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Syrien: Wie die SPD auf das Ende des Assad-Regimes reagiert

Nach 54 Jahren ist in Syrien die Assad-Herrschaft vorbei. Wie es nun weitergeht, ist unklar. Sozialdemokrat*innen reagieren mehrheitlich erleichtert.

von Jonas Jordan · 9. Dezember 2024
Exil-Syrer*innen in Berlin bejubeln das Ende des Assad-Regimes.

Exil-Syrer*innen in Berlin bejubeln das Ende des Assad-Regimes.

Für Bundeskanzler Olaf Scholz ist das Ende der Assad-Herrschaft über Syrien eine gute Nachricht. Er habe sein eigenes Volk auf brutale Weise unterdrückt, unzählige Leben auf dem Gewissen und zahlreiche Menschen zur Flucht aus Syrien getrieben. Das syrische Volk habe entsetzliches Leid erfahren. „Jetzt kommt es darauf an, dass in Syrien schnell Recht und Ordnung wieder hergestellt werden. Alle Religionsgemeinschaften, alle Minderheiten müssen jetzt und in Zukunft Schutz genießen“, fordert der Bundeskanzler.

Schmid warnt vor Hoffnung auf Frieden und Demokratie

Ähnlich äußert sich Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: „Baschar al-Assad ist der Schlächter seines eigenen Volkes; es ist gut, dass er nichts mehr zu melden hat. Entgegen mancher Fehlannahmen war er nie in der Lage, Stabilität in das vom Bürgerkrieg zerrüttete Land zu bringen.“ Zugleich warnt er vor übertriebenen Hoffnungen auf Frieden und Demokratie. Stattdessen drohe eine lang andauernde Phase der Ungewissheit um Gebiete und Hoheitsgewalt. Deshalb müsse das oberste Ziel der internationalen Gemeinschaft die Wiederherstellung eines Mindestmaßes an Staatlichkeit in Syrien sein. „Dafür sind Gespräche mit allen Beteiligten notwendig, die von der UNO geführten politischen Gespräche sind der geeignete Rahmen dafür. Nur dann kann der Wiederaufbau des Landes gelingen“, meint Schmid.

Seine Kollegin Rasha Nasr, migrations- und integrationspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, hat einen ganz persönlichen Bezug zu Syrien. Ihre Eltern wanderten 1986, sechs Jahre vor Nasrs Geburt, aus Syrien in die damalige DDR ein. Ihr Vater stammt aus as-Suweida im Süden des Landes, ihre Mutter aus Idlib in der Nähe von Aleppo. „Natürlich haben wir alle Nachrichten seit 2011 verfolgt und die letzten 13 Jahre waren der absolute Horror für mich und meine Familie“, erzählt die 32-Jährige in einem Video, das sie am Sonntag auf Instagram veröffentlicht hat. Ihren Eltern sei nach den Ereignissen der vergangenen Tage und dem Sturz von Assad ein „riesiger Stein vom Herzen gefallen“, berichtet sie weiter.

„Assad hat billigend in Kauf genommen, dass Syrer sterben, dass Syrer ermordet werden, dass seine eigenen Leute verhungern“, sagt Nasr. Mehr als 95 Prozent der Syrer*innen lebten inzwischen unterhalb der Armutsgrenze, wovon auch ihre eigene Familie betroffen sei. „Deshalb ist es auch für mich eine riesige Erleichterung, dass dieses Assad-Regime, das seit 53 Jahren in Syrien geherrscht hat, endlich weg ist“, sagt die SPD-Abgeordnete. Jetzt gehe es darum, einen geordneten Übergang zu organisieren, damit es nach 13 Jahren Bürgerkrieg endlich Frieden geben könne. Die Menschen in Syrien hätten verdient, in Freiheit leben zu können, egal welcher Glaubensgemeinschaft sie angehören.

