Politischer Aschermittwoch: Karl Lauterbach kann auch Bierkeller!
Blasmusik, Bierkeller und Karl Lauterbach – wie passt das zusammen? Sehr gut, lautet das Fazit nach dem Auftritt des Bundesgesundheitsministers beim Politischen Aschermittwoch der bayerischen SPD in Vilshofen. Der Rheinländer zeigt, dass er Humor besitzt, aber auch kräftig austeilen kann.
Die Stimmung ist am Mittwochmorgen zunächst verhalten im traditionsreichen Wolferstetter Keller, wo auf den Tag genau 106 Jahre zuvor am 5. März 1919 erstmals der Politische Aschermittwoch begangen wurde. Das liegt zum einen am Ergebnis der Bundestagswahl – in Bayern erzielte die SPD zehn Tage zuvor gerade einmal 11,6 Prozent. Es liegt zum anderen an der weltpolitischen Lage. Auch der Fraktionsvorsitzende der SPD im bayerischen Landtag, Holger Grießhammer, der an diesem Tag seine Aschermittwochspremiere in Vilshofen feiert, mahnt daher: „Wir brauchen in diesen Tagen mehr denn je verbales Abrüsten.“ Anfang der Woche sagte auch noch der fest eingeplante Gastredner Hubertus Heil ab, der aufgrund der Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD in Berlin unabkömmlich war.
Lauterbach kann auch Schwertgefechte
Doch Ronja Endres, Landesvorsitzende der BayernSPD, macht klar: „Bei der SPD gibt es keinen Fachkräftemangel. Wir mussten nicht lange suchen, bis wir Karl Lauterbach direkt aus der Karnevalsmetropole Köln als ebenbürtigen Ersatz anwerben konnten.“ Der Leverkusener ist nicht nur durch seine zahlreichen Auftritte in der heute-Show für seinen feinen Humor bekannt. Doch kann er auch Bierkeller? Lauterbach selbst sagt zu Beginn seiner Rede: „Ich habe zunächst einmal gezuckt. Denn ich komme aus Köln, wo im Karneval der feinste intellektuelle Florettkampf bekannt ist, derweil es hier in Bayern mit derben Schwertgefechten zur Sache geht.“ Deswegen unterschätze er die Aufgabe auf keinen Fall und habe eben schon festgestellt, „dass hier in so einem Maßkrug so viel Alkohol ist wie bei uns in 20 Kölsch-Gläsern“, scherzt der Sozialdemokrat und schießt sich dann auf die politische Konkurrenz ein.
...zu Söder:
Lauterbach spricht das Kostüm an, mit dem der bayerische Ministerpräsident bei der BR-Sendung „Fastnacht in Franken“ im Publikum saß. „Söder macht den Elvis der späten Jahre, der schon viel Show gemacht hat und nicht mehr singen konnte. Ich weiß nicht, was er damit sagen will, ob auch für ihn die besten Jahre vorbei sind.“ Aktuell falle Söder vor allem durch „Pommes-Populismus“ in McDonalds-Filialen auf. „Die stolze Heimat von Haxe und Semmelknödel hat das nicht verdient“, meint Lauterbach und hat spätestens ab diesem Zeitpunkt den Saal auf seiner Seite.
...über Aiwanger:
Söders Stellvertreter Hubert Aiwanger ist nicht nur Wirtschaftsminister in Bayern, sondern auch Bundesvorsitzender der Freien Wähler. Mit seiner Partei wollte er drei Direktmandate im Freistaat gewinnen, um so in den Bundestag einzuziehen. Beides hat nicht geklappt, weswegen Lauterbach sagt: „Mein besonderer Dank gilt allen Wählerinnen und Wählern hier in Bayern dafür, dass sie Hubert Aiwanger nicht in den Bundestag gewählt haben. Im Vergleich zu ihm ist der Vorwurf des Populismus bei Markus Söder völlig unangebracht.“ Man könne Aiwanger im wahrsten Sinne des Wortes einen Stammtisch auf Beinen nennen. „Ich habe gehört, dass er die Schuld für das eigene Wahlversagen intensiv sucht und seinen eigenen Bruder im Verdacht hat“, spielt Lauterbach auf Aiwangers Flugblatt-Affäre vor zwei Jahren an.
...zur FDP:
Ebenfalls künftig nicht mehr dem Bundestag angehören wird ein früherer Koalitionspartner der Sozialdemokrat*innen. Für Lauterbach war die FDP zuletzt vor allem eine „fehlt-das-Programm-Partei“, die stattdessen die Schuldenbremse wie eine Monstranz vor sich hergetragen habe. Auch deswegen vermisse aktuell niemand die FDP am Verhandlungstisch. „In der jetzigen Verfassung gehöre ich zu denjenigen, die die FDP im Deutschen Bundestag nicht vermissen“, sagt der Sozialdemokrat.
