Inland

Asylpläne von Merz: Warum die Vorschläge teilweise rechtswidrig sind

Union-Kanzlerkandidat Friedrich Merz polarisiert mit scharfen Forderungen in der Migrationspolitik. Doch ein Abgleich mit geltendem EU-Recht und dem Grundgesetz ergibt: Vieles ist davon ist gar nicht haltbar.

von Lea Hensen · 27. Januar 2025
Hat zuletzt mehrfach schnell seine Meinung gewechselt: CDU-Chef und -Kanzlerkandidat Friedrich Merz

Hat zuletzt mehrfach schnell seine Meinung gewechselt: CDU-Chef und -Kanzlerkandidat Friedrich Merz

Als Reaktion auf den tödlichen Messerangriff eines Asylbewerbers in Aschaffenburg und die Taten in Mannheim, Solingen und Magdeburg fordert CDU-Chef Friedrich Merz eine härtere Migrationspolitik. Der Bundestag soll kommende Woche über zwei Anträge abstimmen – zur Not auch mit Stimmen der AfD. „Mir ist es völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht“, sagte Merz. 

Bundeskanzler Olaf Scholz kritisiert, dass viele Vorschläge der Union gegen das Grundgesetz oder europäisches Recht verstoßen. Auch SPD-Fraktionsvize und Innenexperte Dirk Wiese betont: „Wir als SPD haben ein klares Prinzip, das sich an Humanität und Ordnung und an der Durchsetzung des Rechtsstaats ausrichtet. Was Friedrich Merz auf den Tisch gelegt hat, sind Regelungen, die weder in Einklang sind mit unserer Verfassung noch mit europäischem Recht und internationalen Konventionen.“

Ein Überblick:

Die Union fordert dauerhafte Kontrollen an den deutschen Grenzen. Ist das rechtlich möglich?

Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Raums sind laut EU-Recht nicht vorgesehen. Sie sind aber befristet für sechs Monate möglich, wenn „die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit in einem Mitgliedstaat ernsthaft bedroht sind". Sie können auf drei Jahre verlängert werden, sollte die Bedrohung anhalten.

Keine Grenzkontrollen im Schengenraum

In Deutschland finden Kontrollen an den Grenzen bereits statt – Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte sie nach dem Attentat von Solingen angeordnet und zuletzt verlängert. Sie sollen aber die Ausnahme bleiben – und nicht wie von Merz gefordert, Dauerzustand. Dann wäre nämlich das Schengensystem adé.

Wer keine EU-Staatsangehörigkeit besitzt und keine gültigen Einreisedokumente hat, soll an deutschen Grenzen zurückgewiesen werden – auch wenn er einen Asylantrag stellt. Was sagt das EU-Asylrecht dazu?

Pauschale Zurückweisungen sind in Deutschland nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Artikel 16a gibt vor, dass politisch Verfolgte Asylrecht genießen – es muss also in jedem Fall geprüft werden, ob ein Schutzanspruch besteht. Selbst wenn ein anderer EU-Staat für das Asylverfahren zuständig ist, muss Deutschland diese Zuständigkeit laut EU-Asylrecht erst einmal ermitteln und dafür die Einreise ermöglichen. Nur in Einzelfällen können Personen abgewiesen werden.

Ungarn wird von Brüssel abgestraft

Merz kündigte an, die Kontrollen und Zurückweisungen per Richtlinienkompetenz durchzusetzen, sollte er Bundeskanzler werden. Es ist sehr fraglich, dass die EU-Kommission da mitgeht. Ungarn beispielsweise missachtet seit Jahren das europäische Asylrecht. Weil das Land seine Grenzen zu anderen EU-Staaten abriegelt, kassiert es Strafen und Brüssel und verliert Milliarden aus dem EU-Haushalt. 

Die Union fordert schnellere Abschiebungen. Gibt es dabei rechtliche Probleme?  

Nach den Plänen der Union sollen Abschiebungen „täglich stattfinden", regelmäßig auch nach Afghanistan und Syrien. Merz fordert eine Abschiebehaft für Personen, die ausreisepflichtig sind, für Straftäter soll diese sogar unbefristet sein.

