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SPD-Klausur auf Norderney: „Müssen die Partei der Zuversicht werden“

Auf Norderney demonstrieren die Abgeordneten aus Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen große Geschlossenheit zwischen Partei, Fraktion und Kanzler. Sie formulieren aber auch klare Erwartungen an Olaf Scholz.

von Karin Nink · 19. April 2024
Hatte klare Botschaften für die SPD-Abgeordneten aus Niedersachsen/Bremen und Nordrhein-Westfalen: Bundeskanzler Olaf Scholz (r.) mit dem Vorsitzenden der SPD-Landesgruppe Niedersachen, Johann Saathoff

Hatte klare Botschaften für die SPD-Abgeordneten aus Niedersachsen/Bremen und Nordrhein-Westfalen: Bundeskanzler Olaf Scholz (r.) mit dem Vorsitzenden der SPD-Landesgruppe Niedersachen, Johann Saathoff

Olaf Scholz hatte sich für die zweite Hälfte der Tagung angekündigt. Doch schon am ersten Tag lobt Fraktionschef Rolf Mützenich ihn. Auf dem Weg von der Fähre zum Konferenzsaal hätten ihn zahlreiche Bürger*innen angesprochen und gebeten, dem Kanzler ihren Dank auszurichten für sein besonnenes Handeln im Ukraine-Krieg berichtet der SPD-Fraktionsvorsitzende.

Neben der Wertschätzung formuliert Mützenich aber auch die klare Erwartung der SPD-Bundestagsabgeordneten: Der Kanzler könne sich nun – ein gutes Jahr ­vor der nächsten Bundestagswahl –  für die Ziele der Partei „genauso einsetzen wie für den Koalitionsvertrag“. Denn er könne sich „jetzt freier machen“ und „souveräner mit uns werden“. Exemplarisch nennt Mützenich drei Themen: Tariftreuegesetz, eine bessere Betriebsverfassung und die Kindergrundsicherung. Alles Themen, bei denen sich der Koalitionspartner FDP bisher quer stellt.

Mehr Investitionen in Sicherheit und den Sozialstaat

Schon vor Beginn ihrer zweitägigen Klausur auf der Nordseeinsel Norderney haben die 77 Bundestagsabgeordnete der zwei größten Landesgruppen Niedersachsen/Bremen und Nordrhein-Westfalen ganz klar signalisiert, um was es ihnen geht: Der Staat müsse mehr investieren können, weil mehr Geld für die innere und äußere Sicherheit, für einen starken Sozialstaat und für eine auch zukunftssichere und wettbewerbsfähige Wirtschaft gebraucht werde. 

Das im Vorfeld dazu veröffentlichte Positionspapier nahm voraus, was viele in ihren Wortbeiträgen deutlich machen und von SPD-Chef Lars Klingbeil auf den Punkt gebracht wird: „Dieser Staat muss investieren!“ Er fordert: „Wir müssen dafür kämpfen, dass Investitionspolitik in diesem Land sich verändert“. Die SPD müsse ganz vorne stehen, wenn es darum gehe, das Leben der Menschen einfacher zu machen, „wir denken Wirtschaft und Soziales zusammen“. Den Abgeordneten gibt er SPD-Chef noch mit auf den Weg: „Kümmert euch um das Wesentliche“.

Als Olaf Scholz am Freitag auf Norderney landet, hatte es, wie er sagte, „erneut eine militärische Aktivität“ im Nahen Osten gegeben. Er meint den mutmaßlich israelischen Angriff auf militärische Anlage im iranischen Isfahan. Anlass genug für den Kanzler, seine Rede an die Abgeordneten mit der Außenpolitik zu beginnen. Scholz warnt vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten. Alle müssten dafür sorgen, dass es dazu nicht komme.

Scholz: „Deswegen unterstützen wir die Ukraine.“

Im Hinblick auf den Ukraine-Krieg betont Scholz die notwendige weitere militärischen Unterstützung des Landes, wirbt aber auch eindringlich für diplomatische Bemühungen um ein Ende des Krieges. „Ganz besonders“ gelte es, Gesprächsformate zu pflegen, die zu einer friedlichen Lösung beitragen könnten – auch unter Beteiligung von Ländern wie China, Brasilien oder Südafrika. „Das ist etwas, was in diesem mühseligen Prozess unverzichtbar ist, und ich bin dankbar, dass Deutschland und dass auch ich einen Beitrag dazu leisten kann.“  Eine solche Konferenz ist für Juni in der Schweiz geplant und war auch Thema von Scholz‘ Gesprächen in China vor wenigen Tagen.

