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Unions-Antrag mit AfD beschlossen: Diese Folgen hat die Zäsur im Bundestag

Die Union will mehr Härte in der Migrationspolitik –  egal, mit welchen Stimmen. Nun hat CDU-Chef Friedrich Merz eine Mehrheit mit der AfD erreicht. Am Freitag droht eine Fortsetzung.

von Lea Hensen · 29. Januar 2025
Zäsur im Bundestag: CDU-Chef Friedrich Merz (rechts) nimmt eine Mehrheit durch Stimmen der AfD in Kauf.

Zäsur im Bundestag: CDU-Chef Friedrich Merz (rechts) nimmt eine Mehrheit durch Stimmen der AfD in Kauf.

Die Debatte wird vielleicht in die Geschichte eingehen, sie war so emotional wie einmalig: Der Bundestag hat am Mittwoch einem Unions-Antrag für die Zurückweisung von Migrant*innen an deutschen Grenzen zugestimmt – und zwar mit den Stimmen der AfD. Nach der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Friedrich Merz noch betont, die Demokratie in Deutschland sei in Gefahr. Anschließend nutzte er die Stimmen von Rechtsaußen, um eine Mehrheit zu erreichen. Der Antrag seiner Fraktion wurde mit knapper Mehrheit von 348 zu 345 Stimmen angenommen, ohne die Stimmen der AfD wäre er gescheitert.

Keine direkten Auswirkungen, aber eine Zäsur

Damit hat der Unions-Kanzlerkandidat einen Tabubruch begangen. Die demokratischen Parteien hatten bislang ausgeschlossen, Beschlüsse zu fassen, die nur mit den Stimmen der AfD zustande kommen. Nach dem Ampel-Aus hatten sie diesen Konsens bekräftigt. Doch nach mehreren tödlichen Angriffen von Zugewanderten hatte CDU-Chef Merz ende vergangener Woche angekündigt, seine Forderung nach härterer Asylpolitik auch mit den Stimmen der AfD durchzusetzen. „Was in der Sache richtig ist, wird nicht falsch, wenn die Falschen zustimmen“, sagte er, sowie: „Ich gucke nicht rechts und nicht links. Ich gucke in diesen Fragen nur geradeaus."

Die Abstimmung von Mittwoch hat keine direkte Auswirkung auf politisches Handeln. Doch sie ist eine Zäsur – und weist auf Freitag voraus. Dann könnte ein Gesetz mit AfD-Stimmen beschlossen werden. Nach aktuellem Stand ist das sogar wahrscheinlich. 

Worum ging es in dem Antrag?

Nach einer Reihe von tödlichen Angriffen durch Zugewanderte, zuletzt in Aschaffenburg, hatten CDU/CSU zwei kontroverse Anträge aufgesetzt: Ein Fünf-Punkte-Plan forderte im Kern die Zurückweisung von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen sowie eine dauerhafte Inhaftierung von Ausreisepflichtigen, die nicht abgeschoben werden können und nicht freiwillig gehen. Der zweite Antrag forderte mehr innere Sicherheit und wollte unter anderem straffällig gewordenen Doppelstaatler*innen die deutsche Staatsangehörigkeit entziehen. 

Wie wurde am Mittwoch abgestimmt?

Der Antrag zur inneren Sicherheit bekam keine Mehrheit, weil nicht nur SPD, Grüne und Linke, sondern auch die FDP, die AfD und das BSW dagegen waren. 190 Abgeordnete stimmten für den Antrag, 509 dagegen, drei enthielten sich.

Der Fünf-Punkte-Plan für pauschale Zurückweisungen wurde dagegen mit 348 Ja-Stimmen und 345 Nein-Stimmen angenommen, es gab zehn Enthaltungen. Notwendig war eine einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. FDP, AfD und  fraktionslose ehemalige AfD-Abgeordnete stimmten zu, SPD, Grüne, BSW und Linke lehnten ab.

