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Fall Papperger: Wie Putin Krieg gegen Deutschlands Demokratie führt

Die russische Regierung plante laut CNN die Ermordung von Rheinmetall-Chef Armin Papperger. Der Fall macht deutlich, wie Putins Truppen auch in Deutschland kämpfen – oft im Verborgenen. Immer mehr Fälle kommen jetzt ans Licht.

von Lars Haferkamp · 12. Juli 2024
Steckt Russland dahinter? Beim einem Großbrand im Mai wurden Teile der Firma „Diehl“ in Berlin zerstört.

Steckt Russland dahinter? Beim einem Großbrand im Mai wurden Teile der Firma „Diehl“ in Berlin zerstört.

„Die Bedrohung unserer Demokratie durch Spionage, Sabotage, Desinformation und Cyberangriffe hat leider eine neue Dimension erreicht“, warnte Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Juni in der Bundespressekonferenz. „Vor allem durch das russische Regime.“ Dass sich die russische Aggression nicht nur gegen die Ukraine, sondern auch gegen Deutschland richtet, hat die Bundesregierung alarmiert. Wie die Angriffe Russlands konkret aussehen und was sie bewirken, zeigen ganz konkrete Beispiele.

Ein Auftragsmord mitten in der Hauptstadt

Erstmals große Schlagzeilen machte im Jahr 2019 der so genannte Tiergarten-Mord in Berlin. Der russische Geheimdienst erschoss einen Asylbewerber aus Georgien mitten in der deutschen Hauptstadt. Ein Russe wurde für den Auftragsmord 2021 vom Berliner Kammergericht zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Tat brachte erhebliche diplomatische Spannungen zwischen Berlin und Moskau. Sie führte zu gegenseitigen wiederholten Ausweisungen von Botschaftspersonal.

Cyberangriffe auf die SPD und die Bundeswehr

Große Besorgnis löste in Berlin Ende 2022 ein Cyberangriff auf die SPD-Zentrale aus. Verantwortlich auch hier: der russische Geheimdienst. Innenministerin Nancy Faeser betonte: „Wir lassen uns nicht einschüchtern. Und wir werden die Ukraine in ihrem Freiheitskampf weiter stark unterstützen.“ Der russischen Bedrohung werde Deutschland „entschlossen entgegentreten“. Eine Woche vor der Europawahl 2024 erfolgte dann ein ähnlicher Angriff auf die CDU. Die Täter*innen sind noch unbekannt. Nicht nur Parteien sind von russischen Cyberangriffen betroffen, auch Parlament und Regierung, Stiftungen und Verbände sowie Unternehmen, wie im Juni 2024 der deutsche Softwareanbieter „TeamViewer“.

Im März 2024 sorgte dann die Taurus-Affäre für Aufsehen: Russland hatte ein Gespräch des Chefs der deutschen Luftwaffe mit Mitarbeiter*innen abgehört und veröffentlicht. Es ging dabei um theoretische Einsatzszenarien für Taurus-Marschflugkörper in der Ukraine. Deren Lieferung lehnt Bundeskanzler Scholz jedoch seit langem ab. Russlands Propaganda behauptete dennoch mit Hilfe des abgehörten Gesprächs, es gebe konkrete Angriffspläne der Bundeswehr gegen russisches Militär.

Mysteriöser Großbrand in Berlin

Zur russischen Taktik gehört auch Sabotage. Prominentes Beispiel dafür ist wohl der Großbrand in der Fabrik der Firma „Diehl“ im Mai 2024 in Berlin. Zwar gehen Gutachter davon aus, dass ein technischer Defekt zu dem Brand geführt habe, bei dem ein Technikraum vollständig zerstört wurde. Die Sicherheitsbehörden vermuten aber einen russischen Sabotageangriff. Deutschland soll entsprechende Information vom Nachrichtendienst eines NATO-Partners erhalten haben.

Das Motiv des mutmaßlichen Anschlags: Die Lieferung wichtiger Waffen und Munition an die Ukraine zu sabotieren. Diehl ist nämlich beteiligt an der Produktion des wichtigen Flugabwehrsystems IRIS-T-. Das liefert die Bundesregierung der Ukraine, um die massiven Luftangriffe Russlands abzuwehren.

Nancy
Faeser

Putins Propaganda-Apparat verbreitet seit Jahren massive Lügen, um das Vertrauen in unsere Demokratie zu erschüttern.

