriegen?
Das geht nur durch gute Politik für die Menschen und indem wir ihnen nicht nur vor Wahlen immer wieder erklären, was wir tun. Wir müssen wahrnehmen, welche Probleme und welche Erwartungen die Menschen an uns haben. Wir müssen sie mitnehmen und zeigen, dass demokratische Prozesse funktionieren, selbst wenn sie manchmal anstrengend sind. Und dass es zur Demokratie keine Alternative gibt.
Sie sind seit mehreren Wochen mit „Strohballenfesten“ überall im Land unterwegs und mit den Brandenburger*innen im Gespräch. Wie nehmen Sie die Stimmung im Land wahr?
Ich nehme die Stimmung als positiv und konstruktiv wahr. Sie ist nicht schlechter als vor fünf Jahren, als wir ähnliche Umfragewerte hatten. Mir gegenüber ist sie sogar besser, so sagen es auch die Umfragen. Bei bisherigen Wahlkampfveranstaltungen waren Menschen, die stören wollten, die Ausnahme. Und auch von ihnen haben viele meiner Rede zugehört und danach mit mir gesprochen. Ganz ohne Gebrüll und Geschrei.
Dietmar Woidke
Rechtsextremisten dürfen nie wieder an den Hebeln der Macht sitzen.
Worauf setzt die SPD im Wahlkampf?
Das sind drei Punkte. Brandenburg braucht Sicherheit und Stabilität. Dafür stehe ich. Dafür steht die Brandenburger SPD. Zweitens: Das ist die Grundlage für eine gute wirtschaftliche Entwicklung, die bei allen Menschen ankommt. Und drittens: Wir verteidigen unsere starke Gemeinschaft in Brandenburg und gewinnen die Wahl am 22. September.
Brandenburg steht nicht nur wegen des Kohleausstiegs vor großen Veränderungen. Wie wollen Sie die als Ministerpräsident künftig gestalten?
Am entscheidendsten ist, dass die Wirtschaft sich gut entwickelt, denn nur so lassen sich alle Vorhaben auch finanzieren.
Brandenburg hatte im vergangenen Jahr nach Mecklenburg-Vorpommern das beste Wirtschaftswachstum aller Bundesländer. Auch in Vorjahren lagen wir mit vorne. Das Lohnniveau bei uns ist das beste aller östlichen Bundesländer.
Diesen Weg will ich weitergehen. Dafür müssen die hier günstig erzeugten Erneuerbaren Energien regional nutzbar und so eine weitere Stärkung der Industrie, des Mittelstands und des Gewerbes in Brandenburg erreicht werden.
Dietmar Woidke
Das Lohnniveau bei uns ist das beste aller östlichen Bundesländer.
Wofür soll das so erwirtschaftete Geld ausgegeben werden?
Viel Geld werden wir für die Gesundheitsversorgung brauchen. Die Ausbildung von Ärzten ist eine riesige Herausforderung für Brandenburg, der wir uns mit dem Aufbau der Universitätsmedizin in Cottbus stellen. Das ist wichtig, um eine gute medizinische Versorgung in der Fläche sicherzustellen.
Ein weiterer Punkt ist der Ausbau von Infrastruktur, vor allem bei der Schiene. So werden Regionen erschlossen, die dadurch attraktiver werden fürs Wohnen und für Wirtschaftsansiedlungen.
Bei der Beitragsfreiheit für Krippe und Hort wollen wir vorankommen und weiter in Bildung investieren. Ein viertes wichtiges Anliegen ist die Stärkung der Polizeipräsenz, gerade in der Fläche. Dafür werden wir Zahl der Polizistinnen und Polizisten in Brandenburg auf 9.000 erhöhen. Gleichzeitig werden wir auch die Ehrenamtlichen, die uns helfen – die Freiwillige Feuerwehr und den Katastrophenschutz – deutlich stärker unterstützen.
Umfrage: AfD und SPD legen zu
Laut einer am 6. September vom rbb veröffentlichten Umfrage zur Landtagswahl legt die AfD in Brandenburg weiter zu. Demnach kommt die Rechtsaußenpartei aktuell auf 27 Prozent, das sind vier Prozentpunkte mehr als im Juli. Ebenso groß ist das Plus für die SPD. Sie liegt nun bei 23 Prozent, so infratest dimap.
Die CDU verliert einen Punkt und erreicht 18 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht könnte mit 15 Prozent der Stimmen rechnen (minus ein Prozent). Die Grünen verlieren zwei Punkte und würden mit fünf Prozent knapp wieder in den Landtag einziehen. Die Linken stehen bei vier Prozent und wären nicht mehr im Parlament vertreten. BVB/Freie Wähler liegen unverändert bei drei Prozent.