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Rasha Nasr: erste sächsische SPD-Abgeordnete mit Migrationsgeschichte

Rasha Nasr ist die erste sächsische SPD-Bundestagsabgeordnete mit Migrationsgeschichte. Ihre Eltern kamen einst aus Syrien in die DDR. Sie ist stolz auf ihre Wurzeln und feiert heute ihren 30. Geburtstag.
von Jonas Jordan · 22. Oktober 2021
Backen und Politik sind die beiden Leidenschaften der sächsischen SPD-Bundestagsabgeordneten Rasha Nasr. Nun verhandelt sie über die künftige Ampel-Koalition mit.
Backen und Politik sind die beiden Leidenschaften der sächsischen SPD-Bundestagsabgeordneten Rasha Nasr. Nun verhandelt sie über die künftige Ampel-Koalition mit.

Eigentlich ist doch alles klar. Rasha Nasr ist in Dresden geboren, hat dort studiert und wurde in der sächsischen Landeshauptstadt jüngst für die SPD in den Bundestag gewählt. Trotzdem ist die häufigste Suchmaschinenanfrage in Kombination mit ihrem Namen „Herkunft“, was wohl damit zusammenhängt, dass Nasrs Eltern in den 80er-Jahren aus Syrien in die DDR kamen. Die seit heute 30-Jährige stört sich nicht daran, wenn Menschen danach fragen. „Ich bin stolz darauf, syrische Wurzeln zu haben. Das ist ein kultureller Schatz, den nicht viele haben“, sagt sie.

Ein Schatz mit Wehmut

Allerdings ist dieser Schatz auch mit einer Portion Wehmut verbunden. Sie berichtet von einem Vortrag, den der Journalist Lutz Jäkel im vergangenen Herbst bei der deutsch-syrischen Gesellschaft in Dresden hielt. Er zeigte Bilder von der Zeit vor Beginn des Krieges, von Palmyra, aus Damaskus, von einer bestimmten Eisdiele, an die Nasr noch lebhafte Erinnerungen hat: „Da gibt es das weltbeste Milcheis mit Pistazie. Seitdem habe ich diesen Geschmack im Mund und bin richtig wehmütig. Ich liebe das Essen, liebe die Mentalität und werde die Düfte nie vergessen. Es ist wirklich traurig, weil das Land in der Form nicht mehr da ist.“

Wegen ihrer syrischen Wurzeln wird sie jedoch auch manchmal auf der Straße angefeindet, wie Nasr bereits vor der Bundestagswahl im Gespräch mit dem „vorwärts“ berichtete. Einmal stand sie an einer vollen Straßenbahnhaltestelle. Eine Gruppe junger Leute stand ihr gegenüber, einer lief los und verteilte einen vollen Kaffeebecher auf ihrer Bluse. „Ich habe gerufen: Was soll das? Bist du bescheuert?“, sagt Nasr. Er antwortete: „Wieso? Jetzt passt die Bluse wenigstens zur Hautfarbe.“ Niemand ging dazwischen. Nasr lief weinend nach Hause und zog sich um. Doch unterkriegen lässt sich die Sozialdemokratin weder vom Hass im Netz noch von Anfeindungen auf der Straße.

Mit Cupcakes in den Bundestag

2017 trat sie in die SPD ein, im vergangenen Jahr kandidierte sie für den Bundestag und ist dort nun die erste sächsische SPD-Abgeordnete mit Migrationsgeschichte. In ihrer Heimatstadt Dresen wurden die Sozialdemokrat*innen gar stärkste Kraft. „Dresden ist Rot. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen“, sagt Nasr voller Begeisterung. Auf ihrem Weg ins Parlament unterstützte sie die überparteilichen Initiative „Brand New Bundestag“. Das Vorbild der Initiative ist „Brand New Congress“ aus den USA, das der jungen demokratischen Hoffnungsträgerin Alexandria Ocasio-Cortez den Sprung ins Parlament ermöglichte. In Deutschland schafften es neben Nasr auch der SPD-Abgeordnete Armand Zorn aus Frankfurt sowie der Grünen-Kandidat Kassem Taher Saleh aus Dresden ins Parlament. „Es war toll, zu sehen, dass die Initiative das Projekt Bundestagswahl so abschließen konnte“, sagt Nasr.

Am Wahltag selbst hat sie gebacken, um sich abzulenken. Wie so oft während des Wahlkampfes. Denn Nasr brachte unter dem Titel „Cupcake Politics“ ihre beiden größten Leidenschaften – Backen und Politik – zusammen. Beispielsweise präsentierte sie das Rezept für eine selbstbewusste und weltoffene Gesellschaft. Der passende Cupcake besteht aus einem rot gefärbten Schoko-Muffin, einer Schweizer Buttercreme mit Nuss-Nougat-Creme als Topping und als Finish ein „Fight-Racism-Cookie“.

Teil der Verhandlungsgruppe zur Ampel-Koalition

Über den passenden Cupcake für eine Ampel-Koalition musste sie dagegen zunächst noch etwas grübeln. Deren inhaltliche Ausgestaltung hatte sie dabei selbst mit in der Hand. Nasr war im Herbst Teil der rund 100-köpfigen SPD-Verhandlungsgruppe. Gemeinsam mit Dagmar Schmidt, Melanie Leonhard, Martin Rosemann, Martin Dulig und Katja Mast verhandelte sie in der Arbeitsgruppe „Sozialstaat, Grundsicherung, Rente“. Sie sagte damals: „Das ist eine mega Ehre für mich, dass ich dafür vorgeschlagen und letztlich auch ausgewählt wurde. Die kommenden Wochen werden auf jeden Fall ein harter Ritt, aber ich gehe sie in freudiger Erwartung an.“

Mit freudiger Erwartung blickte sie kurz nach ihrer Wahl auch auf die kommende Arbeit innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion in den nächsten Jahren. „Es sind so viele neue Perspektiven in dieser Fraktion. Wenn wir es richtig angehen, können wir was positiv verändern und unsere Politik nach vorne bringen. Das finde ich so cool, dass ich ein Teil davon sein darf“, sagte Rasha Nasr, auch wenn sie es noch nicht ganz realisieren konnte: „Rasha Nasr, MdB, hört sich immer noch völlig komisch an, aber es ist ein krasses Gefühl.“

Inzwischen ist sie im Bundestag angekommen, als stellvertretende Sprecherin der SPD-Fraktion für Migration und Integration sowie Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Soziales.

Das Porträt erschien erstmals am 27. Oktober 2021.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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