Parteileben

Ronja Endres: „Viele wissen nicht, wofür die SPD in Bayern steht.“

Die Landtagswahl im vergangenen Jahr war enttäuschend. Bei ihrem Parteitag am Samstag will die BayernSPD nun ihre Strategie vollkommen neu ausrichten. Warum sie dabei eine Gruppe besonders im Blick hat, sagt die Vorsitzende Ronja Endres im Interview.

von Kai Doering · 18. Oktober 2024
BayernSPD-Vorsitzende Ronja Endres: Wir orientieren uns an den Leistungsträgern in der Gesellschaft.

BayernSPD-Vorsitzende Ronja Endres: Wir orientieren uns an den Leistungsträgern in der Gesellschaft.

Nach dem Rückzug von Florian von Brunn im Juli stehen Sie seit drei Monaten allein an der Spitze der BayernSPD. Was ist anders als in der Doppelspitze?

In erster Linie die Abläufe, weil gewisse Abstimmungsprozesse wegfallen. Ich spüre aber auch die Gesamtverantwortung für die Partei ganz anders. Sie lastet nun natürlich allein auf meinen Schultern. Ich habe sehr gut und vertrauensvoll mit Florian von Brunn zusammengearbeitet und finde es extrem schade, dass es so gekommen ist. Aber natürlich macht es auch Spaß, Ideen direkt in die Gremien einbringen zu können und sie nicht erst mit einer anderen Person abstimmen zu müssen. 

Das heißt, Sie bleiben auch alleinige Vorsitzende?

Ich bin auf unserem letzten Parteitag mit einem sehr starken Ergebnis gewählt worden. Das sehe ich als Rückendeckung an, regulär bis zum nächsten Parteitag weiter zu machen. Dann entscheidet – wie es sich gehört – die Partei. 

Nach dem Rücktritt von Florian von Brunn war die SPD In Bayern in Aufruhr. Wie ist die Stimmung zurzeit?

Ich habe mich bewusst entschieden, nach dem Rückzug von Florian von Brunn als alleinige Vorsitzende weiterzumachen, um wieder Ruhe in die Partei zu bringen. Ich denke, das ist gelungen. Wichtig ist, dass diese Ruhe und auch das Vertrauen nun länger anhalten. Im Sommer hatten wir eine Vorstandsklausur, die sehr konstruktiv war. Ich bin im Gespräch mit allen Ebenen, mit der Landesgruppe, der Fraktion und auch mit der SGK, die ich mehr mit einbeziehen möchte. Überall sehe ich den klaren Willen, gemeinsam etwas hinzubekommen. 

Wie ist die Zusammenarbeit mit dem neuen Fraktionsvorsitzenden Holger Grießhammer?

Die Zusammenarbeit läuft sehr gut. Holger und ich haben einen guten Draht. Wir stimmen uns sehr eng ab. Ich freue mich sehr auf die weitere Zusammenarbeit mit ihm und der Fraktion. 

Kurz nach dem Rücktritt von Florian von Brunn haben Sie gesagt, in der BayernSPD müsse sich jetzt einiges ändern. Woran haben Sie dabei gedacht?

Wer in den Umfragen bei acht oder neun Prozent steht, muss etwas ändern, das ist ganz klar. Ich habe mir die BayernSPD drei Jahre lang sehr genau angesehen, habe viele Ortsvereine und alle Unterbezirke besucht und mit den Arbeitsgemeinschaften gesprochen. Dabei ist mir eins klar geworden: Was der BayernSPD fehlt, ist eine klare Strategie, vom richtigen Ausgangspunkt auszugehen. Das möchte ich ändern, denn die BayernSPD und ihre Mitglieder haben solche Wahlergebnisse wie zuletzt nicht verdient. Dafür arbeiten sie viel zu hart.

Was also muss sich ändern?

Wir haben nach der Landtagswahl sieben Regionalkonferenzen durchgeführt, um zu analysieren, welche Fehler wir gemacht haben. Das war unglaublich wertvoll. Wir dürfen nicht wie so oft in der Vergangenheit nur ein paar Schräubchen drehen und ansonsten weitermachen wie bisher, sondern müssen uns wirklich grundsätzlich neu ausrichten. Das werden wir beim kleinen Parteitag am Samstag machen. 

Wo Sie eine „Zukunftsstrategie“ erarbeiten wollen. Was verbirgt sich dahinter?

Die Bayern-SPD hat dieses Jahr ein Geschenk und das ist der kleine Parteitag in einem Jahr ohne unmittelbar bevorstehende Wahlen. Für mich ist dieser Parteitag deshalb einer der wichtigsten Parteitage der Bayern-SPD der letzten Jahre, weil er uns die Chance bietet, nicht nur Positionen, sondern die gesamte Strategie der BayernSPD neu auszurichten. 

Wie sieht das aus?

Bisher agieren wir wie eine Partei, die bei 20 oder 30 Prozent steht. Das ist auch unser Selbstverständnis, denn wir haben eine große Mitgliedschaft und Positionen zu nahezu jedem Thema. Das macht beliebig. Viele Menschen wissen nicht, wofür die SPD in Bayern eigentlich steht. Um das zu ändern, werden wir ein Profil aufbauen, an dem wir künftig jede Kommunikation ausrichten werden. 

Wie soll dieses Profil aussehen?

Wir orientieren uns an den Leistungsträgern in der Gesellschaft. Das ist nicht wie bei Friedrich Merz das reichste ein Prozent, sondern es sind die Leute, die den Laden am Laufen halten. Das kann auch jemand sein, der sich ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr engagiert oder zuhause einen Angehörigen pflegt. Künftig werden wir bei jeder politischen Forderung hinterfragen, wie sie diesen Leistungsträgern nutzt: Die Straßen müssen in einem guten Zustand sein, weil die Leistungsträger zur Arbeit müssen. Die Polizei muss gut ausgestattet sein, weil die Leistungsträger in Sicherheit leben wollen. So lassen sich alle politischen Fragen durchdeklinieren.

Und damit kommt die BayernSPD wieder in die Erfolgsspur?

Davon bin ich überzeugt, ja. Das wird nicht von heute auf morgen gelingen, aber über die Jahre werden die Menschen uns mit diesem Thema verbinden. So wie die Grünen für viele für den Klimaschutz stehen oder die Freien Wähler für die Kommunen, wird die SPD für die Leistungsträger oder, wenn man es traditionell ausdrücken will, die Arbeiter stehen. Im kommenden Jahr werden wir dazu schon die ersten inhaltlichen Pflöcke einschlagen.

Das klingt ein bisschen wie bei der CSU, die bei ihrem Parteitag am vergangenen Wochenende eine „Agenda für die Fleißigen“ beschlossen hat.

Unsere Vorstellung ist aber das genaue Gegenteil. Friedrich Merz und Markus Söder stellen sich ja gerade hin und sagen allen Arbeitnehmern ins Gesicht: Ihr faules Gesocks, ihr tut nicht genug! Deshalb müsst ihr mehr Überstunden machen und dürft nur weniger Freizeit haben. Das ist schon eine ziemliche Unverschämtheit. Gleichzeitig treten CDU und CSU für die Rente mit 70 ein und wollen das Streikrecht aushöhlen. Das ist eine Agenda gegen die Fleißigen, weil sie nämlich genau diese Leute kaputt macht. Das werden wir als SPD nicht mitmachen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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2 Kommentare

Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am So., 20.10.2024 - 09:58

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„Viele wissen nicht, wofür die SPD in Bayern steht.“
Leider kann man diesen Satz auf die ganze Republik anwenden.