Die SPD braucht effektive Arbeitsstrukturen in Sachen Klimapolitik
Der Kampf gegen den Klimawandel ist auch für die SPD eine absolute Kernaufgabe in den nächsten Jahren. Dafür braucht sie effektive innerparteiliche Arbeitsstrukturen. Einiges gibt es schon. Das gilt es zu stärken.
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Die SPD kann Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit bringen. Dafür muss sie aber ihre Arbeitsstrukturen ändern.
António Guterres fand deutliche Worte. „Schauen wir den Tatsachen ins Auge: Extreme Temperaturen sind kein Phänomen mehr, das ein Tag, eine Woche oder ein Monat dauert“, sagte der UN-Generalsekretär, nachdem kürzlich weltweit die drei heißesten Tage seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gemessen wurden.
Keine Frage: Die Menschheit steht unter erheblichem Druck. Der Klimawandel hat mit Extremwetterereignissen mit vielen Toten und schlimmen Verlusten bereits ein dramatisches Niveau erreicht. Und ein Ende ist nicht absehbar, weil die weltweiten jährlichen CO2-Emissionen weiter steigen.
Die wirtschaftlich Schwachen werden den Klimawandel besonders zu spüren bekommen
Darunter leiden vor allem die, die über keine Puffer verfügen. Menschen im Globalen Süden, die vielen Kleinbauern mit weniger als zwei Hektar Fläche auskommen müssen, die sie mit einer einfachen Hacke bewirtschaften. Aber auch in Deutschland sind und werden vor allem diejenigen mit einem kleineren Geldbeutel von den Folgen des Klimawandels betroffen sein.
Welche Antwort es darauf braucht, ist klar: eine Strukturwandelpolitik, die wirklich für alle auch unter Bedingungen der notwendigen Klimapolitik gute Arbeit, soziale Absicherung, Bildung usw. sicherstellt.
Die SPD kann sozial-gerechte Klimapolitik
Die SPD kann Strukturwandelpolitik. Sie kann auch die soziale Dimension der Transformation mitdenken. Verteilungsgerechtigkeit bedeutet dabei, dass vor allem Millionär*innen und Milliardär*innen ihren Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leisten. Nicht zuletzt sind sie auch die Haupt-Verursacher*innen, denn der Klimafußabdruck nimmt mit der Größe des Geldbeutels zu. Gleichzeitig geht es um Teilhabegerechtigkeit: Die Schwachen müssen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise mitgestalten können.
Die SPD ist aber auch eine Mitgliederpartei. Ihre Stärke resultiert aus dem Know-how und dem Engagement ihrer Mitglieder. Um dieses zu nutzen, braucht es geeignete innerparteiliche Arbeitsstrukturen.
2021 hat sich das „SPD-Klimaforum“ gegründet, auf Initiative Einzelner von unten. Das „SPD-Klimaforum“ hat eine eigene Internetseite aufgesetzt, es gibt ein Koordinationsteam, das Plenum tagt monatlich digital und einige Untergruppen arbeiten zu speziellen Themen. Leider wurde bisher die Chance vertan, diese „Graswurzelinitiative“ zu unterstützen und groß zu machen und damit der innerparteilichen Bearbeitung einen guten Rahmen zu geben.
Das Online-Themenforum der SPD funktioniert nicht
Mehr oder weniger gleichzeitig wurde das Online-Themenforum (OTF) „Klimagerechte Wirtschaft“ vom SPD-Bundesparteitag ins Leben gerufen. Über dieses können zwei Delegierte am Bundesparteitag beratend teilnehmen und haben dort Rederecht. Auch kann das Themenforum Anträge beim Bundesparteitag einbringen.
Doch das Themenforum ist für die Organisation der innerparteilichen Debatte zu Klimafragen derzeit untauglich, weil es unpraktisch, unübersichtlich und befristet ist. Ohne die Aktivitäten des SPD-Klimaforums wäre das OTF weder mit Anträgen noch mit Delegierten auf dem Parteitag vertreten gewesen. Daher braucht es dringend strukturelle Reformen. Beim „SPD-Klimaforum“ zeigt sich zusehends, dass es die Organisationslasten nicht aus eigener Kraft dauerhaft tragen kann.
Das Klimaforum kann die Klimabewegten versammeln
Was folgt daraus? Erstens sollte die Partei die Eigeninitiative SPD-Klimaforum als die maßgebliche Plattform in der Partei für die Debatte über Klimapolitik mit sozialen Bezügen anerkennen. Das SPD-Klimaforum kann die Klimabewegten versammeln und arbeitet praktisch nur virtuell. Es kann all das, was das Online-Themenforum können soll, bereits heute. Daneben gibt es noch „SPD.Klima.Gerecht“, eine Gruppe aus Jusos. Bei „SPD.Klima.Gerecht“ können und sollen aber nur junge Genoss*innen mitwirken.
Zweitens braucht das Engagement Klimabewegter in der SPD finanzielle und organisatorische Unterstützung aus dem Willy-Brandt-Haus. Etwas Personalressource und ein kleiner Finanztopf würden vieles ermöglichen.
Zusammenarbeit mit den Arbeitsgemeinschaften stärken
Um der Idee der Mitgliederpartei zu Leben zu verhelfen, braucht es eine Vernetzung mit den vielen Arbeitsformaten in der SPD zu Klima- und Umweltpolitik auf kommunaler, regionaler und Landesebene. Dort stecken das Know-how und die Begeisterung für das Thema und für die Herausforderungen. Diesen innerparteilichen Schatz gilt es zu heben. Das „SPD-Klimaforum“ könnte das mit etwas Unterstützung aus dem WBH bündeln und die verschiedenen Initiativen zusammenbringen.