Was passiert jetzt?

Auch wenn der Fünf-Punkte-Plan beschlossen ist – direkte Auswirkungen auf das Regierungshandeln hat er nicht. Es handelt sich um einen sogenannten Entschließungsantrag, der die Regierung lediglich zu einem schärferen Asylkurs auffordert. Rechtlich bindend ist er nicht. Hinzu kommt, dass die Forderungen stellenweise sogar gegen Grundgesetz oder EU-recht verstoßen

Worum geht es in dem Gesetzesvorhaben am Freitag?

Am Freitag wird der Bundestag über den Entwurf für ein „Gesetz zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen" abstimmen. Die Union will damit einen Passus im Aufenthaltsgesetz ändern: Dort soll zukünftig von einer „Begrenzung des Zuzugs von Ausländern“ die Rede sein – und nicht wie bislang von einer „Steuerung“. Das Gesetz will den Familiennachzug von Personen mit eingeschränktem Schutzstatus stoppen und die Zuständigkeit der Bundespolizei erweitern. Dort, wo sie tätig sind – zum Beispiel an Bahnhöfen – sollen Bundespolizist*innen „eine eigene Zuständigkeit für die Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen“ bekommen. Sie könnten dann Abschiebehaft und Gewahrsam selbst anordnen, auch ohne Zustimmung von Gerichten.

Wie werden die Parteien wohl abstimmen?

Die AfD hat bereits angekündigt, zuzustimmen, da der Gesetzentwurf klar ihrer politischen Linie entspricht. Auch BSW und FDP haben das angekündigt. Gemeinsam mit CDU/CSU kommen sie auf 372 Abgeordnete – da der Bundestag 733 Sitze hat, wäre das eine Mehrheit. Wenn nicht alle Abgeordneten der Parteien abstimmen, wären – so wie am Mittwoch – die Stimmen der Fraktionslosen entscheidend.

Von dem Gesetz wären auch die Länder betroffen, deswegen müsste auch der Bundesrat darüber entscheiden. Dazu käme es wohl erst nach der Bundestagswahl. 

Wie könnte der Bundesrat entscheiden?

Sieben der 16 Bundesländer sind SPD-geführt und werden das Gesetz wohl ablehnen. In einem Brief an die CDU-Ministerpräsidenten appellierten sie: „Die Brandmauer zwischen demokratischen und undemokratischen Parteien darf nicht ins Wanken geraten.“ In drei Bundesländern regiert die Union gemeinsam mit den Grünen, dort dürfte es mindestens zu schwierigen Diskussionen kommen. Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, hat bereits angekündigt, dem Gesetz nicht zuzustimmen, sollte es den Bundestag mit Stimmen der AfD passieren. Lediglich Bayern, wo die CSU mit den Freien Wählern regiert, dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit zustimmen. 

Doch auch wenn unsicher ist, ob die erhobenen Forderungen am Ende praktische Auswirkungen haben, haben die Abstimmungen über die Unions-Forderungen hohe Symbolkraft. Als die Ergebnisse am Mittwoch bekannt gegeben wurden, jubelten die Abgeordneten der AfD. „Jetzt beginnt eine neue Epoche“, sagte AfD-Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich beantragte, die laufende Sitzung zu unterbrechen. „Wir sind der Überzeugung, dass wir nicht so einfach zur Tagesordnung des Plenums übergehen können", sagte er im Namen der Fraktionen von SPD und Grünen.

Friedrich Merz erklärte, er bedauere das Zustandekommen der Mehrheit. SPD und Grünen hätten am Freitag Gelegenheit, einem weiteren Gesetzesvorhaben zuzustimmen, um den Stimmen der AfD vorwegzukommen. SPD-Parteichef Lars Klingbeil reagierte prompt: „Sie glauben doch nicht, dass wir nach dieser Geschichte noch mit Ihnen verhandeln“, rief er Merz zu.

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