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Holger Grießhammer: Von der Alpaka-Farm in den bayerischen Landtag

Mit dem Einzug in den bayerischen Landtag verwirklichte Holger Grießhammer seinen Traum des Berufspolitikers – neben einem Malereibetrieb und einer Tierzucht. Wie schafft er das alles?

von Jonas Jordan · 26. Dezember 2023
Holger Grießhammer ist für die SPD neu im bayerischen Landtag

Man muss organisieren können“, sagt Holger Grießhammer. Der 41-Jährige steht auf seinem Hof im tief verschneiten 73-Seelen-Dorf Schönlind im oberfränkischen Fichtelgebirge und lächelt. Hier wohnt er mit seiner Frau Nicole und den fünf Kindern, direkt nebenan liegt sein Malermeisterbetrieb mit 13 Angestellten und schließlich ebenfalls auf dem Hof eine Alpakafarm mit 14 Tieren.

Nicole und Holger Grießhammer führen zwei ausgewachsene Alpakas, beide sechs Jahre alt, Anfang Dezember durch den knöcheltiefen Schnee in Richtung Waldrand. „Das helle heißt Gesir, das schwarze Anton“, erklärt Holger Grießhammer. Seit 2018 bieten seine Frau und er ganzjährig Wanderungen mit den Tieren an. Besonders beliebt sind Betriebsausflüge. Doch auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert war im Sommer hier, um Grießhammer im Landtagswahlkampf zu unterstützen. Er lief mit einem Alpaka auf den 866 Meter hohen Hausberg Rudolfstein.

Bayernweit das beste Ergebnis

Kühnerts Unterstützung im Wahlkampf hat sich ausgezahlt. Denn seit wenigen Wochen gehört der Malermeister dem Bayerischen Landtag an. „Berufspolitik hat mich immer gereizt“, sagt er. Schon vor drei Jahren kandidierte er als Landrat im Kreis Wunsiedel und erreichte als einer von drei Kandidierenden 38,3 Prozent der Stimmen, das bayernweit beste Ergebnis eines SPD-Kandidaten im ersten Durchgang. Zur Landtagswahl trat Grießhammer als oberfränkischer Spitzenkandidat seiner Partei an. Der Einzug ins Parlament sollte ihm damit sicher sein, könnte man meinen. Doch wegen des komplizierten bayerischen Wahlsystems musste er nach dem Wahlsonntag trotzdem fast zwei Tage lang zittern. Erst am Dienstagnachmittag platzte die Nachricht in eine Geburtstagsfeier. Es hat gereicht. Er ist im Landtag. Trotz des historisch schlechtesten Wahlergebnisses der SPD in Bayern.

Holger
Grießhammer

Ich habe mein halbes Leben in der Kommunalpolitik verbracht.

„Sicher, sicher“, sagt er auf die Frage, ob in dem Wahlergebnis auch eine Chance liege. 17 Parlamentarierinnen und Parlamentarier stellt die SPD in dieser Legislaturperiode noch. Aufgrund der geschrumpften Fraktionsgröße musste sich Grießhammer nicht hinter zahlreichen Platzhirschen anstellen, sondern konnte politisch direkt in die Vollen gehen. Die Kombination aus seiner Erfahrung in der Kommunalpolitik und inhaltlich überzeugenden Wortbeiträgen während der ersten Fraktionssitzung habe dazu geführt, dass er auf Anhieb zum stellvertretenden Vorsitzenden und wirtschaftspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion gewählt wurde. „Dass Politik mal eine größere Rolle spielen würde, war eigentlich schon immer klar“, sagt seine Frau Nicole.

Der Kampf gegen den Fachkräftemangel

Holger Grießhammer selbst erzählt: „Ich habe mein halbes Leben in der Kommunalpolitik verbracht. Das klingt uralt, aber ich habe einfach schon früh begonnen.“ Als Ortssprecher für den Weißenstädter Ortsteil Schönlind fing alles an. Mit 24 war er Stimmenkönig bei der Kommunalwahl und zog in den Stadtrat ein, war später Zweiter Bürgermeister, Kreisrat und 20 Jahre lang Vorsitzender der Weißenstädter SPD. „Ich habe Ausdauer bewiesen“, sagt er nicht ohne Stolz und fügt an: „Ich habe immer davon profitiert, dass man mich erst mal unterschätzt hat.“ Als Handwerker habe er sich sein Standing innerhalb der Partei hart erarbeiten müssen.

Stolz zeigt der Malermeister seinen Betrieb. An der Wand stehen Farbeimer, meterhoch gestapelt bis zur Decke. Drei Malergesellen und zwei Azubis mehr könnte er noch gebrauchen, sagt er. Der Fachkräftemangel macht sich auch hier im Fichtelgebirge bemerkbar. So komme es vor, dass es für beauftragte Fassadenarbeiten auch schon mal eine Wartezeit von einem halben Jahr gebe. „Als ich angefangen habe, war das anders. Da hatten wir innerhalb von zwei Wochen alle Aufträge erledigt“, so Grießhammer, der den Betrieb als Geschäftsführer weiterhin leitet, aber selbst nicht mehr zu Pinsel und Rolle greift. „Aus dem operativen Geschäft bin ich raus“, sagt er.

Die weiteste Fahrt nach München

Schließlich wartet seit Ende Oktober nun des Öfteren eine zweieinhalb- bis dreistündige Autofahrt mit seinem Elektrofahrzeug in die Landeshauptstadt auf ihn. So weit wie Grießhammer hat es keiner seiner Landtagskolleginnen und -kollegen. Auch deshalb hat er fußläufig zum Maximilianeum ein kleines Apartment bezogen, in dem er während der Sitzungswochen übernachtet.

Ein weiteres Merkmal mit Seltenheitswert: Unter den Abgeordneten in der Landeshauptstadt sind außer ihm nur noch eine Handvoll Handwerker.

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„Ich möchte praktischen Sachverstand wieder in die Politik bringen“, sagt Grießhammer. Er will dafür sorgen, dass dem Handwerk wieder mehr Respekt entgegengebracht wird. Auch deswegen hat ihn die Äußerung von Friedrich Merz geärgert, der Bundeskanzler Olaf Scholz kürzlich als „Klempner der Macht“ bezeichnete. „Es war eine Schelte gegenüber Handwerkern. Da sieht man, welchen Stellenwert das Handwerk bei manchen hat. Ich bin der Meinung, dass das Handwerk wieder goldenen Boden hat.“

In einem Nebenraum von Grießhammers Handwerksbetrieb befindet sich ein kleiner Hofladen, in dem die Familie Socken und Seife aus Alpakawolle verkauft. Ihre eigenen Tiere lassen sie einmal im Jahr scheren, deren Wolle wird zu Bettdecken verarbeitet. Wenn Holger Grießhammer darunter liegt, versucht er mindestens acht Stunden Schlaf zu finden. Denn den braucht er auch, wie er sagt: „Abends bin ich schon immer ziemlich k. o., aber es macht Spaß.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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