Spionage in allen Teilen der Republik

Zugleich kommen immer neue Spionagefälle ans Licht: Im Juni 2024 wurden in Frankfurt drei Tatverdächtige verhaftet. Sie sollen für einen „ausländischen Geheimdienst“ gearbeitet haben. Welcher gemeint sein dürfte, zeigt ein Blick auf das Ziel der Verdächtigen: das Auskundschaften „einer hier aufhältigen Person aus der Ukraine“, so der Generalbundesanwalt.

Er nahm kurz danach Ermittlungen gegen einen der meistgesuchten Männer Europas auf: gegen den untergetauchten Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek, wegen Spionage für Russland. Ebenfalls im Juni 2024 ging ein mit hochsensiblen Antennen ausgestattetes Abhörschiff Russlands in der Ostsee vor Kiel in Position, das auch auf große Entfernungen Handys und Funkverkehr abhören kann.

Im April 2024 wurden in Bayern zwei Deutschrussen festgenommen. Sie sollen Anschläge in der Bundesrepublik im Auftrag Moskaus geplant haben. Aktuell findet in Berlin ein Prozess wegen Landesverrats gegen einen BND-Mitarbeiter und seinen Komplizen statt. Die beiden Deutschen sollen im Herbst 2022 „ein Staatsgeheimnis“ an Russland verraten haben.

Desinformation: millionenfache Lügen auf allen Kanälen

Moskau versucht auch mit umfassenden Desinformationskampagnen, die deutsche Gesellschaft zu polarisieren und die Stimmung aufzuheizen. Konkret nachweisen ließ sich dies etwa bei den Bauernprotesten Anfang 2024 und den Auseinandersetzungen um den Terrorangriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023. 

„Putins Propaganda-Apparat verbreitet seit Jahren massive Lügen, um das Vertrauen in unsere Demokratie zu erschüttern“, betonte Nancy Faeser kürzlich gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“. Das Ziel der Bundesregierung ist es daher, „die Lügen zu entlarven, bevor sie zu einer großen Welle werden und das Netz fluten“.

Willige Helfer für Kreml-Propaganda aus AfD und BSW

Doch das ist schwierig. So wurde auf dem Kurznachrichtendienst X behauptet, Terroristen wollten in Deutschland während der Fußball-EM 2024 zuschlagen, Anschläge seien fast sicher. Absender der Botschaft von der Terror-EM: russische Netzwerke mit Fantasienamen falscher Accounts. Sie verfügen über zehntausende gefälschte Accounts und dutzende Internetseiten, die russische Propaganda verbreiten. Die Kampagnen sind immer schwerer als solche zu identifizieren. 

Prominentes Beispiel ist die Plattform „Voice of Europe“, die als Nachrichtenportal getarnt russische Falschmeldungen verbreitet. Der Kanal soll an für ihn nützlichen Politiker*innen auch Geld zahlen, wie etwa den AfD-Europa-Abgeordneten Maximilian Krah und Petr Bystron. Erfolg haben die Desinformationskampagnen Russlands oft auch deshalb, weil ihre Propaganda von vielen willigen Unterstützer*innen weiterverbreitet wird: besonders aus der AfD und dem Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW). Hier zeigt sich eine für Deutschlands Demokratie immer gefährlichere Zusammenarbeit ihrer Feinde von innen und von außen. 

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7 Kommentare

Gespeichert von Martin Holzer (nicht überprüft) am Fr., 05.07.2024 - 12:08

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"Zwar gehen Gutachter davon aus, dass ein technischer Defekt zu dem Brand geführt habe, bei dem ein Technikraum vollständig zerstört wurde. Die Sicherheitsbehörden vermuten aber einen russischen Sabotageangriff."

Schon praktisch wenn man eigenes Versagen als Angriff des Feindes umdeuten kann. "Vermuten" reicht da völlig aus, beweisen muß man nichts, denn man kennt ja die Russen. Denen ist schließlich alle zuzutrauen.