Christian Lindner habe bereits als 18-Jähriger in seiner Altklugheit im Anzug seines Vaters vorgetragen, dass Probleme nur dornige Chancen seien. Aktuell habe sich die FDP in einer Weißdornhecke verirrt und werde es schwer haben, in der jetzigen Form in den Deutschen Bundestag zurückzukehren. „Die Partei scheint bereit zu sein, den Weg in den politischen Suizid konsequent weiterzugehen“, lautet Lauterbachs Fazit angesichts der angestrebten Verjüngung bei den Liberalen mit der 66-jährigen Marie-Agnes Strack-Zimmermann und dem 72-jährigen Wolgang Kubicki.
...über die Wirtschaftspolitik von Robert Habeck:
Immerhin, lobt Lauterbach, zeigten die Grünen in der Opposition mehr staatspolitische Verantwortung als die FDP in der Regierung. Kritik findet er jedoch für die Wirtschaftspolitik von Robert Habeck. Nachdem dieser als Kanzlerkandidat der Grünen bei der Bundestagswahl nur 11,6 Prozent der Stimmen geholt hatte, sprach Habeck davon, das Angebot seit gut gewesen, nur die Nachfrage nicht. „Vielleicht ist auch das Angebot nicht so top, wie Robert es immer vermeint“, sagt Lauterbach. Auch Habecks Aussage, Unternehmen seien nicht gleich insovlent, wenn sie aufhörten zu produzieren, nimmt der Gesundheitsminister aufs Korn: „Vielleicht denken auch wir Ärzte zu kompliziert und sollten uns der neuen Denkweise öffnen. Der Patient ist nicht tot. Er hat nur aufgehört zu atmen.“
...über die AfD:
Ernst wird Lauterbach, als er über die AfD spricht, die bei der Bundestagswahl mit mehr als 20 Prozent der Stimmen erstmals zweitstärkste Kraft im Parlament wurde. Für ihn sei der Tiefpunkt des Wahlkampfes das Gespräch zwischen deren Bundesvorsitzender Alice Weidel und US-Milliardär Elon Musk gewesen, das diese „quasi auf Knien“ mit ihm geführt habe. Ein besseres Beispiel für Fremdschämen könne er sich nicht vorstellen. Insgesamt lasse das bestürzende Ergebnis der AfD das Schlimmste befürchten. Deswegen fordert Lauterbach: „Wir müssen uns ganz klar zu unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit Migrationshintergrund bekennen. Es sind unsere Leute, sie sind Teil unseres Wirs.“ Angesichts der Äußerungen des thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke zu Menschen mit Behinderung fügt er an: „Eine solche Partei brauchen wir nicht. Eine solche Partei ist eine Schande für Deutschland.“
...zum Abschneiden des BSW:
Knapp daneben ist auch vorbei, könnte das Motto des Bündnis Sahra Wagenknecht lauten, das den Einzug ins Parlament mit 4,97 Prozent nur hauchdünn verfehlte. Lauterbach sagt daher: „Aus dem Bundestag gibt es aber auch positive Nachrichten zu vermelden. Sahra Wagenknecht und ihre von Hand ausgewählten Parteikader haben es nicht in den Bundestag geschafft. Das ist für uns alle ein großer Gewinn. Denn eine zweite moskautreue Partei hätten wir definitiv nicht benötigt.“ Er sei sich auch sicher, dass sich „das Thema“ damit langfristig erledigt habe. Denn: „Bei der Spaltungshalbwertszeit dieser Partei wird von ihr bis zur nächsten Wahl nicht viel übrig geblieben sein.“
...zu aktuellen Sondierungsgesprächen auf Bundesebene:
Seit weniger als einer Woche laufen die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD für die Bildung einer neuen Bundesregierung. Am Dienstagabend gab es schon eine erste Einigung zu vermelden. Lauterbach spricht angesichts dessen von einem „großartigen gemeinsamen Erfolg“. Die Union habe sich in der Sache in die richtige Richtung bewegt. Zugleich mahnt er: „Jetzt ist nicht der Moment, alte Rechnungen zu begleichen, sondern konstruktiv nach vorne blicken.“ Es müsse gelten: erst das Land, dann die Partei und zum Schluss die Person.
In jedem Fall seien wichtige Reformen für mehr soziale Gerechtigkeit notwendig. „Denn solche Reformen tragen mehr als Sprüche dazu bei, dass wir uns in diesem Land wieder versöhnen werden. Soziale Gerechtigkeit ist der Kitt dieser Gesellschaft“, macht Lauterbach klar.
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ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo
Karl Lauterbach
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