Bundeskanzler Olaf Scholz auf Norderney, Foto: Michael Krömer/NRW-LandesgruppeAuf Norderney wiederholt Scholz seine Einschätzung, dass der Angriff Russlands auf die Ukraine „eine Zeitenwende“ sei, weil so die geltende Sicherheitsarchitektur aufgekündigt worden sei. „Deswegen unterstützen wir die Ukraine.“

Innenpolitisch ruft der Kanzler – ähnlich wie die SPD-Vorsitzende Saskia Esken am Vortag – in Erinnerung, was an guter Sozialpolitik in seiner Regierungszeit schon alles umgesetzt worden sei: Etwa die Erhöhung des Mindestlohnes, des Kindergeldes sowie des Kinderzuschlages. Auch das Rentenniveau werde stabil gehalten. Esken hatte am Vortag betont: „Ein starker Sozialstaat ist der Garant für Zusammenhalt und für die Zuversicht, dass es für alle gut ausgeht.“

Genoss*innen, die Scholz gegenüber kritisch anmerkten, dass gerade die Mitte der Gesellschaft enttäuscht sei, weil es immer noch an Kitaplätzen fehle und die Pflege für Angehörige mangels Fachkräfte ein Kraftakt für betroffene Familien sei, verspricht der Kanzler: „Die Lebenskonzepte derer, die Kinder haben und Angehörige pflegen, müssen im Mittelpunkt unserer Politik stehen.“ Die SPD solle „die Partei der Zuversicht werden“.

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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2 Kommentare

Gespeichert von Peter Boettel (nicht überprüft) am So., 21.04.2024 - 10:37

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Nicht nur der Ukraine-Krieg, sondern auch alle anderen Kriege, wie z. B. im Gaza, im Sudan oder die Auseinandersetzung Israels mit dem Iran sollten auf diplomatischem Wege schnellstens beendet werden.
Denn Kriege kosten nur Menschenleben, Verletzungen, Zerstörungen, Flucht und viel Geld, das für andere wichtigere Projekte, insbesondere Umwelt- und Klimaschutz, Pflege, Kitas etc. fehlt.

Gespeichert von Rudolf Isfort (nicht überprüft) am Do., 25.04.2024 - 09:51

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eine so gute Idee, dass die Frage erlaubt sein muss, warum die SPD nicht schon viel früher darauf gekommen ist. Wenigstens sollte Sie sofort damit anfangen, damit das Mantra noch für die nächste Bundestagswahl zündet. War die „SPD-Klausur auf Norderney“ der Startschuss für neue Zuversicht?

Frau Nink fasst die Quelle der Zuversicht als Zusammenspiel von „innerer und äußerer Sicherheit“, „starkem Sozialstaat“ und "zukunftssicher und wettbewerbsfähiger Wirtschaft“ zusammen. Klingbeil fordert darum, „dieser Staat muss investieren!“ und „Wirtschaft und Soziales zusammen denken“, assistiert von Frau Esken, die mit leicht anderem Fokus hinzufügt, dass „ein starker Sozialstaat der Garant für Zusammenhalt und für die Zuversicht ist, dass es für alle gut ausgeht,“ (wobei das „es“ leicht nebulös bleibt.) Kanzler Scholz ergänzt und fokussiert den sozialen Aspekt noch um „die Lebenskonzepte derer, die Kinder haben und Angehörige pflegen“. Auf „Wirtschaft und Soziales“ lag doch, wenn ich mich recht erinnere, schon (fast) immer der Focus sozialdemokratischer Politik. Derzeit hat es die SPD aber besonders schwer, ihrer Tradition zu folgen – und ich spreche nicht vom Koalitionspartner. Sowohl Wirtschaft als auch das Soziale stehen unter großem Druck: Die Wirtschaft leidet unter erheblich gestiegenen Energiepreisen; die Bevölkerung hat seit 2020 etwa 18,5% ihres Lebensstandards durch Inflation eingebüßt, von 2022 – 2024 (1. Quartal) waren es 15,4% - falls nicht durch Einkommenssteigerungen kompensiert. (Die Erfahrungen der Käufer an den Kassen der Händler für Lebensmittel stimmen mit diesen (niedrigen) Zahlen des Statistischen Bundesamtes nicht überein.) Und mit der neuen Priorisierung der Haushaltsausgaben für Aufrüstung gibt die SPD den Armen in unserem Lande keine Zuversicht, denn selbstverständlich muss der Haushaltstitel „Arbeit und Soziales“, größter Posten im Bundeshaushalt (37,3%), in besonderem Maße die gewaltigen, zusätzlichen „Investitionen in Sicherheit“, Lindner über Rüstungsausgaben, kompensieren. Um deutlich zu machen, worüber wir da sprechen: Wenn 2% des BIP, die Scholz mindestens und sofort in den Militärhaushalt stellen will – für Pistorius ist bei 2% noch lange nicht Schluss –, dann hätten wir 2023 statt etwa 50 Mrd. € ziemlich genau 82,5 Mrd. € für die Bundeswehr ausgeben müssen.( 2,5% vom BIP wären bereits 103 Mrd. €.) Und so weiter Jahr für Jahr.

