Berliner Kultur: Warum die SPD vor Einsparungen in der Hauptstadt warnt
Berlin muss sparen. Das soll nach Plänen der CDU auch für Kulturbetriebe gelten. Melanie Kühnemann-Grunow, SPD-Fraktionsvize im Abgeordnetenhaus, warnt vor dramatischen Folgen.
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Aktionstag #BerlinistKultur am 16. Oktober: Um gegen drohende Mittelkürzungen bei Kunst und Kultur zu protestieren, zieren Absperrbänder die Berlinische Galerie.
Berlins Kulturszene ist alarmiert: In den kommenden beiden Jahren soll sie auf zehn Prozent der Fördermittel vom Land Berlin verzichten. So sehen es Planungen von Finanzsenator Stefan Evers vor. Angesichts der Milliardenlöcher im kommenden Doppelhaushalt will der CDU-Politiker sämtliche Einzeletats um zehn Prozent schröpfen.
Kunst- und Kulturbetriebe in der Hauptstadt protestieren gegen Evers‘ Einsparplan, so auch kürzlich während des Aktionstages #BerlinistKultur: Sie fürchten nicht nur um ein wichtiges Aushängeschild der Metropole, sondern auch um ihr wirtschaftliches Überleben.
Auch aus der SPD, dem Koalitionspartner der CDU, kommt Kritik am Kurs des Finanzsenators. Melanie Kühnemann-Gurow, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, fordert eine Abkehr vom „Rasenmäherprinzip“, das nicht nur kleine Einrichtungen vor massive Probleme stellen würde, wie sie im Interview mit dem „vorwärts“ betont.
Laut CDU-Finanzsenator Stefan Evers sind die Berliner Kulturausgaben seit dem Jahr 2019 „über das normale Maß hinaus“ gestiegen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Nein. Die deutlichen Steigerungen beim Gesamttopf für Kultur kamen durch Corona-Mittel, IFF-Förderungen und andere Investitionsmaßnahmen zustande. Diesen Punkt verschweigt Evers. Der eigentliche Kulturhaushalt, also der Einzelplan 8, ist seinerzeit nicht überverhältnismäßig angewachsen. Es ging um eine Weichenstellung. Wir haben Prioritäten gesetzt. Nun verlangt Evers, dass Kulturstätten zehn Prozent von der Gesamtsumme einsparen sollen. Das finde ich schwierig.
Welche Folgen hätte es für die Hauptstadtkultur, sollten die Fördermittel tatsächlich um, wie Evers verlangt, 120 Millionen reduziert werden?
Das würde nicht spurlos an der Kulturszene vorbeigehen. Sie hat sich gerade einigermaßen von der Pandemie erholt. Die Besucherzahlen sind wieder gut. Diese Entwicklung bekäme einen riesigen Dämpfer. Würde rasenmähermäßig festgelegt, dass alle geförderten Kulturbetriebe zehn Prozent einsparen müssen, können Zuwendungsempfänger mit kleineren Projekten einpacken.
Größere Häuser würden wohl weniger Inszenierungen anbieten und dadurch weniger Publikum anziehen. Das hätte unabsehbare Folgen für den Wirtschaftsstandort Berlin, Kultur ist hier ein entscheidender Standortfaktor. Doch Einrichtungen wie die Staatsoper hätten keine andere Wahl, selbst wenn sie Mittel auch von anderen Seiten erhält und Einnahmen über Tickets erwirtschaften. Vom Land Berlin kommen jährlich 60 Millionen. Fallen zehn Prozent weg, müssten sechs Millionen Euro kompensiert werden. Diese Summe kann das Haus weder beim Personal noch bei den technischen Unterhaltungskosten streichen.
Hat Evers seine Einsparforderung zu Ende gedacht?
Nein. Meine Kritik an dem gießkannenartigen Ansatz, dass alle Ressorts zehn Prozent einsparen sollen, betrifft aber nicht nur Evers. Diesen Kurs vertreten auch andere Senatsmitglieder von der CDU. Von Kultursenator Joe Chialo würde ich mir wünschen, dass er sehr viel mehr für seinen Bereich kämpft. Stattdessen wiederholt er gebetsmühlenartig, auch die Kultur müsse ihren Beitrag zum Sparhaushalt leisten.
Und das, obwohl der Kulturhaushalt nur einen kleinen Teil des Gesamtetats umfasst. Wir dürfen nicht vergessen: Die Kultur ist unsere Schwerindustrie. Wir haben in Berlin nichts anderes. Das ist das, was Touristen in die Stadt bringt. Jeder Euro, der hier für Kultur ausgegeben wird, hat eine immense Hebewirkung.
Wie sind die Sparpläne für die Kultur vor diesem Hintergrund zu erklären?
Offenbar steckt dahinter eine gewisse Taktik. Durch das Gießkannenprinzip sollen andere Bereiche vor größeren Streichungen bewahrt werden. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner nennt mantraartig Sicherheit und Bildung. Die Berliner CDU sollte endlich den Stellenwert der Kultur erkennen.
Melanie
Kühnemann-Grunow
Die Berliner CDU sollte endlich den Stellenwert der Kultur erkennen
Unabhängig von der Höhe scheinen Einsparungen im Kulturbereich unvermeidlich zu sein. Welchen Beitrag könnte er leisten, ohne dauerhaft Schaden zu nehmen?
Wir sollten mehr auf Strukturen jenseits des künstlerischen Outputs schauen. Innerhalb der Verwaltung ließe sich eine Menge verändern. Man sollte sich fragen: Wo lassen sich Abrechnungsverfahren verschlanken? Welche Strukturen werden vorgehalten, die nicht unbedingt notwendig sind?
Mit Blick auf die Kulturschaffenden sollte man abwägen, wer mehr und wer weniger tragen kann. Es gibt durchaus starke Schultern. Große Institutionen haben andere Möglichkeiten als kleine. Die Opernstiftung wird die Sparrunde überstehen.
Bei kleinen Häusern wie dem RambaZamba Theater oder dem Prime Time Theater, die uns als SPD sehr am Herzen liegen, sieht das anders aus. Beide werden vom Land Berlin mit jährlich 150.000 Euro gefördert. Nimmt man ihnen zehn Prozent weg, können die Menschen dort nicht mehr viel machen. Selbst eine Nullrunde käme angesichts der immensen Kostensteigerung einer Kürzung gleich.
Ich wünsche mir, dass bei einigen der Groschen fällt, dass die Kultur nicht unbedingt zehn Prozent einsparen muss.
Das weitere Vorgehen beim Haushalt und die geplanten Kürzungen werden die bevorstehende gemeinsame Fraktionsklausur von SPD und CDU dominieren. Welche Erwartungen haben Sie an das Treffen?
Ich erwarte, dass wir miteinander diskutieren und festlegen, welche Bereiche wie viel einsparen müssen, dass wir uns also vom Rasenmäherprinzip verabschieden. Es gibt milliardenschwere Einzelpläne, die vielleicht etwas mehr zum Einsparziel beitragen könnten. Am besten in Bereichen, wo es Bürgerinnen und Bürger am wenigsten trifft. Die Kürzungen müssen sozial ausgewogen sein. Das ist mir am wichtigsten.
muss ich das verstehen ?
Die Giffey-SPD ist doch selbst an der Regierung