Inland

Innere Sicherheit: Warum wir keine schärferen Gesetze brauchen

Burka-Verbot, Obergrenze, weg mit dem Doppelpass – mit immer schärferen Tönen will die CSU am rechten Rand punkten. SPD-Vize Ralf Stegner bleibt hingegen gelassen: Anstatt „halbstarker“ Forderungen brauche die Bevölkerung vor allem eins – soziale Sicherheit.
von Paul Starzmann · 8. September 2016
Ralf Stegner
Ralf Stegner

Glaubt man den Kommentarspalten bei Facebook, dann geben die Parteien in Deutschland zur Zeit kein gutes Bild ab: zu wenig Glaubwürdigkeit, zu viele Grabenkämpfe, kein klarer Kurs. Am meisten gelte das derzeit für die Union, findet der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner. „Politisches Chaos“ sei noch eine wohlwollende Beschreibung angesichts des Streits zwischen CDU und CSU über den richtigen Kurs in der Asyl- und Einwanderungspolitik. Vor allem mit der CSU geht Stegner hart ins Gericht.

Stegner: CSU will die Verfassung aussetzen

Die jüngsten Forderungen aus München nach einem harten Kurs in der Asyl- und Integrationspolitik weist Stegner entschieden zurück. Weder ein generelles Burka-Verbot, noch „Transitzonen“ oder Obergrenzen seien mit der SPD zu machen. Die Vorstöße der CSU fänden schlicht keine Mehrheit in Deutschland – zum Teil seien sie sogar gegen die Verfassung gerichtet.

„Wir sollten nicht über innere Sicherheit quatschen, sondern für erfahrbare Sicherheit sorgen“, forderte Stegner am Donnerstag in Berlin. Er setzt in der Debatte voll auf die Polizei: Für die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern wünscht er sich mehr Beamte, eine bessere Ausbildung und gute Ausrüstung. Von den Plänen der Union, auch die Bundeswehr vermehrt im Inland einzusetzen, hält er dagegen nichts: „Keine Sicherheitsbehörde unterstützt diese Pläne“, so Stegner. „Wir wollen der Bevölkerung keine Angst machen.“ Allenfalls zur Amtshilfe könne die Bundeswehr derzeit laut Gesetz im Inland herangezogen werden – „Und das soll auch so bleiben.“

Die doppelte Staatsbürgerschaft bleibt

Beim Thema Sicherheitspolitik setzt sich Ralf Stegner damit deutlich von der Union ab. In Deutschland sei „keine Verschärfung von Gesetzen für Pseudo-Sicherheit“ nötig, sagt er. Die SPD sehe das Thema ohnehin anders als die Union: Für die Sozialdemokraten gehöre zur inneren Sicherheit immer auch die soziale Sicherheit. Es sei daher auch nötig, die aktuelle Migrationsdebatte von den klassischen sicherheitspolitischen Fragen zu entkoppeln. Damit stellt sich Stegner auch gegen die Rechtspopulisten der AfD, die nichts anderes als „nur Angstmacherei betreiben“.

Über die jüngsten Forderungen der CSU nach Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft freue sich vor allem eine: die AfD. Für die SPD komme eine entsprechende Gesetzesänderung ohnehin nicht in Frage. Die Abschaffung des Doppelpasses sei wie „eine Aufforderung an junge Deutsch-Türken, sich Erdoğan anzuschließen.“ Es sei nicht zu erklären, warum etwa Kanadier einen Doppelpass haben dürften, türkeistämmigen Bürgern dies in Zukunft nach dem Wunsch der CSU allerdings verwehrt werden sollte.

Profitiert die AfD von der CSU-Stimmungsmache?

Ein Jahr vor der Bundestagswahl zeigt sich Ralf Stegner genervt von CDU und CSU. Eine „merkwürdige Arbeitsteilung“ habe die Union im Sinn, findet er: Aus der CDU kämen „schöne Reden“, während die CSU „permanent, von morgens bis abends, zu allen vier Jahreszeiten“ verbale Attacken gegen die eigene Regierung führe – ein „offenes Foul“ an der Kanzlerin, findet Stegner.

Er habe den Eindruck, die Union habe inzwischen „ein sinnliches Verhältnis zum politischen Unfug“, so Stegner. Von den jüngsten Vorstößen der CSU profitiere vor allem die AfD. Die Gefahr dabei: Bei zweistelligen AfD-Wahlergebnissen werde die Möglichkeit für progressive Mehrheiten in den deutschen Parlamenten immer geringer, prognostiziert Stegner. Um der AfD das Wasser abzugraben, müsse deshalb nun auch Schluss sein mit den „halbstarken Dingen“ aus München. Denn, so sagt Ralf Stegner zum endlosen Streit zwischen CSU und CDU: „Die Bürger wollen das nicht.“

Zum Interview mit Burkhard Lischka, dem innenpolitischen Sprecher der SPD im Bundestag

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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