Fraktionsvize: „Auch die SPD steht im Fadenkreuz russischer Geheimdienste.“
„Russland versucht systematisch, unsere Demokratie zu destabilisieren“, warnt SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese. Um dem etwas entgegenzusetzen, brauche es ein Sondervermögen für die innere Sicherheit – und mehr Aufklärung über russische Desinformation.
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Russland sieht uns als Gegner. SPD-Fraktionsvize sieht Deutschland zunehmend gefährdet und fordert klare Gegenmaßnahmen des Staates.
Sie warnen, die Bedrohung Deutschlands durch russische Spionage, Sabotage, Desinformation und Cyberangriffe habe eine neue, beispiellose Dimension erreicht. Woran machen Sie das fest?
Russland versucht systematisch, unsere Demokratie zu destabilisieren. Wir sehen – insbesondere nach dem russischen Angriff auf die Ukraine – eine deutliche Zunahme der Angriffe, auf allen Ebenen. Ganz aktuell etwa die russische Verleumdungskampagne gegen Außenministerin Annalena Baerbock. Wir sind klar im Fokus der hybriden Kriegsführung Russlands.
Das gilt auch für Rheinmetall-Chef Armin Pappberger, gegen den Russland einen Anschlag geplant hatte. Sie haben eine „harte und unmissverständliche Antwort“ gefordert.
Die gibt es auch. Wir haben aber schon davor diplomatisches Personal Russlands, das unter dem Deckmantel der Diplomatie für russische Geheimdienste arbeitet, des Landes verwiesen. Und wir haben die europäischen Sanktionspakete mit vorangetrieben.
Der Verfassungsschutz warnt die deutsche Wirtschaft vor russischer Spionage und Sabotage. Ist der Schutz davor Aufgabe der Unternehmen oder des Staates?
Sowohl als auch: Beide sind gefordert. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) leistet hier eine sehr gute Arbeit. Wir sehen die täglichen Angriffe aus Russland, die den Unternehmen massive Probleme bereiten. Dabei geht es auch um Menschenleben, etwa wenn die IT von Krankenhäusern angegriffen wird.
Dirk
Wiese
Moskau bringt gezielt Menschen aus dem Westen hinter Gitter, um Erpressungspotential aufzubauen.
Warum agiert Russland immer aggressiver und skrupelloser gegen Deutschland?
Weil wir mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine klar ins russische Fadenkreuz gerückt sind. Russland sieht uns als Gegner. Dabei schreckt der Kreml auch vor Mord nicht zurück: nicht in Großbritannien, nicht in Spanien und auch nicht in Deutschland, wie der Tiergarten-Mord in Berlin gezeigt hat.
Dennoch hat Deutschland den Tiergarten-Mörder ausgetauscht gegen Gefangene in Russland und sich damit Putins Erpressung durch Menschenraub gebeugt.
Das war eine schwierige Entscheidung der Bundesregierung, aber eine vertretbare. Hätten wir die Menschen in den russischen Straflagern nicht frei bekommen, hätten sie dies wahrscheinlich mit ihrem Leben bezahlt, so wie Alexej Nawalny. Klar ist: Moskau bringt gezielt Menschen aus dem Westen hinter Gitter, um Erpressungspotential aufzubauen. Deshalb meine Warnung: Niemand sollte nach Russland oder Belarus reisen, wenn es nicht unbedingt nötig ist.
Es ist noch nicht lange her, da setzten auch führende SPD-Politiker*innen auf eine „Sicherheitspartnerschaft“ mit Russland. Wurde die russische Gefahr zu lange unterschätzt?
Ja, wir haben Russland an vielen Stellen falsch eingeschätzt. Es hat seit Jahren warnende Stimmen gegeben, auf die wir nicht gehört haben. Deshalb ist es gut, dass unser Parteivorsitzender Lars Klingbeil diese Fehler klar benannt hat und die SPD ihren Kurs gegenüber grundlegend Russland korrigiert hat.