Gespeichert von Tom Kaperborg (nicht überprüft) am Fr., 05.07.2024 - 21:53

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... es bleibt moeglich - Frage eines Informatikers i.R.: Warum trennt man nicht endlich die physischen Netzwerkverbindungen nach RUS u. China, Nordkorea etc? Uber Drittlaender wird es schon erheblich schwieriger Trollfarmen und massenhafte Bespielung aller sozialen Medien durchzufuehren. Geofencing nennt sich das, soweit ich weiss. Underground-Trollfarms in der EU o. USA hat man schnell aufgespuert und kann dagegen vorgehen. Die o.g. Laender blockieren uns auch aus ihrem Informationsraum, nur wir sind so dumm und lassen die einfach weiter machen. Selbiges gilt fuer die USA, wo massiv ueber Desinformation ueberhaupt erst die Maga-Geschichte gros gemacht wurde. Unzufriedenheit schueren und HAss gegen die "westlichen" Institutionen, das ist das Ziel der russischen u. chinesischen "Desinformationen", die ungehindert bei uns kursieren. Tiktok gehoert auch abgestellt, ebenso sollte man alle chinesischen Informationstechnik - Stichwort Telekom Infrastruktur - austauschen, auch wenn es teuer wird. Langfristig lohnt sich das, das die nicht ploetzlich Cyberattacken unterschiedlichster Art hier durchfuehren koennen. Denn so richtig in die Hardware reinschauen kann man nicht - zudem koennten ja "Softwareupdates" z.B. in Routern u.a. Geraeten neue feindselige Funktionalitaeten implementieren - Ueberraschung folgt, trotz vorheriger Zertifizierung durch das BSI. Ich sehe hier dringenden sofortigen Handlungsbedarf und nicht ein langsames Auslaufen lassen angebracht.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Sa., 06.07.2024 - 12:09

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Russlands Krieg gegen die Ukraine ginge sie nichts an. Doch Putin bekämpft auch Deutschland.“ Das beweist der Vorwärts.
„Der russische Geheimdienst erschoss (2019) einen Asylbewerber aus Georgien mitten in der deutschen Hauptstadt“. Das darf sich kein Staat herausnehmen; das kann sich kein Staat gefallen lassen. Das geht nicht in der BRD, auch wenn es kein deutscher Staatsbürger war, der erschossen wurde, und das Opfer nicht einfach nur ein harmloser „Asylbewerber aus Georgien“, sondern ein in Russland gesuchter „Terrorist“ aus dem Zweiten Tschetschenienkrieg und behaupteter Anschlagsbeteiligter auf Moskaus Metro, wie Wikipedia zu berichten weiß.

„Cyberangriffe auf die SPD und die Bundeswehr - ... verantwortlich auch hier: der russische Geheimdienst“. Der aber muss mit Nancy Faesers „entschlossenem Entgegentreten“ rechnen, sollte seine finsteren Absichten daher besser gleich aufgeben. Was der russische Geheimdienst bei der SPD ausspionieren wollte, bleibt ohnehin sein Geheimnis – vielleicht interessierte er sich für die von Klingbeil initiierte strategische Neuausrichtung der SPD. Viel gewichtiger ist darum, dass er das Gespräch „des Chefs der deutschen Luftwaffe mit Mitarbeiter*innen abgehört und veröffentlicht“ hat, das der hohe Bundeswehr-Offizier unter Sicherheitsvorkehrungen abhielt, die jeder Telekom-Lehrling im ersten Ausbildungsjahr hätte umgehen können. Darum bestand die russische Kriegshandlung in diesem Falle auch nur darin, „theoretische Einsatzszenarien für Taurus-Marschflugkörper in der Ukraine ... (als) konkrete Angriffspläne der Bundeswehr gegen russisches Militär“ zu deuten und zu veröffentlichen. Das bemängelten auch unserer Leitmedien.

Die nächste Eskalationsstufe in „Putins Krieg gegen Deutschlands Demokratie“
ist „Sabotage“. Z. B. wurde versucht, „die Lieferung wichtiger Waffen und Munition an die Ukraine zu sabotieren“ durch „einen Großbrand in der Fabrik der Firma „Diehl“ im Mai 2024 in Berlin“. Allerdings „gehen Gutachter davon aus, dass ein technischer Defekt zu dem Brand geführt habe“, aber „die Sicherheitsbehörden vermuten einen russischen Sabotageangriff“. Und das ist auch sehr einleuchtend, „Diehl ist nämlich beteiligt an der Produktion des wichtigen Flugabwehrsystems IRIS-T-. Das liefert die Bundesregierung der Ukraine, um die massiven Luftangriffe Russlands abzuwehren“ – und es ist natürlich viel leichter möglich, die Produktion von „IRIS-T“ in Berlin zu zerstören als „IRIS-T“ im Ukraine-Einsatz. Vielleicht, und da sollte Diehl aufpassen, nehmen Saboteure beim nächsten Male eine Rakete mit, um deren Technik auszuspähen, dann müssen die russischen Soldaten sie nicht blutreich in der Ukraine unversehrt erbeuten, ehe sie sie analysieren können.