Dass die Ausgaben für Rüstung ohne jede Gegenrede akzeptiert werden, alle unsere Wortgewaltigen (auch die der SPD) überbieten sich geradezu darin, mehr davon zu verlangen, geht zurück auf den 24.2.2022. An dem Tag begann die Russische Föderation ihren Krieg gegen die Ukraine. Eine Reaktion darauf war, dass wir jeden Bezug von Gütern, insbesondere Energieträgern, aus Russland einstellten – ein tollkühnes Unterfangen für eine Volkswirtschaft, deren Geschäftsmodell es ist, Rohstoffe günstig ein- und veredelt wieder zu verkaufen. Der, so einhellige Meinung, uns durch den Krieg aufgezwungene Verzicht auf günstige Energieträger und andere Rohstoffe aus Russland, auch künftigem, günstigem Wasserstoff, führt notwendigerweise zu einem Wohlstandsrückgang bei uns. Das darf die SPD nicht übergehen, so sehr die Verbreitung von Zuversicht auch unerlässlich ist.

Der Krieg ist eine Tragödie für die Ukraine, für ihre Bevölkerung, für Wirtschaft und Infrastruktur und für ihre Ökologie. (Darüber hat Scholz sicher gesprochen, auch wenn der Text das nicht erwähnt.) Unser Bundeskanzler stellt aber die geopolitische Bedeutung des Konflikts heraus, die, so gibt Frau Link seine Worte wieder, darin bestehe, dass durch ihn „die geltende Sicherheitsarchitektur aufgekündigt worden sei“. (Manchmal geht es auch um „unsere/ die europäische Friedensordnung“ oder gar um die Friedens-/Sicherheitsordnung schlechthin.) Angesichts dieser Perzeption des Konflikts versteht es sich von selbst, dass „Scholz die notwendige weitere militärischen Unterstützung des Landes betonte“, aber auch, und das verbreitet Zuversicht, „eindringlich für diplomatische Bemühungen um ein Ende des Krieges werbe“. Ganz besonders „gelte es, Gesprächsformate zu pflegen, die zu einer friedlichen Lösung beitragen könnten – auch unter Beteiligung von Ländern wie China, Brasilien oder Südafrika“: Das, oder Krieg bis zur „Erschöpfung“ - der Russischen Föderation, versteht sich. Die Einbeziehung von BRICS-Staaten ist ein mutiger, großartiger Einfall von Scholz, durch den Zuversicht auch bei unseren jungen Menschen aufkeimen sollte. Ich bin aber gar nicht sicher, dass die USA damit glücklich ist, dass vielleicht China zur Befriedung des Ukraine-Krieges maßgeblich beitragen könnte. Sicher hingegen scheint mir zu sein, dass ein von den BRICS-Staaten moderierter Frieden auf eine Auflösung des „Konfliktfeldes, dem der Krieg entsprang“ (Tony Wood), drängen wird – deutlicher: Ich bin sicher, dass die BRICS- Staaten die Nato-Osterweiterung aus russischer und nicht aus westlicher Sicht einschätzen werden.
Wenn das stimmt, dann sollte der Westen über seinen Schatten springen, dann sollte Biden mit Putin reden und eine Lösung des Konflikts offerieren, wie sie schon Anfang des Krieges von der Ukraine angeboten worden ist, die dann aber nicht weiter verfolgt wurde, weil „dann Butscha (und andere Orte von Kriegsverbrechen) kam“ (Kiesewetter).
Ein Friedensangebot des Westens wäre Grund für Zuversicht, weit über den Krieg um die Ukraine hinaus.

Darum sollte sich Scholz kümmern.