SPD-Klimadialog: „Wir dürfen die Menschen nicht überfordern“
Die SPD machte Klimaschutz zum Schwerpunkt im Bundestagswahlkampf 2021. Drei Jahre später sehen viele Menschen die Klimapolitik der Bundesregierung kritisch. Wie die SPD darauf reagieren will, war Thema ihres ersten Klimadialogs.
X/SPD.Klima.Gerecht
SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch: Mit der Natur lässt sich nicht verhandeln.
Die Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen sind auch für den Klimaschutz gefährlich: Die AfD leugnet den menschengemachten Klimawandel, das BSW will zentrale Klimaschutz-Maßnahmen zurückdrehen. Der hohe Zuspruch zu beiden Parteien zeigt: Das Thema ist aus dem Fokus gerückt, das Engagement für ein besseres Klima schwindet.
Klimapolitik, aber sozialverträglich
Wie kann die Politik dagegen tun? Darüber diskutierten am Dienstag Parteivertreter*innen und Expert*innen beim ersten Klimadialog der SPD im Willy-Brandt-Haus. Die Veranstaltung wurde vom Verein Klima.Gerecht organisiert. Mehr als hundert vor allem junge Teilnehmer*innen waren gekommen, um in mehreren Panels über Fragen der Energiewende, die Rolle von Ökosystemen oder die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen zu diskutieren. Unter anderem Generalsekretär Kevin Kühnert, Juso-Vorsitzender Philipp Türmer, Carla Reemtsma von Fridays for Future, die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert und der Nachhaltigkeitsforscher Kai Niebert hatten das Wort.
Dabei ging es vor allem um die Frage, wie Klimapolitik sozialverträglicher werden kann. „Wir dürfen die Menschen nicht verängstigen und überfordern“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch gleich zu Beginn. „Ansonsten schlägt das Pendel in das andere Extrem um.“
Miersch ist im Fraktionsvorstand für den Bereich Klimaschutz zuständig. Mit der Natur lasse sich nicht verhandeln, betonte er. Darum sei eine Klimapolitik notwendig, die die Menschen mittragen. Ein Jahr vor der Bundestagswahl 2025 warnte er: Zu häufig verliere sich die Bundesregierung im Gegeneinander von einzelnen Ressorts.
Verkehrssektor verstößt gegen die „Bibel“
Zwar sei das Klimaschutzgesetz, das seit 2019 die Klimaziele bis 2030 regelt, ein Meilenstein deutscher Klimapolitik – „es wurde von vielen als Klima-Päckchen verurteilt, doch eigentlich ist es die Bibel“, so Miersch. Doch vor allem der Verkehrssektor überschreite die dort geregelten Grenzen für den CO2-Ausstoß deutlich. „Ich finde es eine Schande, dass wir in Sachen Verkehrspolitik unsere Klimaziele nicht erreichen“, sagte Miersch mit Blick auf FDP und CDU/CSU, die sich gegen Verbrenner-Aus und Tempolimit wehren. „Wenn wir dort nicht die Wende schaffen, werden wir die Klimaziele nicht erreichen.“
„Wir haben uns bis heute davor gedrückt, die wirklich heißen Eisen anzufassen“, sagte Miersch. Das habe die schwierige Debatte um das Heizungsgesetz gezeigt. Die Ampel-Parteien hatten den Gesetzesentwurf mehrfach überarbeitet, um ihn sozialverträglicher zu gestalten. Für eine sozialverträgliche Klimapolitik sei es umso wichtiger, ressortübergreifend und mit interdisziplinären Gremien zu arbeiten. Als Beispiel nannte Miersch die Kohlekommission, die 2019 die strukturellen Bedingungen für das Kohle-Aus erarbeitete.
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Miersch
„Wir haben uns bis heute davor gedrückt, die wirklich heißen Eisen anzufassen."