Aus Syrien zur SPD

Vor Assads Terror, dem Krieg und einer möglichen Verfolgung sind seit Beginn des Bürgerkrieges im Jahr 2011 hunderttausende Menschen auch nach Deutschland geflohen. Einer von ihnen ist Tarek Saad, der in Schleswig-Holstein lebt, sich dort in der SPD engagiert und inzwischen einen deutschen Pass hat. „Ich bin sehr glücklich und froh. Das Ziel, dass Assad weg ist, ist endlich gelungen“, sagt er am Montag im Gespräch mit dem „vorwärts“. Zugleich erinnert er sich an die Anfänge der syrischen Revolution in den Jahren 2011 und 2012: „Ich war einer von den Leuten, die zuerst auf die Straße gegangen sind. Wir wollten damals, dass alles friedlich läuft, keinen Bürgerkrieg.“

Viele seiner Schulfreunde seien seitdem gestorben, weil sie Nein zum Assad-Regime gesagt hätten. Dass es nun 13 Jahre später gelungen sei, Assad zu stürzen, mache ihn „sehr, sehr glücklich“. Allerdings genieße er die aktuelle Situation mit Vorsicht, da Rebellengruppen schwierig einzuschätzen seien. Trotzdem glaubt Saad: „Schlimmer wird es nicht mehr werden. Jetzt können die ganzen Menschen, die Nein gesagt haben, aus den Gefängnissen frei kommen. Künftig geht es darum, alle Gruppen zusammenzubringen, alle Religionen, alle unterschiedlichen Meinungen. Ich glaube, dass die syrische Bevölkerung das hinkriegt.“

Hoffnung auf geordneten Übergang

Positiv bewertet Saad auch, dass Ministerpräsident Mohammad Ghazi al-Dschalali sich bereit erklärt hat, für einen geordneten Übergang im Amt zu bleiben. „Ich hoffe, dass es demnächst zu geordneten Wahlen kommt und es keine Racheaktionen gibt“, sagt der Sozialdemokrat und blickt mit Sorge auf Städte wie Latakia und Tartus an der syrischen Mittelmeerküste, die einst als Hochburgen von Assad-Anhänger*innen galten. Sollte es dort eskalieren, könnte das die syrische Einheit am meisten gefährden, glaubt er.

Was seine persönliche Zukunft angeht, sagt Saad: „Deutschland ist meine Heimat geworden. Ich liebe es hier. Ich liebe meine Verlobte und will sie demnächst heiraten. Allerdings fühle ich auch eine große Verantwortung, das Land dort mitaufzubauen.“

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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Gespeichert von Armin Christ (nicht überprüft) am Di., 10.12.2024 - 09:08

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Mal wieder ein paar Meeinungen aus der Führungsriege. Assad war nun wirklich kein Aushängeschild für Rechtsstaat oder Demokratie, aber sein Hauptverbrechen war es, daß er nicht "prowestlich" war. Das ist für mich aber kein Grund die Machtübernahme durcfh (weichgespühlte) Islamisten zu bejubeln. Syrien ist ein multireligiöses Land und gerade Aleppo und Damaskus (Paulus) zählen zu den Keimzellen des Christentums (was ja die Urideologie des "Westens" ist).
Also Vorsicht bei einer Parteinahme für die öosgelassenen Höllenhunde des Djihad.

Gespeichert von max freitag (nicht überprüft) am Di., 10.12.2024 - 09:55

Antwort auf von Armin Christ (nicht überprüft)

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bei uns lebenden Syrer nach Syrien zurückzulassen, solange dort Islamisten am Werk sind- und dies ist ja wohl derzeit der Fall. Im Gegenteil, müssen wir uns nun vorbereiten auf eine neue Zuzugswelle, denn wenn Österreich- um ein Beispiel zu nehmen- nach Syrien und abschieben will, müssen wir bereit stehen, diese Menschen bei uns aufzunehmen. Hinzukommen werden die Syrer, die unter Assad nicht schlecht gelebt haben. Diese Menschen haben sich doch nicht per se schuldig gemacht, sie hatten Glück, auf der Sonnensite zu stehen, mehr nicht. Wenn ihnen jetzt vor Ort Ungemach droht, dann haben Sie Anspruch darauf, dass wir uns schützend vor sie stellen. Unserer Möglichkeiten sind- allen Unkenrufen zum Trotz- noch lange nicht erschöpft

Gespeichert von Karin Merding (nicht überprüft) am Di., 10.12.2024 - 13:19

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Erstmals ist es doch wichtig, dass die Bevölkerung ausreichend mit Nahrungsmitteln und Medikamenten versorgt wird. Da Assad weg ist und "die Guten" (müssen vielleicht noch umgezwischt werden) das Land übernommen haben, ist es doch dringend an der Zeit, dass seitens der EU die Sanktionen gestrichen werden. Gründe gibt es ja keine mehr. Außerdem ist von Bedeutung, wie die Besatzer von Teilen Syriens sich verhalten, vornehmlich unsere Freunde aus den USA, die die Enegierequellen des Landes in Beschlag haben und Öl etc. außer Landes bringen (Bezahlung ??????).

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