Auch die SPD ist von Russlands Cyberkrieg betroffen: Ende 2022 wurde das Willy-Brandt-Haus Opfer eines solchen Angriffs. Sind wir künftig besser gewappnet?
Wir leisten so viel Prävention wie möglich. Ausschließen, dass so etwas noch mal passiert, können wir damit leider nicht. Der Angriff zeigt: Auch die SPD steht im Fadenkreuz russischer Geheimdienste. Denn wir stellen den Kanzler und die stärkste Fraktion im Bundestag. Und wir unterstützen die Ukraine gegen den völkerrechtswidrigen Eroberungskrieg Putins.
Die Bundesregierung stellt im Etat 2025 für die innere Sicherheit rund 400 Millionen Euro mehr zur Verfügung als 2024. Reicht das?
Es ist absolut richtig, dass im Bereich der inneren Sicherheit – trotz der schwierigen Haushaltslage – nicht gespart wird. Aber es muss noch mehr geschehen.
Sie meinen die Forderung der SPD nach einem Sondervermögen für innere Sicherheit, das von der Schuldenbremse ausgenommen sein soll?
Ja, das brauchen wir dringend. Der nötige Finanzbedarf ist aus dem normalen Haushalt nicht zu decken. Hier wurde oft jahrelang gespart, weil niemand mit solchen Bedrohungen gerechnet hat, denen wir uns heute gegenübersehen. Es gibt also einen großen Nachholbedarf. Die Zeitenwende bei der inneren Sicherheit ist nicht aus der Portokasse zu bezahlen. Das muss allen klar sein.
Dirk
Wiese
Es gibt viele Politiker der AfD, die sich hier für nichts zu schade sind und gegen deutsche Interessen handeln.
Der FDP anscheinend nicht, denn sie lehnt ein solches Sondervermögen weiter ab.
In der Politik muss man Ausdauer haben. Die haben wir und deshalb lassen wir da auch nicht locker. Wir hoffen – perspektivisch – auf ein Umdenken der FDP.
Sie fordern auch mehr Befugnisse für die Geheimdienste. Warum?
Wir sind immer wieder auf Hinweise befreundeter Dienste angewiesen, die mehr Befugnisse als unsere Dienste haben, die an für unsere Sicherheit wichtige Informationen nicht herankommen, etwa bei der Planung von Terroranschlägen oder Sabotageakten. Das kann so nicht bleiben. Auch unsere Dienste müssen Zugang zu solchen Informationen bekommen. Wir brauchen auch bei unseren Sicherheitsbehörden eine Zeitenwende.
Russische Desinformation funktioniert auch deshalb, weil sie in Deutschland zahlreiche Helfer*innen hat, etwa bei AfD und BSW. Welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen?
Leider hat Putin mit diesen Parteien willige Sprachrohre, auch im Bundestag. Auf diese engen Verbindungen weisen wir immer wieder hin. Etwa im Fall des AfD-Abgeordneten Petr Bystron, der Geld dafür bekommen haben soll, dass er sich vor den russischen Karren hat spannen lassen. Es gibt viele Politiker der AfD, die sich hier für nichts zu schade sind und gegen deutsche Interessen handeln.
Die engen Verbindungen von AfD und BSW zu Russland scheinen diesen aber in den aktuellen Landtagswahlkämpfen in Ostdeutschland nicht zu schaden.
Die jahrelange Desinformation Russlands hat sich hier bei vielen Menschen festgesetzt. Viele nutzen Medien, die klar russische Propaganda und Falschinformationen verbreiten, etwa zu den Themen Ukraine und Migration. Und die russische Seite macht dies sehr raffiniert, so dass viele darauf reinfallen. Das ist eine große Herausforderung für unsere Demokratie, der wir uns alle stellen müssen: Politik, Medien, Justiz – die ganze Gesellschaft.
Satyre
Na, wenigstens die russischen Geheimdienste finden die SPD noch beachtenswert.