Miersch nannte einige Beispiele, die weniger sozialverträglich seien. So sei der Vorschlag der Union, den Emissionshandel auszubauen, bei dem Treibhausgas-Emissionen bepreist werden. Das sei „gesellschaftspolitisch toxisch“, sagte Miersch, denn es gefähre die Zustimmung der Menschen. Ähnlich verhalte es sich bei dem von der Ampel-Regierung geplanten Klimageld, das erhalten soll, wer klimafreundlich lebt. Egal, wie es ausgezahlt werde, die Menschen würden die Einschränkungen trotzdem spüren.
Parteichefin Saskia Esken appellierte an die Verantwortung der SPD, Klimaschutz so zu gestalten, dass sich ihn alle leisten können. Derzeit produzierten Reiche im Vergleich zu Ärmeren „unfassbar mehr“ CO2, hätten aber beste Möglichkeiten, den Folgen auszuweichen. „Mein Ansatz als Sozialdemokratin ist es, andere Menschen dazu befähigen, klimafreundliche Entscheidungen zu treffen“, sagte sie.
Klimaschutz-Aktivistin Carla Reemtsma nannte es problematisch, dass Klimaschutz-Maßnahmen zu schnell als „unsozial“ oder „wirtschaftlich schädlich“ abgestempelt würden. „Dabei ist die Klimakrise eine totale Gerechtigkeitskrise: Auf der Folgeseite, aber auch auf der Verursacherseite.“ Klimaschutz sei eben nicht per se unsozial, sondern eine „elementare Grundvoraussetzung für soziale Gerechtigkeit“.
Reemtsma fordert von Esken zum Baustopp vor Borkum
Reemtsma hatte zuletzt gemeinsam mit Klimaaktivistin Luisa Neubauer und Juso-Chef Philipp Türmer einen Brief im „Tagesspiegel" veröffentlicht, in dem sich gegen die geplante Erdgasförderung eines niederländischen Konzerns vor der Nordseeinsel Borkum wendeten. „Das sind Emissionen, die können wir uns nicht mehr leisten", sagte Reemtsma beim SPD-Klimadialog im Hinblick auf den geplanten Ausstieg aus fossilen Energien. Die Bundesregierung dürfe das Abkommen mit den Niederlanden nicht unterzeichnen. „Die SPD muss sich entscheiden: Steht sie an der Seite von Profiten oder von Menschen und Klima?"
Esken verwies in der Frage auf die Auseinandersetzung mit ihren Koalitionspartnern. „Bedauerlicherweise hat Fridays for Future uns 2021 nicht mit ausreichend Stimmen versorgt", sagte sie. In die Entscheidung seien mehrere Ebenen involviert. „Wir haben allerdings auch die Verantwortung der Versorgung der Bevölkerung mit Energie." Das habe der Krieg in der Ukraine gezeigt.
Klima
Matthias Miersch ist ein kluger Kopf und geht tendenziell in die richtige Richtung!
Leseempfehlung für den SPD-Parteivorstand:
"Kapitalismus am Limit", Brand/Wissen, oekom-verlag, 2024.
Da steht drin, wie vorzugehen ist! Mit den Prinzipien der Lindner-FDP jedenfalls nicht !!!
Zu Saskia Esken:
WER hat Nordstream I und II von Anfang an nicht gewollt (lange vor dem 24.02.2022 ???!!!)
Wer hat Nordstream in die Luft gejagt???!!! Und wie kleinlaut, devot wurde von der Regierungs-SPD darauf reagiert ???!!! Mit diplomatischer Angsthasenmentalität wird das Klima/die Umwelt nicht gerettet werden können. Das Klima/die Umwelt muss aber global gerettet werden. Das ist zwingend/unverhandelbar.
Und zwar global sozial gerecht!!! Wie denn sonst???!!! Andernfalls wird die Menschheit in den Abgrund gestürzt! Die Uhr läuft gnadenlos ab!!! Und: die SPD muss dabei nicht auf FFF warten.