Dabei dürfen laut Aufenthaltsgesetz gar nicht alle Menschen, die keine Bleibeperspektive in Deutschland haben, abgeschoben werden. Der Großteil von ihnen wird befristet geduldet, zum Beispiel aus „humanitären Gründen“, wenn eine schwere Krankheit vorliegt oder, weil kein Pass vorliegt und die Herkunftsländer keine Rückführungen ermöglichen.Merz‘ Forderungen nach täglichen Abschiebungen ist insofern hochgegriffen, da es in der Praxis in den Ländern oft faktische Hindernisse gibt, die Rückführungen erschweren. Fraktionsvize Wiese betont, es gehe darum, diese Hindernisse zu beseitigen. „Da sind wir dran, aber das ist mühsame Kleinarbeit, die löst man nicht mit fünf populistischen und vor allem rechtswidrigen Forderungen.“

Davon mal abgesehen hat die Ampel-Koalition bereits mehrere Gesetzesverschärfungen beschlossen, die Abschiebungen erleichtern, erinnert Wiese. Demnach ist ein Ausreisegewahrsam in bestimmten Fällen von bis zu 28 Tagen möglich, wenn verhindert werden soll, dass der Ausreisepflichtige abtaucht. Eine unbefristete Haft wäre nicht mit deutschen Recht vereinbar. 

Dirk Wiese

„Das ist mühsame Kleinarbeit, die löst man nicht mit fünf populistischen und vor allem rechtswidrigen Forderungen.“

Eine Abschiebehaft wird ohnehin nur als letzte Option auf Anordnung eines Richters verhängt – davor bekommt der Ausreisepflichtige Zeit, freiwillig zu gehen. Auch dürfen Abzuschiebende nicht in den Strafvollzug. Wo sie stattdessen untergebracht werden, entscheiden die Länder. 

Die Bundesregierung arbeitet bereits an einer schnelleren Abschiebung von Kriminellen – auch nach Afghanistan und Syrien, wo der Bürgerkrieg lange Rückführungen verhinderte. Es werde einen Zeitpunkt geben, an dem Straftäter auch nach Syrien zurückgeführt werden, sagte Scholz nun im „Bericht aus Berlin“: „Und ich hoffe, der ist bald."

Nennt Merz in seinem Fünf-Punkte-Plan überhaupt einen Punkt, der rechtlich umsetzbar ist?

Merz fordert, dass die Bundespolizei mehr Befugnisse bekommen soll, um die Länder bei Abschiebungen zu unterstützen. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagt: „Da haben wir bereits 2021 in der Großen Koalition Veränderungen beschlossen, sind aber unter anderem wegen der unionsgeführten Länder, insbesondere Bayern, damals gescheitert.“

Friedrich Merz erwägt, im Zweifel einen Notstand auszurufen, um seine Maßnahmen EU-rechtskonform durchzusetzen. Ist das realistisch?

Letztendlich müssten Gerichte prüfen, ob ein Notstand gerechtfertigt ist. Fraktionsvize Wiese sagt: „Ein Notstand nach EU-Recht setzt eine erhebliche Störung der Sicherheit und Ordnung und eine hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit voraus. Das ist bei uns definitiv nicht der Fall.“

Neben dem Fünf-Punkte-Plan fordert die Union auch 27 Sofortmaßnahmen zur inneren Sicherheit. Sind diese umsetzbar?

Die Maßnahmen beinhalten kontroverse Forderungen, wie den Entzug des deutschen Passes bei Menschen mit doppelte Staatsangehörigkeit, die schwere Straftaten begehen. Das ist verfassungsrechtlich nicht möglich. Andere Idee, wie eine Stärkung der Nachrichtendienste, Sicherheitsbehörden und der Justiz durch Ausweitung von Befugnissen oder mehr Personal, dürften auf Zustimmung treffen. 

Welche Aussicht haben die Anträge im Bundestag?

Da die CDU nicht Teil der Bundesregierung ist, kann sie nur sogenannte Erschließungsanträge stellen, die wie eine Aufforderung an die Regierenden zu verstehen sind. Die beiden Anträge könnten aber angenommen werden, wenn zusätzlich die Abgeordneten von FDP, BSW und AfD dafür stimmen würden. 

Autor*in
Lea Hensen
Lea Hensen

ist Redakteurin des „vorwärts“.

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