„Die SPD im Fadenkreuz“
Auf dem „Jubiläums-Gipfel der NATO“ (LARS HAFERKAMP · 8. JULI 2024)
feierte die Nato u. a. das „für Russland ... geopolitische Desaster von wahrhaft historischer Dimension“ (LARS HAFERKAMP · 26. FEBRUAR 2024): Schweden war der Nato beigetreten. In zwei bis zehn Jahren potenziert sich dieses Desaster für die Russische Föderation, wenn der Krieg um die Ukraine beendet ist und die Ukraine der Nato beitritt. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Russland nicht in fünf Jahren die Nato überfällt, wie der „kriegstüchtige“ Pistorius schon mal prophylaktisch ankündigte.
Wenig Grund zum Feiern hat die Nato allerdings wegen des Ukrainekriegs, der nämlich zeigt, dass die Nato-Strategie Osterweiterung in eine blutige Sackgasse geführt hat, dass es auch mit der Abschreckung der Nato, Eckpfeiler der Nato-Strategie, nicht so ungemein gut bestellt ist, jedenfalls nicht gegenüber einem „rouge“ (Nicole Deitelhoff: Zurück auf Null, Blätter ..., 6(2022)67. Lesenswert!). Andererseits zeigt der Kriegsverlauf überdeutlich, dass es mit der konventionellen Macht Russland nicht weit her ist, was wieder etwas zuversichtlich in die Zukunft blicken lässt. (Gut, Pistorius muss sich vielleicht etwas zurücknehmen.)
Was macht in so einer Lage der „immer aggressivere Putin“? Er „eskaliert den Krieg gegen Europas Demokratien“, besonders den „Krieg gegen Deutschlands Demokratie“ (LARS HAFERKAMP · 12. JULI 2024). Und das nur „weil wir mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine klar ins russische Fadenkreuz gerückt sind. Russland sieht uns als Gegner“. Wer hätte das gedacht?! Wir setzen doch nur die Ukraine instand, Russland zu besiegen – maßgeblich. Das kann uns doch selbst Russland nicht übelnehmen. Tut´s aber.
Was macht der Aggressor Aggressives? Er überzieht uns mit „jahrelangen Desinformation“, bis sie sich „hier bei vielen Menschen festgesetzt“ haben. „Viele nutzen Medien, die klar russische Propaganda und Falschinformationen verbreiten, etwa zu den Themen Ukraine und Migration. Und die russische Seite macht dies sehr raffiniert, so dass viele darauf reinfallen“, z. B der/die/das BSW. „Raffiniert“ also auch noch. (Ich weiß mit diesen Sätzen nichts anzufangen; vielleicht sollte ich mir vorstellen, Nuhr oder Richling würden sie in der ihnen eigenen Art - sonst aber unverändert - in ihren Programmen vortragen.)
Um so mehr sagt mir „ganz aktuell die russische Verleumdungskampagne gegen Außenministerin Annalena Baerbock“. Dass A. B. in Brasilien nur zu Gesprächspartnern der dritten oder vierten Klasse vordringen konnte – Verleumdung; dass sie in China mit dem Majordomus wird vorlieb nehmen müssen – üble Nachrede; dass sie in Israel nicht gern gesehen ist, dort nicht gehört wird – Fake News; und wer meint, sie solle sich etwas besser die Worte überlegen, die sie so sagt, ist ein Banause und Puntinknecht. Putin mag man Vieles nachsehen können, „die Verleumdungskampagne gegen Außenministerin Annalena Baerbock“ nicht.
„Russlands Cyberkrieg“ aufzuplustern und mit „den engen Verbindungen von AfD und BSW zu Russland“ zusammenzuführen, wird vermutlich der SPD bei den kommenden Wahlen nicht helfen. Ich fürchte eher, dieses Konstrukt wird dafür sorgen, dass die SPD in den Wahlergebniss-Tabellen nur noch unter „Sonstige“ zu finden sein wird.