Zudem muss die Zusammenarbeit mit den Arbeitsgemeinschaften innerhalb der SPD gestärkt werden. Denn die sozial-ökologische Transformation ist ein Querschnittsthema, das das Zusammendenken der verschiedenen Dimensionen erfordert. Und schließlich braucht es eine Vernetzung über Deutschland hinaus. Denn Klimapolitik wird vor allem in Europa gemacht.
Drei Gründe, warum sich die SPD um Klimapolitik kümmern muss
Der Kampf gegen den Klimawandel und für eine sozial-ökologische Transformation ist eine Menschheitsfrage. Die SPD kann hier eine wichtige Rolle spielen, wenn sie sich ihrer Wurzeln besinnt, die in der Verantwortung für die Schwachen und in ihrer Kompetenz für Strukturwandelpolitik liegen. Wer für diese Herausforderungen keine Lösungen anbietet, verliert das Vertrauen der Wähler*innen. Das zeigen auch die Wahlen der letzten Monate. Schließlich ist es eine Frage von Identität und Integrität. Die SPD wächst bei einem seriösen Diskurs und mit guten Lösungen. Sie kann so wieder politische Heimat werden, zum Nutzen aller.
Klimadialog von SPD.Klima.Gerecht
Am 3. September 2024 soll die aktuelle Klimadiskussion direkt ins Willy-Brandt-Haus getraten werden und gemeinsam mit spannenden Stimmen aus Partei, Wissenschaft, Wirtschaft und Aktivismus über die Zukunft sozialdemokratischer Klimapolitik diskutiert werden. Alle aktuellen Informationen, das aktuelle Programm und die Anmeldung finden sich hier.
Lennart Weyandt ist Mitglied des SPD-Klimaforums, stellvertretender Vorsitzender des Fachausschusses Mobilität der Berliner SPD sowie seiner Abteilung und war der erste Bundesparteitagsdelegierte eines Online-Themenforums.
Harald Ginzky ist Sprecher des Arbeitskreis Klimawandel, Umweltschutz und nachhaltiges Wirtschaften der SPD Bremen Stadt und einer der Initiatoren des SPD Klimaforums.
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Klimaforum
Es ist gut, dass es einige Klimagruppen gibt, die versuchen, klima- und umweltpolitische Themen ins Bewusstsein der Partei zu rücken. Ich glaube aber nicht, dass es richtig ist, alle Klimabewegten in dieser Gruppe zu vereinen. Ich habe oft den Eindruck, dass es hier mehr um einen Machtanspruch dieser Gruppe geht, die meint, dass nur sie weiß, wie wichtig die Themen Klima und Umwelt sind. Das wird aber den vielen individuellen Bemühungen in der Partei auf unterschiedlichen Ebenen nicht gerecht. Es gibt viele Menschen und Gruppierungen in der SPD, die sich auf unterschiedliche Art und Weise für Klima und Umwelt einsetzen. Es gibt nicht nur einen Weg zur Klimaneutralität. Wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen. Es passiert noch immer zu wenig, aber wir haben in den letzten Monaten ja feststellen müssen, dass sich bei den Menschen eine gewisse Reaktanz gegen Klimamassnahmen entwickelt hat. Die Menschen müssen mitgenommen werden. Klimapolitik von oben mit erhobenem Zeigefinger funktioniert nicht. Deshalb braucht es die vielen unterschiedlichen Ebenen und Gruppierungen, die sich in der Kommune, im Land und im Bund für den Klimaschutz und für die Umwelt einsetzen. Es sind mehr, als man denkt. Problematisch finde ich eher, dass es in den Parlamenten schwierig ist, sich gegen die konservativen Parteien durchzusetzen. In einigen Kreisen wird die SPD schon als problembewusster in Sachen Umwelt und Klima empfunden als die Grünen. Die SPD und Klimabewussten müssen sich gegen die Konservativen und Ewig-Gestrigen durchsetzen. Da die SPD in vielen Fällen nicht allein regiert, ist es nicht leicht, immer die Ziele zu erreichen, die sich die Umwelt- und Klimabewussten setzen. Und es gibt leider in der SPD immer noch zu viele, die eine gewisse Reaktanz ggü diesem Thema an den Tag legen.
Richtig ist aber auch, dass die SPD sich für eine sozialgerechte Klima- und umweltbewusste einsetzen muss. Aber, wie gesagt, dafür Bedarf es den Einsatz aller auf allen Ebenen, gerade auf der Kommunalebene, wo die meisten Gesetze umgesetzt werden. Klima- und Umweltschutz geht alle an, deshalb reicht eine Gruppe nicht aus, um das Thema politisch zu behandeln. Die Realität ist, dass sich schon viele für das Thema einsetzen, aber immer noch dicke Bretter gebohrt werden müssen und der Weg zur Klimaneutralität steinig ist. Nur, es braucht nicht nur zwei Gruppen, sondern viele in vielen verschiedenen Bereichen. Nicht umsonst heißt es, „Wenn viele kleine Menschen an vielen kleinen Orten viele kleine Schritte tun, können sie das Gesicht der Welt verändern.“