Die nächsthöhere Ebene der Eskalationsspirale ist die „Spionage in allen Teilen der Republik“. So sollen „zwei Deutschrussen ... Anschläge in der Bundesrepublik im Auftrag Moskaus geplant (und) ein BND-Mitarbeiter und sein Komplize ... ´ein Staatsgeheimnis´ an Russland verraten haben“ - über „Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek, wegen Spionage für Russland“, gar nicht zu reden.

Das absolute Highlight an penetranter Unverfrorenheit aber war es, als „ein mit hochsensiblen Antennen ausgestattetes Abhörschiff Russlands in der Ostsee vor Kiel in Position (ging), das auch auf große Entfernungen Handys und Funkverkehr abhören kann“. Was halten die Russen eigentlich von unserer Spionageabwehr? Und was für eine idiotische Methode war das? (Die sollten mal die USA um Nachhilfe ersuchen.)

Die höchste Stufe auf der Eskalationsspirale ist, dass „Moskau versucht, auch mit umfassenden Desinformationskampagnen die deutsche Gesellschaft zu polarisieren und die Stimmung aufzuheizen“, wie etwa „bei den Bauernprotesten Anfang 2024“ oder „den Terrorangriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023“. Hat es etwa beide nicht gegeben? Waren die Bauern gar nicht mit ihren angsteinflößenden, Gülle versprühenden Traktoren auf den Straßen? War der „Terrorangriff der Hamas“ nur KI-Realität?

Die brutalsten Kriegsverbrechen in „Putins Krieg gegen Deutschlands Demokratie“ aber sind die „millionenfachen Lügen auf allen Kanälen“, auch weil „die Kampagnen immer schwerer als solche zu identifizieren sind“, denn sie finden ja offen und für jeden zugänglich im Netz statt, also auf unseren Rechnern und Handys. Nur gut, dass wir Nancy Faeser haben und ihr Versprechen, „die Lügen zu entlarven, bevor sie zu einer großen Welle werden und das Netz fluten“.

Allerdings, und allein deshalb ist es gut, dass der Vorwärts den Artikel geschrieben hat, gibt es da ein innerdeutsches Problem: „Die Desinformationskampagnen Russlands wirken oft auch deshalb, weil Russland an „für es nützliche Politiker*innen auch Geld zahlen soll“ und „weil ihre Propaganda von vielen willigen Unterstützer*innen weiterverbreitet wird: besonders ... dem Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW)“. Das ist besonders offensichtlich, denn das BSW will Frieden für die Ukraine, möglichst gestern, und Kooperation statt Konfrontation mit dem östlichen Nachbarn der EU: Das sagt doch alles. Oder?

Ich habe zwar schon vor dem Artikel nicht zu den „vielen Deutschen (gehört), die noch immer glauben, Russlands Krieg gegen die Ukraine ginge sie nichts an“, aber selbst wenn: Der Artikel hätte daran nichts geändert.

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Sa., 06.07.2024 - 14:47

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"Russland hatte ein Gespräch des Chefs der deutschen Luftwaffe mit Mitarbeiter*innen abgehört und ...... (noch schlimmer) ......veröffentlicht"
Abhören unter Freunden geht gar icht !!!!! Und die vom BSW sind Putinfreunde ....... der Melonchon und der Corbyn auch !!!!
(Satyre an) Wenn morgen durch ein Gewitter in Kuhwiesenhöh die Heuernte verregnet ist ganz bestimmt Putin schuld, das hat dann Correktiv oder die Amadeo Antonio Stiftung herausgefunden (Satyre aus).
Ich wünsche mir doch etwas mehr Rationalität, Objektivität und auch Selbstkritik. (Wo bleibt denn der Artikel zu Assange und die Pressefreiheit ????)

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Fr., 12.07.2024 - 08:55

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Der Arikel datiert auf den 12. 7. 2024, die dazugehörenden Kommentare sind aber eine Woche älter ??????

Gespeichert von Kai Doering am Fr., 12.07.2024 - 10:05

Antwort auf von Armin Christ (nicht überprüft)

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Der Artikel wurde am 12. Juli aktualisiert.

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Sa., 13.07.2024 - 07:36

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"Desinformation: millionenfache Lügen auf allen Kanälen" Diese Feststellung trifft zu, aber mir wird immer unklarer wer und wie das gemeint ist.