Kultur

Filmtipp „RambaZamba“: Inklusion auf der Theaterbühne

Grenzen überwinden im Zeichen der Kunst: Der Dokumentarfilm „RambaZamba“ stellt das gleichnamige Berliner Theater vor. Seine Entstehung haben die porträtierten Schauspieler*innen mit Downsyndrom auf besondere Weise beeinflusst.
von ohne Autor · 12. Mai 2023
Im Theater „RambaZamba“ leben Menschen mit und ohne Behinderung ihre Liebe zur Kunst.
Im Theater „RambaZamba“ leben Menschen mit und ohne Behinderung ihre Liebe zur Kunst.

Auf der Theaterbühne nehmen sich eine Frau und ein Mann bei den Händen und wiegen sich miteinander im Fluss der Musik. Als sie verklungen ist, lässt Moritz Höhne mit behutsamer Zärtlichkeit eine Hand am nach oben gereckten Arm seiner Partnerin Roberta Pupotto bis hinab zu ihrer Schulter gleiten. Es ist nicht ganz klar, ob es sich um eine bewusste künstlerische Geste oder einen spontanen Gefühlsausdruck handelt.

Menschen mit und ohne Behinderung spielen gemeinsam Theater

So oder so liegt in dieser Szene eine besondere Kraft. Der schwelgende und schweigende Tanz gehört zur Probe in einem besonderen Theater, dem „RambaZamba“. Vor 33 Jahren wurde es von Moritz Höhnes Eltern als seinerzeit revolutionäres Inklusionsprojekt in Berlin gegründet: Menschen mit und ohne Downsyndrom spielen gemeinsam Theater.

Wenn man unter Inklusion vor allem Einbeziehung versteht, dann greift der Begriff im Falle jenes Theaters im Stadtteil Prenzlauer Berg definitiv zu kurz. Menschen mit Downsyndrom – wie zum Beispiel Moritz Höhne – werden dort nicht „beschäftigt“ oder „therapiert“: Als ausgebildete und regelmäßig trainierte Darsteller*innen sorgen sie dafür, einen ganz eigenen kreativen Ausdruck für dramatische Stoffe zu entwickeln und umzusetzen.

Sie bilden das Zentrum des Ganzen. Begleitet und angeleitet werden sie von Ensemblemitgliedern, Regisseur*innen und Gästen ohne Handicap – zum Beispiel von der Tänzerin Roberta Pupotto. Oder auch von prominenten Schauspielerinnen wie Eva Mattes und Angela Winkler. Dank seiner unkonventionellen, aber anspruchsvollen Aufführungen zählt das „RambaZamba“ zu den angesehensten Inklusionstheatern. Davon zeugen die bislang mehr als 200 Gastspiele an anderen Häusern.

Verschiedene Temperamente

Für seinen Dokumentarfilm „RambaZamba“ hat der Regisseur, Drehbuchautor und Kameramann Sobo Swobodnik das rund 30-köpfige Ensemble gut sechs Monate lang begleitet: von der ersten Leseprobe bis zur Premiere einer „Golem“-Inszenierung. Der Kinostart war ursprünglich im Jubiläumsjahr 2020 geplant, doch Corona sorgte für Verzögerungen.

Ob Reibereien beim Proben wegen verschiedener Temperamente oder das mühsame Einstudieren von Posen und Dialogen: Im Grunde zeigt Sobo Swobodnik den ganz normalen Wahnsinn an einem Theater. Und doch ist stets das Besondere dieses Ortes, der pro Spielzeit 100 Vorstellungen erlebt, zu spüren. Im Mittelpunkt steht nicht die Beeinträchtigung der Mitwirkenden, sondern ihre Fantasie und Kreativität.

Kurzum: ihre Individualität, ihr innerer Reichtum. Immer wieder zeigt sich, welche Bezüge das Stück zu ihrer Lebenssituation bietet. Moritz Höhne und die anderen Ensemblemitglieder werden uns jenseits von jeglichem Voyeurismus unglaublich nahegebracht. Wofür sie brennen, was sie erleben und berichten, bildet die Grundlage der Erzählung.

Mitwirkende filmen ihren Alltag

Auf einen Off-Text oder Interviews mit Menschen außerhalb des Ensembles hat Sobo Swobodnik ganz bewusst verzichtet. Diese offene Struktur macht die Orientierung für Zuschauende nicht immer leicht, doch dafür wird man mit besonderen Einblicken belohnt, die so noch nicht zu sehen waren und die man nicht vergisst.

Vor allem aber ist „RambaZamba“ nicht nur ein Film über Künstler*innen mit Downsyndrom, sondern auch von ihnen. Mit einem Camcorder filmten sie sich und ihren Alltag abseits der Bühne. Wir sehen, wie sie wohnen und welchen Hobbys oder Interessen sie nachgehen. Auch hier erscheint einem vieles vertraut. Und es zeigt sich, welche Potenziale gerade die Kunst in Menschen weckt, die häufig Benachteiligungen erfahren.

Somit wird Sobo Swobodnik Werks zum Teil jenes künstlerischen Prozesses, an dessen Ende eine neue und aufwühlende Adaption des „Golem“ steht. „Das Ein-bisschen-daneben-Sein, Anderssein ist eine Bereicherung“, sagt Angela Winkler. Ihre Tochter Nele zählt ebenfalls zum Ensemble. Das Theater „RambaZamba“ und dieser Film liefern den Beweis für den Ausspruch der Aktrice. Und es bleibt der Gedanke, dass unsere Welt womöglich eine bessere wäre, wenn es noch viel mehr Orte wie das Theater „RambaZamba“ geben würde.

Info: „Ramba Zamba“ (Deutschland 2023), ein Film von Sobo Swobodnik, mit Juliana Götze, Hieu Pham, Moritz Höhne, Sebastian Urbanski, Nele Winkler u.a.

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